Abschöpfung sogenannter Übergewinne bei der Stromerzeugung - Bauern und kleine Erzeuger können sich wehren

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Blick auf eine Biogasanlage, betrieben von einem Landwirt aus Friesland

Das größte Schreckgespenst heißt Rückwirkung. Im Zuge der Strompreisbremse sollen nach Plänen der Bundesregierung bis zu 90 Prozent der "Zufallsgewinne"  von den Betreibern abgeschöpft werden. Dabei ist auch eine rückwirkende Abschöpfung seit dem 1. März 2022 im Gespräch. Dieses Vorhaben ist nach unserer Auffassung verfassungswidrig und mit rechtsstaatlichen Prinzipien wie dem Vertrauensschutz nicht vereinbar. 

Worum es geht

In Biogasanlagen wird aus organischem Material durch mikrobiellen Abbau der erneuerbare Energieträger Biogas gewonnen. Ob man diese Form der Stromerzeugung befürwortet oder nicht, sie wurde in den vergangenen Jahren massiv gefördert und war "politisch gewollt".

Die Stromerzeugung aus Biogas, wird durch das Erneuerbare-Energien Gesetz (EEG) gefördert. Dadurch kam es zwischen 2007 und 2014 zu einem starken Zubau. Mit dem EEG 2014 wurde die Förderung für Biogasanlagen gesenkt; seitdem hat sich der Zubau deutlich verlangsamt.

Nach Angaben des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) erzeugen derzeit in Deutschland etwa 9.600 Biogasanlagen eine elektrische Leistung von mehr als 5.600 Megawatt. Sie liefern ausreichend Strom für mehr als neun Millionen Haushalte und decken rund 5,4 Prozent des deutschen Stromverbrauchs ab. Hinzu kommt die erzeugte Wärme aus Biogasanlagen, die ausreichend für über 2,5 Millionen Haushalte ist und etwa 10 Prozent der produzierten erneuerbaren Wärme ausmacht. (Quelle: Umweltbundesamt)

Nicht nur die großen Stromkonzerne, sondern auch kleinere Unternehmer und Landwirte haben deshalb auf diese Form der Stromerzeugung gesetzt und darin investiert, in vielen Fällen nicht nur um Geld zu verdienen, sondern auch um einen Beitrag zum Umweltschutz zu leisten. 

Nun sollen auch die kleinen Erzeuger wohlmöglich einen großen Teil der damit in der Vergangenheit erzielten Einnahmen wieder abgeben müssen. Sogenannte Übergewinne, die während der Ukrainekrise erzielt wurden, sollen größtenteils abgeschöpft werden.

Was ist eine Übergewinnsteuer?

Übergewinnsteuern wurden historisch insbesondere in Kriegs- und Nachkriegszeiten erhoben. Dabei wurden vor allem zwei Ziele verfolgt, nämlich das fiskalpolitische Ziel der Deckung eines außergewöhnlich hohen öffentlichen Finanzbedarfs und das weitere Ziel, Gewinne bestimmter Branchen abzuschöpfen, die entweder aufgrund oder während der Kriege erwirtschaftet wurden und daher als ungerecht empfunden wurden.

Die Europäische Kommission hat angesichts des Ukraine-Krieges am 8. März 2022 den „REPower EU“-Plan vorgestellt. Dieser soll ein gemeinsames europäisches Vorgehen für erschwinglichere, sichere und nachhaltige Energie gewährleisten. Angeblich sollen diese abgeschöpften Gewinne "an die Verbraucher umverteilt werden". (Quelle: Deutscher Bundestag).

Berechnet wird die Höhe der Abschöpfung - vereinfacht gesprochen - anhand der in einem weiter in der Vergangenheit liegenden Referenzzeitraum. Übermäßige Gewinnsteigerungen, die sich aus dem Vergleich dieser Zeiträume ergeben, sollen als Übergewinn deklariert und über eine Steuer überwiegend abgeschöpft werden. Auch andere Staaten haben entsprechende Gesetze bereits beschlossen, oder befinden sich im Gesetzgebungsverfahren.

Insbesondere die Rückwirkung dürfte unzulässig sein

Schon die Änderung der Erwerbsmöglichkeiten, die z.B. durch Änderung der Steuergesetze und wie hier durch die Einführung einer Sondersteuer für die nahe Zukunft eintreten könnte, ist für die betroffenen Unternehmer problematisch, weil sie unbedingt auf Planungssicherheit angewiesen sind. Dies gilt vor allem deshalb, weil Landwirte und kleinere Unternehmer gezielt z.B. in Biogasanlagen investiert haben, um sich in schwierigen Zeiten ein zweites finanzielles Standbein zu schaffen. Jetzt, als viele solcher Anlagen erstmals Gewinne abwerfen, sollen diese entnommen werden.

