Gefahrenpotential "Freelancer": Scheinselbstständigkeit erkennen

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Einleitung

„Freelancer“ oder Honorarkräfte stellen für Unternehmen vermeintlich eine attraktive Alternative zu „normalen“ Angestellten dar. Der Unternehmer spart sich die Sozialabgaben, die eigene Lohnbuchhaltung wird „schlanker“ und die häufig lästigen Vorgaben des Arbeitsrechts (Kündigungsfristen, Kündigungsschutz, Entgeltfortzahlungen etc.) gelten nicht. Allzu häufig entspricht das, was der Unternehmer und der Freelancer vermeintlich vereinbaren jedoch nicht der rechtlichen Realität. Das böse Erwachen folgt oft spätestens, wenn bei einer der regelmäßig stattfindenden Rentenprüfung der vermeintlich Selbstständige doch als sozialversicherungspflichtiger Angestellter eingestuft wird. Der folgende Beitrag soll die Risiken der Beschäftigung von Scheinselbstständigen aufzeigen und Kriterien an die Hand geben, anhand derer der Unternehmer selbst feststellen kann, ob die von ihm beschäftigte Person tatsächlich selbstständig tätig ist oder es sich um einen scheinselbstständigen Angestellten handelt.


1. Sozialrechtliche Kriterien, Prüfung durch die Rentenversicherung


Die Rentenversicherung prüft regelmäßig, ob die beschäftigten Personen selbstständig sind, oder es sich um abhängige Beschäftigte handelt.


a) Mehrere Auftraggeber nicht ausreichend

Dabei besteht der weit verbreitete Irrtum, dass eine Person bereits immer dann selbstständig tätig ist, wenn sie für mehrere Auftraggeber tätig wird. Zwar kann dies ein Indiz dafür darstellen, dass die Person ein eigenes wirtschaftliches Risiko trägt, aber ein zwingender Schluss dahingehend, dass eine Scheinselbstständigkeit ausscheidet, weil noch weitere Auftraggeber bestehen, kann definitiv nicht gezogen werden. Vielmehr ist bei mehreren Auftragsverhältnissen jedes einzelne dahingehend zu überprüfen, ob eine abhängige Beschäftigung vorliegt. So hat das Bundessozialgericht u.a. entschieden, dass auch eine „selbstständige“ Bürokraft, die Ihre Leistungen für sieben verschiedene Auftraggeber erbracht hat, dennoch nicht selbstständig sei, weil sie in den jeweiligen Betrieb eingebunden und bei ihrer Arbeit weisungsabhängig war.


b) Weisungsabhängigkeit und eigenes wirtschaftliches Risiko

Die Rentenversicherung stellt bei ihrer Prüfung daher regelmäßig nicht auf die Anzahl der Auftraggeber ab, sondern darauf, ob die betreffende Person weisungsabhängig ist und ein eigenes wirtschaftliches Risiko trägt.

Aspekte, die für die Weisungsabhängigkeit und die Eingliederung in den Betrieb des Unternehmers sprechen, sind unter anderem: feste Arbeitszeiten, die tatsächliche Erteilung von Weisungen, die Frage, ob der vermeintlich selbstständige mit anderen festangestellten Mitarbeitern zusammenarbeitet und Aufgaben erfüllt, welche auch von „normalen“ Angestellten erledigt werden.

Für das eigene wirtschaftliche Risiko sprechen vor allem: eigenes Personal, der Einsatz eigener Betriebsmittel, das Vorhandensein eigener Geschäftsräume.

Dabei ist die Aufzählung keinesfalls abschließend. Die Rentenversicherung berücksichtigt eine Vielzahl von Kriterien, aus welchen sich in der Zusammenschau ergibt, ob eine Person selbstständig oder in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis tätig ist.


2. Folgen der Scheinselbstständigkeit 

Da das Vorliegen einer Scheinselbstständigkeit häufig erst im Nachhinein im Rahmen einer Prüfung der Rentenversicherung festgestellt wird, sind insbesondere die finanziellen Folgen häufig beträchtlich.

Der Unternehmer ist in diesem Fall verpflichtet für die Vergangenheit (in der Regel vier Jahre) die Sozialversicherungsbeiträge für den vermeintlichen Selbstständigen nachzuentrichten. Dabei sind sowohl der Arbeitgeberanteil als auch der Arbeitnehmeranteil zu zahlen (der Unternehmer zahlt also doppelt). Dabei kann die Rentenversicherung, wenn sie von einer bewussten Umgehung der Sozialversicherungspflicht ausgeht, dass bisher für die Leistungen gezahlte Entgelt auch als Netto-Entgelt ansetzen, sodass die Sozialversicherungsbeiträge noch obendrauf gerechnet werden.

Eine Möglichkeit den vermeintlich Selbstständigen in Regress zu nehmen, besteht hingegen nur im geringen Umfang. Zwar kann der Unternehmer den Arbeitgeberanteil von dem Beschäftigten zurückfordern, die Rückforderung erfolgt allerdings gem. § 28g SGB IV durch Anrechnung auf das Arbeitsentgelt. Voraussetzung ist also zunächst, dass tatsächlich noch ein Beschäftigungsverhältnis besteht. Darüber hinaus ist die Anrechnungsmöglichkeit auf die drei folgenden Monate beschränkt und kann nur unter Berücksichtigung der Pfändungsgrenze erfolgen.

