10 Fragen zur Abmahnung, Teil 2

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Die meisten Arbeitnehmer, die zum Ziel einer harschen Zurechtweisung durch ihren Arbeitgeber geworden sind, stehen dieser Situation zunächst ratlos und verunsichert gegenüber. Die Vorstellung, möglicherweise den Arbeitsplatz zu verlieren, schürt Versagensängste und wird überwiegend als massiv existenzgefährdend empfunden 

Bereits die Einordnung, ob es sich um eine (ernstzunehmende) Abmahnung oder um eine bloße Unmutsäußerung oder Ermahnung z. B. im Rahmen eines Mitarbeitergesprächs handelt, ist in vielen Fällen nicht leicht zu beantworten. Das nachfolgende Frage- und Antwort-System (Teil 1 und 2) soll helfen, Betroffenen eine erste Einordnung vorzunehmen und die weitere Vorgehensweise abzuklären.

6. Ist eine mündliche Abmahnung wirksam?

Für die Abmahnung bestehen keine besonderen Formvorschriften, sodass diese grundsätzlich auch mündlich erteilt werden kann, sofern nicht in einem Tarifvertrag, der auf das Arbeitsverhältnis einwirkt, etwas anderes vereinbart ist. 

Jedoch muss der Arbeitgeber im Streitfall darlegen und beweisen, dass dem Arbeitnehmer eine konkrete Rüge ausgesprochen worden ist und in welcher Weise auf die Gefährdung des Arbeitsplatzes bei wiederholter Zuwiderhandlung hingewiesen worden ist. Dieser Beweis ist bei nur mündlicher Erteilung kaum zu führen, weshalb jeder Arbeitgeber gut beraten ist, den sicheren Weg der schriftlichen Abmahnung zu wählen.

7. Wie lange darf der Arbeitgeber sich Zeit lassen, eine Abmahnung zu erteilen?

Eine Regelfrist für den Ausspruch einer Abmahnung gibt es nicht. Jedoch gilt auch hier: Je länger sich der Arbeitgeber Zeit zu einer entsprechenden Reaktion nimmt, desto weniger schwer kann der Verstoß gewesen sein. Eine nach langer Zeit ausgesprochene Abmahnung kann deshalb verwirkt sein. 

Gelegentlich verweisen Gerichte auf tarifliche Ausschlussfristen von 6 Monaten und leiten daraus einen allgemeinen Rechtsgedanken ab, dies auch im Falle der Abmahnung entsprechend zu handhaben, jedenfalls sei eine Abmahnung nach einem Jahr verwirkt.

8. Wie kann der Arbeitnehmer gegen eine unberechtigte Abmahnung vorgehen?

Der Arbeitnehmer kann bei einer unberechtigten Abmahnung die Entfernung aus der Personalakte in entsprechender Anwendung der §§ 242, 2004 Abs. 1 Satz 1 BGB verlangen. 

Der Anspruch besteht, wenn die Abmahnung entweder inhaltlich unbestimmt ist, unzutreffende Tatsachenbehauptungen enthält, auf einer unrichtigen Bewertung des Verhaltens des Arbeitnehmers beruht oder den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzt. 

Die Personalakte muss dann so gesäubert werden, dass ein Rückschluss auf eine etwaige entfernte Abmahnung nicht möglich ist. Sollte sich der Arbeitgeber weigern, kann dieser Anspruch vor dem örtlich zuständigen Arbeitsgericht klageweise durchgesetzt werden.

Der betroffene Arbeitnehmer kann sich aber auch darauf beschränken, eine Gegendarstellung zu verfassen, die entsprechend § 83 Abs. 1 BetrVG in seine Personalakte aufzunehmen ist. Damit kann er zum einen verdeutlichen, dass er die Abmahnung für unrichtig hält, zum anderen seine Sichtweise darstellen.

Für den Arbeitnehmer sind keine Fristen zu beachten, falls er gegen eine unberechtigte Abmahnung vorgehen will. Diese verletzt ja ständig seine Rechte aufs Neue, solange sie sich in der Personalakte befindet.

Mitunter wollen sich Arbeitnehmer gegen eine unberechtigte Abmahnung nicht sofort wehren, um nicht das Arbeitsverhältnis weiter zu belasten. In diesem Fall sollte unbedingt ein möglichst präzises, umfangreiches Gedächtnisprotokoll für die eigenen Unterlagen erstellt werden, in welchem z. B. auch Zeugen, die die eigene Position bestätigen können, aufgeführt werden. 