Ein noch größeres Problem, welches aus unserer Sicht endgültig an die verfassungsmäßigen Grenzen des garantierten Vertrauensschutzes stößt, besteht wo die im laufenden Kalenderjahr bereits erzielten Erlöse rückwirkend abgeschöpft werden sollen. Diese Mittel sind von den Betroffenen gerade in Krisenzeiten größtenteils reinvestiert oder jedenfalls bereits ausgegeben worden.

Das grundsätzliche Verbot rückwirkender belastender Gesetze beruht auf den Prinzipien der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes. Das Verbot schützt das Vertrauen in die Verlässlichkeit und Berechenbarkeit der Rechtsordnung. Dabei ist eine von der Rechtsprechung sogenannte "echte Rückwirkung" immer rechtswidrig. Eine echte Rückwirkung liegt vor, wenn ein Gesetz nachträglich in bereits abgeschlossene Sachverhalte eingreift und bereits eingetretene Rechtsfolgen ändert. Das wäre hier der Fall, wen auch Gewinne aus dem Steuerjahr 2021 abgeschöpft werden sollten. 

Nachdem derzeit das Jahr 2022 noch nicht beendet ist, handelt es sich bei der Abschöpfung der Gewinne seit März 2022 wohl um einen Fall der "unechten Rückwirkung", die aber auch nur unter engen Voraussetzungen überhaupt denkbar ist. Hier dürfte wohl die Rückwirkung einer neu eingeführten Übergewinnsteuer nicht isoliert von der bereits bestehenden Belastung mit Ertragsteuern zu beurteilen sein, was das ganze Verfahren verkomplizieren wird. Seitens des Gesetzgebers ist daher Eile geboten, die nicht zu Lasten der Qualität gehen darf. 

Auch die unechte Rückwirkung ist nach Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) aber rechtswidrig, wenn  die "Bestandsinteressen der Betroffenen die Veränderungsgründe des Gesetzgebers überwiegen". Dies dürfte hier in jedem Fall gegeben sein. Außerdem muss der Gesetzgeber hier ohnehin die rechtlichen Bedenken überwinden die immer gegen einzelfallbezogene Sondersteuern bestehen. Ein weiteres Argument gegen die Zulässigkeit der rückwirkenden Besteuerung dürfte hier in einer sogenannten unzulässigen "Erdrosselungssteuer" und in einem Verstoß gegen den verfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz liegen. Europarechtliche Bedenken kommen hinzu.  

Fazit

Aus rechtlicher Sicht bestehen demnach erhebliche Bedenken gegen die Zulässigkeit einer rückwirkenden Gewinnabschöpfung. Auch die grundsätzliche Zulässigkeit einer Sondersteuer für die Zukunft ist kritisch zu prüfen. 

In moralischer Hinsicht muss sich die Bundesregierung vorwerfen lassen, zuerst Anreize für den Einstieg von Landwirten und kleineren Unternehmen in diesen Teil der erneuerbaren Energien gesetzt zu haben und den Adressaten nun finanziell den Boden unter den Füßen nehmen zu wollen. 

Aus unserer Sicht ist es bei Gesamtbetrachtung dieser Faktoren ein gangbarer Weg für die Politik, mit entsprechender Begründung landwirtschaftliche Betriebe und kleinere Anlagen von der Gewinnabschöpfung auszunehmen und das Gesetz so nur auf die Konzerne zu begrenzen, die den Anlass für die Initiative durch zusätzliche Gewinne in Milliardenhöhe gegeben haben.


Über uns

Unsere Kanzlei im Herzen Kölns versteht sich bundesweit als Partner von Landwirten und anderen mittelständischen Unternehmen in allen Fragen der rechtlichen Unternehmensberatung

Gerne vertreten wir Sie bundesweit bei Rechtsstreitigkeiten, beraten Sie zum Beispiel in vertragsrechtlichen Sachen oder anderen Angelegenheiten des unternehmerischen Alltags. 

Auch den bäuerlichen Zusammenschlüssen und Interessenverbänden stehen wir weiterhin gerne als Ansprechpartner für rechtliche Einschätzungen und Verfahren zur Verfügung.


So wird´s gemacht.


Stephan Stiletto

- Rechtsanwalt -

ein weiteres Beispiel für High-Tech auf dem Bauernhof
Foto(s): Jens Soeken


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