Scheinselbständigkeit – 10 weitverbreite Rechtsirrtümer zur Scheinselbständigkeit

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Um die Sozialversicherungspflicht von Selbständigen bzw. Scheinselbständigkeit ranken sich viele (Rechts-) Irrtümer. Nachforderungen regelmäßig in 5- bis 7-stelliger EURO Höhe und Strafverfahren sind die Folgen.

Als Rechtsanwalt kann man nicht immer präventiv und/oder korrigierend eingreifen. Häufig kann nur versucht werden, die Altlasten zu verringern und die Situation für die Zukunft rechtssicher zu gestalten.

Hier und in meinem Video.erfahrt ihr, wem Gefahr droht und was man dagegen tun kann.


10 weitverbreite Rechtsirrtümer zur Scheinselbständigkeit sind:

IRRTUM 1
Falls in einem Vertrag geregelt ist, dass beide Vertragsparteien lediglich eine freie Mitarbeit vereinbart haben und Weisungen weder nach Ort oder Zeit erteilt werden, schließt dies Scheinselbständigkeit immer aus.

Falsch.
Der Vertrag ist der Beginn jeder Prüfung durch die Deutsche Rentenversicherung oder des Zolls. Entscheidend sind aber nur die tatsächlichen Verhältnisse. Widerspricht die gelebte Praxis der täglichen Arbeit den vertraglichen Vereinbarungen, ist auch der bestausformulierte Vertrag nichts wert.

Mit einem klugen Vertrag können Sie ihr Risiko bei einer Betriebsprüfung aber erheblich verringern.  Den Vorwurf der Scheinselbständigkeit zu vermeiden, alleine durch einen „Scheinvertrag“, funktioniert meist nicht.


IRRTUM 2
Als arbeitnehmerähnlicher Selbständiger darf ich keine Familienangehörigen beschäftigen.

Falsch.
Auch die Beschäftigung von Familienangehörigen kann zur Rentenversicherungsfreiheit führen. Alles andere würde gegen Art. 6 GG verstoßen.


IRRTUM 3
Ständig wechselnde Auftraggeber führen zur Selbständigkeit
.

Falsch.
Auch wenn zahlreiche kurze oder befristete Beschäftigungen nacheinander im Rahmen von Arbeitsverhältnissen geleistet werden, ist dies alleine betrachtet nur ein schwaches Indiz für eine selbständige Tätigkeit.


IRRTUM 4
Mehrere Auftraggeber zur gleichen Zeit schützen vor Scheinselbständigkeit.

Falsch.
Jeder einzelne Auftrag und jeder Auftraggeber ist für sich auf Scheinselbständigkeit zu prüfen.
Wer wie ein Arbeitnehmer für drei Auftraggeber nur formal selbständig tätig ist, ist sozialversicherungspflichtig bei drei Arbeitgebern beschäftigt.


IRRTUM 5
Wer nur einen einzigen Auftraggeber hat, ist immer Scheinselbständiger.

Falsch.
Auch Selbständige mit nur einem Auftraggeber können selbständig tätig sein, nämlich als arbeitnehmerähnlicher Selbständiger.


IRRTUM 6
Auftraggeber bzw. Arbeitgeber und Selbständige können vereinbaren, dass diese die Sozialversicherungsbeiträge selbst tragen müssen, wenn die Prüfung der Deutschen Rentenversicherung die Sozialversicherungspflichtigkeit der Tätigkeit ergibt.

Falsch.
Die Überwälzung dieses Risikos verstößt immer gegen die gesetzlichen Regelungen und ist deshalb unwirksam. Für die Abführung der Sozialabgaben haftet ausnahmslos der Arbeitgeber bzw. Auftraggeber.


IRRTUM 7
Eine GmbH oder UG schützt vor Sozialversicherungspflicht.

Falsch.
Bei einer Ein-Mann-GmbH oder UG mit einem mitarbeitenden Gesellschafter- und/oder Geschäftsführer droht die Annahme einer Umgehung durch Deutsche Rentenversicherung und Sozialgerichte.


IRRTUM 8
Die Durchführung eines Statusfeststellungsverfahren ist die beste Lösung zur Klärung der Sozialversicherungspflichtigkeit
.

Falsch.
Ein schlecht oder nicht vorbereitetes Statusfeststellungsverfahren führt – wenn die Beschäftigung bereits besteht – regelmäßig zu erheblichen Nachforderungen der Deutschen Rentenversicherung an den Auftraggeber bzw. Arbeitgeber. Zusätzlich drohen weitere Nachzahlungen durch die Rückabwicklung der unberechtigt ausgewiesenen Umsatzsteuer.


IRRTUM 9
Bezahlter Urlaub ist ein gewichtiges Indiz für Scheinselbständigkeit.

Falsch.
Oft gelesen, leider selbst in Urteilen der Sozialgerichte bis hin zum Bundessozialgericht. Dabei haben arbeitnehmerähnliche Selbständige nach dem Bundesurlaubsgesetz (§ 2 BUrlG) ebenfalls einen Rechtsanspruch auf bezahlten Urlaub. Dort heißt es:

Selbständige dürfen nicht nur Urlaub bezahlt bekommen, sie haben sogar einen Rechtsanspruch darauf, wenn sie von einem Auftraggeber wirtschaftlich abhängig sind und deswegen als arbeitnehmerähnliche Selbständige anzusehen sind.


IRRTUM 10
Die Folgen von Scheinselbständigkeit treffen nur den Auftraggeber bzw. Arbeitgeber.

Falsch.
Zwar haftet der Auftraggeber für die Sozialversicherungsbeiträge in der Vergangenheit faktisch alleine.

Bei Einkommenssteuer/Lohnsteuer, Umsatzsteuer oder ggf. auch Gewerbesteuer wird in der Regel eine Rückabwicklung vorgenommen. Das kann für den Scheinselbständigen entweder teuer oder aber auch lukrativ werden.

Auch beim Bestehen einer gesetzliche Krankenversicherung bestand, erhält der  Scheinselbständige eine Rückerstattung seiner gezahlten Beiträge..

Arbeitsrechtlich können die Folgen von Scheinselbständigkeit unangenehm für den Betroffenen werden. Aber wer sozialversicherungsrechtlich abhängig Beschäftigter ist, ist noch lange nicht Arbeitnehmer.



Weitere Infos findet ihr in meinem Video oder unter:

GLÜCK - Kanzlei für Strafrecht


Foto(s): GLÜCK - Kanzlei für Strafrecht


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