Absehen vom Fahrverbot bei Schwangerschaft

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Nach statistischen Angaben des Kraftfahrt-Bundesamtes in Flensburg stellten im Jahre 2010 Geschwindigkeitsüberschreitungen die häufigste Ordnungswidrigkeit sowohl bei Männern (insgesamt 2.223.000 Verstöße) als auch bei Frauen (insgesamt 606.000 Verstöße) dar. Dabei sieht der Bußgeldkatalog bereits bei einem erstmaligen Verstoß gegen die zulässige Geschwindigkeit von 31 km/h innerhalb oder von 41 km/h außerhalb geschlossener Ortschaften neben einer Geldbuße und Punkten ein sog. Regelfahrverbot von einem Monat vor (Tabelle 1 Nr. 11.3.60, 11.3.70 zur Nr. 11 BKat). Das Regelfahrverbot bedeutet, dass bei fahrlässiger Begehung und gewöhnlichen Tatumständen die Anordnung eines Fahrverbots wegen grober Verletzung der Pflichten des Fahrzeugführers in der Regel in Betracht kommt (§ 4 Abs. 1 BKatV).

Wie bereits der Wortlaut „in der Regel" indiziert, gibt es Ausnahmen von diesem Grundsatz. So sind in jedem Einzelfall sämtliche Tatumstände des Betroffenen zu berücksichtigen und können im Einzelfall dazu führen, dass ein Fahrverbot erst gar nicht zu verhängen ist oder aufgrund der besonderen Tatumstände oder der wirtschaftlichen bzw. persönlichen Verhältnisse vom anzuordnenden Fahrverbot abzusehen ist.

So hat das AG Bad Segeberg kürzlich bei einer Schwangeren im 7. Monat, die auf der Autobahn einen Baustellenbereich mit einer Geschwindigkeit von 123 km/h durchfuhr und damit eine durch Verkehrszeichen angeordnete Geschwindigkeitsbegrenzung von 60 km/h um 63 km/h überschritten hatte, von der Anordnung eines Regelfahrverbots gegen Erhöhung der Geldbuße von 440,00 Euro auf 600,00 Euro abgesehen. Die Regeldauer des Fahrverbots liegt bei einer derart wesentlichen Überschreitung in diesem Bereich bei zwei Monaten. Die Betroffene hatte den Verstoß eingeräumt und angegeben, aufgrund der Schwangerschaft einen starken Harndrang verspürt zu haben.

Das Gericht hatte zwar einen rechtfertigenden Notstand (§ 16 OWiG) verneint, bei dessen Vorliegen bereits die für die Anordnung eines Fahrverbots vorauszusetzende beharrliche Pflichtverletzung entfallen wäre. Jedoch hatte es die Schwangerschaft der Betroffenen als besonderen Tatumstand angesehen, die ein Abweichen vom Regelfall des zweimonatigen Fahrverbots rechtfertige.

Unser Rat: Der Tatrichter prüft nicht von Amts wegen, ob zugunsten des Betroffenen außergewöhnliche Umstände und somit ein Abweichen vom Regelfahrverbot sprechen. Diese sind rechtzeitig und vollständig vorzubringen, damit das Gericht sie bei der Würdigung aller Tatumstände berücksichtigen kann.

Die im obigen Urteil zum Ausdruck kommende Wertung dürfte auch auf alle weiteren schwangerschaftstypischen Umstände anwendbar sein, die zu einem kurzfristigen Überschreiten der Geschwindigkeitsbegrenzung führen können.

Urteil des AG Bad Segeberg vom 04.05.2012, Az.: 5 OWi 552 Js 43380/11 (181/11)


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