Ein häufig noch zusätzlich auftretendes Problem ergibt sich, wenn auf das Entgelt für die erbrachten Leistungen Umsatzsteuer berechnet wurde. Da die beschäftigte Person tatsächlich nicht selbstständig tätig war, ist die regelmäßig auch nicht Unternehmer im Umsatzsteuerlichen Sinne. Die Umsatzsteuer wurde daher regelmäßig zu Unrecht erhoben. Auf Seiten des Unternehmers ergibt sich hieraus, dass eine Korrektur des Vorsteuerabzugs vorzunehmen ist. Zwar besteht in solchen Fällen auch ein Anspruch gegenüber dem vermeintlich Selbstständigen auf Erstattung der zu Unrecht erhobenen Umsatzsteuer, eine Durchsetzung dieses Anspruchs wird sich jedoch häufig als schwierig erweisen.

Zuletzt besteht daneben noch die Gefahr, dass durch die Beschäftigung einer Scheinselbstständigen Person verschiedene Straftatbestände (Vorenthalten von Arbeitsentgelten, Sozialleistungsbetrug etc.) verwirklicht wurden.


3. Kein Schutz durch Rentenprüfungen in der Vergangenheit

Nicht selten kommt es vor, dass bei einer Rentenprüfung eine Scheinselbstständigkeit zunächst nicht erkannt wird. Die erbrachten Leistungen werden als selbstständige Tätigkeit anerkannt.

Zum großen Ärgernis für den Unternehmer bindet eine solche Feststellung in einer früheren Rentenprüfung aber spätere Prüfungen nicht.

Auf der Grundlage desselben Sachverhalts kann die Rentenprüfung also jeweils unterschiedlich ausfallen. Der Unternehmer kann sich regelmäßig nicht darauf berufen, dass bei Rentenprüfungen in der Vergangenheit die Beschäftigung der selbstständig tätigen Person nicht beanstandet wurde.


4. Arbeitsrechtliche Konsequenzen

Das Ergebnis der Rentenprüfung bindet Arbeitsgerichte grundsätzlich nicht. Eine früher geplante Gesetzesänderung, durch welche in § 611 a BGB dahingehend geändert werden sollte, dass bei entsprechender Feststellung der Rentenversicherung in Bezug auf die Sozialversicherungspflicht stets auch ein Arbeitsverhältnis vorliegen soll, wurde nicht umgesetzt.

Auch nach der Rechtsprechung des BAG sind die Ergebnisse einer Rentenprüfung nicht ohne weiteres auf etwaige arbeitsrechtliche Fragen übertragbar.

Dennoch ist festzuhalten, dass für die Einordnung einer Beschäftigung als Arbeitsverhältnis grundsätzlich dieselben Kriterien herangezogen werden, wie bei der sozialversicherungsrechtlichen Prüfung. Faktisch wird es daher regelmäßig so sein, dass in den Fällen, in denen die Rentenversicherung eine Scheinselbstständigkeit festgestellt hat, auch ein Arbeitsverhältnis vorliegt.

Auch hier können sich weitere negative Konsequenzen ergeben. Nicht nur, dass die beschäftigte Person in solchen Fällen Kündigungsschutz genießt und die Kündigungsfristen des BGB Anwendung finden, häufig ergeben sich auch noch Ansprüche aufgrund von nicht gewährten Urlaub oder Entgeltfortzahlungsansprüche.

In bestimmten Konstellationen kann der Unternehmer dem Scheinselbstständigen aber Ansprüche aufgrund von überzahltem Lohn entgegenhalten, denn vermeintlich selbstständig tätige Personen erhalten in der Regel eine höhere Vergütung als vergleichbare Personen in Festanstellung. Die Differenz zwischen dem üblichen Gehalt und der tatsächlich gezahlten Vergütung kann der Unternehmer in solchen Fällen geltend machen. Auch hier kann sich aber das Problem der Durchsetzbarkeit des Anspruchs ergeben.


5. Fazit

Stellt sich im Nachhinein heraus, dass eine beschäftigte Person scheinselbstständig war, so hat dies vor allem für den ihn beschäftigenden Unternehmer erhebliche – insbesondere finanzielle – Nachteile. Da Sozialversicherungsbeiträge in solchen Fällen rückwirkend für mehrere Jahre erhoben werden, ergibt sich leicht eine Zahlungsverpflichtung in Höhe mehrerer zehntausend Euro. Möglichkeiten, die beschäftigte Person in Regress zu nehmen bestehen demgegenüber nur im eingeschränkten Maße und sind häufig nicht oder nur schwer durchsetzbar.

Dem Unternehmer ist daher dringend zu raten, nicht abzuwarten, bis die Rentenversicherung die Scheinselbstständigkeit feststellt, sondern er sollte selbst aktiv prüfen, wie das Beschäftigungsverhältnis sozial- und arbeitsrechtlich einzuordnen ist.


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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