Sollte es sodann zu einem späteren Zeitpunkt – im Rahmen eines Kündigungsschutzprozesses – um die Berechtigung der Abmahnung gehen, erleichtert dies die Aufarbeitung und beeinflusst unter Umständen den Prozessausgang zugunsten des Arbeitnehmers.

9. Muss jede Abmahnung nach zwei Jahren aus der Personalakte entfernt werden?

Eine solche generelle Verfallsgrenze von zwei Jahren gibt es offiziell nicht, sie ist jedoch eine gewisse Richtschnur: Selbst zu Recht ausgesprochene Abmahnungen sind aus der Personalakte zu entfernen, wenn kein schutzwürdiges Interesse des Arbeitgebers mehr an dem Verbleib in der Personalakte besteht, sich insbesondere der Arbeitnehmer seitdem keiner Pflichtverletzung – auch anderer arbeitsrechtlicher Relevanz – schuldig gemacht hat. 

Generell gilt: Je schwerer die Pflichtverletzung, desto länger kann die Abmahnung in der Personalakte verbleiben, je weniger schwerwiegend, desto kürzer wird die Verbleibenszeit anzusetzen sein.

10. Darf der Arbeitgeber Betriebsratsmitglieder abmahnen?

Hier gilt es zu unterscheiden: Natürlich dürfen Betriebsratsmitglieder abgemahnt werden, wenn sie ihre arbeitsvertraglichen Pflichten verletzen. Verletzen Betriebsratsmitglieder hingegen ausschließlichbetriebsverfassungsrechtliche Pflichten, können sie hingegen nicht vom Arbeitgeber abgemahnt werden. 

Eine gewisse Zwitterstellung nimmt die sog. betriebsverfassungsrechtliche Abmahnung ein. Bei dieser wird der Vorwurf grober Verletzung gesetzlicher Pflichten, also auch gegen den betriebsverfassungsrechtlichen Grundsatz vertrauensvoller Zusammenarbeit zwischen dem Arbeitgeber und dem Betriebsrat, zum Anlass genommen, damit zu drohen, einen Antrag auf Ausschluss des konkreten Betriebsratsmitgliedes aus dem Betriebsrat gem. § 23 Abs. 1 BetrVG bei weiterer Zuwiderhandlung zu stellen. 

Diese Art von Abmahnung kann gleichwohl zu der Personalakte genommen werden, wenngleich eine ordentliche Kündigung des betroffenen Betriebsratsmitglieds aufgrund des § 15 Abs. 1 KSchG während der Dauer der Amtszeit sowie bis zum Ablauf eines Jahres danach nicht möglich ist und die Abmahnung auch deshalb keine Wirkung entfalten dürfte, weil eine nochmalige Zuwiderhandlung nicht möglich erscheint.

Häufig wird sich die Abmahnung als bloßer Vorwand erweisen, um missliebige Betriebsratsmitglieder systematisch einzuschüchtern. Bestehen entsprechende Verdachtsmomente, sollte sich das betroffene Betriebsratsmitglied nicht scheuen, jede einzelne unberechtigte Abmahnung vor Gericht anzugreifen und deren Entfernung aus der Personalakte zu verlangen. 

Hierbei wird dem Betriebsratsmitglied das sog. Beschlussverfahren eröffnet, sofern es sich durch die Abmahnung in seinen betriebsverfassungsrechtlichen Rechten verletzt sieht. 

Der Vorteil: Anders als im Urteilsverfahren, bei welchem das Betriebsratsmitglied die Kosten seines Prozessbevollmächtigten selbst dann tragen muss, wenn es den Rechtsstreit gewinnt (§ 12 a ArbGG), muss im Beschlussverfahren der Arbeitgeber diese Kosten auf jeden Fall tragen (§ 40 BetrVG).

Rechtsanwalt Dieter W. Schmidt ist Fachanwalt für Arbeitsrecht mit dem Kanzleisitz in Passau, verfügt über eine 30-jährige anwaltliche Berufserfahrung und vertritt Ihre arbeitsrechtlichen Interessen bundesweit an allen Arbeitsgerichten und Landesarbeitsgerichten.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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