Abrechnung nach Gutachten: Wann darf Versicherer kürzen? (Lohnkosten, UPE-Aufschläge)

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Immer häufiger erleben Geschädigte bei einer Unfallabrechnung nach Gutachten, dass die Schadensberechnung von der Versicherung (genauer: der Haftpflichtversicherung des Unfallgegners) nicht akzeptiert wird. Egal, was der Sachverständige in sein Gutachten hinein schreibt, die Abrechnung der Versicherung sieht fast immer anders aus. Wie kann das sein?

Zunächst muss nochmals betont werden, dass ein Geschädigter stets das Recht hat, auf Basis eines Gutachtens den Unfallschaden abzurechnen. Man spricht dann von fiktiver Abrechnung. Die Rechtsprechung zu § 249 BGB ist hier eindeutig. Um es also ganz klar - nochmals - zu sagen: der Geschädigte kann den aus dem Gutachten ersichtlichen Nettobetrag fordern und sodann

  • gar nicht reparieren, oder
  • selber reparieren, oder
  • teilweise reparieren (lassen), oder auch
  • preiswerter (als in dem Gutachten berechnet) reparieren lassen.  

All dies ändert nichts daran, dass er den von dem Sachverständigen ermittelten Nettobetrag behalten darf. Und wieso nur netto, also ohne Umsatzsteuer? Ganz einfach, weil die Umsatzsteuer erst bei Durchführung der Reparatur anfällt (gesetzlich geregelt in § 249 II S.2 BGB), und das ist ja gerade nicht unser Fall. Wenn nun also die Versicherung kürzt, dann muss sie den Geschädigten immer auf eine preiswertere, aber absolut gleichwertige Reparaturmöglichkeit verweisen. Und hier muss nun genau hingeschaut werden. Meist führen die Versicherer in ihren Abrechnungsschreiben Alternativwerkstätten auf. Ob dies akzeptiert werden muss, hängt zunächst davon ab, ob die benannte Werkstatt wirklich vollkommen gleichwertige Reparaturmöglichkeiten hat. Hier fängt somit die Arbeit des Rechtsanwaltes an, denn dies ist im Rechtsstreit zu bestreiten. Wenn dann ein gerichtlich eingesetzter Sachverständiger feststellt, dass die benannte Werkstatt z.B. ein bestimmtes Motoranalysegerät nicht bereit hält, das in einer Vertragswerkstatt üblicherweise vorhanden ist, hat die Versicherung verloren. Es liegt dann keine Gleichwertigkeit vor und die Sätze aus dem Gutachten haben Bestand, sprich können gefordert werden.

Wie das LG Saarbrücken jüngst zu dem A.Z. 13 S 61/13 (Urteil vom 19.7.13) entschied, muss die von der Versicherung benannte Werkstatt weiterhin mühelos und ohne Weiteres zugänglich sein. Dies ist beispielsweise widerlegt, wenn die Werkstatt mehr als 20 km von dem Geschädigten entfernt liegt. Auch wenn die von der Alternativwerkstatt benannten Stundensätze ausschließlich gegenüber der Versicherung angeboten werden, nicht aber dem normalen Kunden gegenüber („Versicherungstarife"), so darf die Versicherung nicht auf diese Werkstatt verweisen. Dies ist auch der Fall, wenn der Wagen nicht älter als 3-4 Jahre ist, oder wenn er in einer Fachwerkstatt in der Vergangenheit gewartet worden war. Entsprechendes gilt für die sogenannten UPE-Aufschläge, das sind Beträge, die aufgrund der Lagerhaltung von Originalteilen auf die unverbindliche Preisempfehlung des Herstellers aufgeschlagen werden. Diese sind auch im Rahmen fiktiver Schadensabrechnung grundsätzlich ersatzfähig, wenn ein anerkannter Kfz-Sachverständiger unter Berücksichtigung der örtlichen Gegebenheiten zu dem Ergebnis gelangt ist, dass im Falle einer Reparatur in der betroffenen Region bei markengebundenen Fachwerkstätten diese Kosten typischerweise erhoben werden. Oder wie es der Bundesgerichtshof (BGH) formuliert: ob es sich bei den Posten um solche handelt, die im Falle einer Instandsetzung voraussichtlich anfallen würden. Dies sahen zuvor auch schon zahlreiche weitere Gerichte ganz genau so, vgl. z.B. OLG Düsseldorf, Schaden-Praxis 2012, S. 324; OLG Hamm NZV 2013, S. 247; Kammergericht Berlin, Urt. v. 8.4.2011, A.Z. 13 S 152/10.

Die volle Beweislast dafür, dass die von dem Geschädigten vorgetragenen Umstände nicht vorliegen, hat die Versicherung. Verzichten Sie also nicht auf Ihre Rechte!

Verfasser: Dr. Henning Karl Hartmann, Fachanwalt für Verkehrsrecht (Oranienburg)



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