Alkoholfahrt und Nachtrunk

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Anlässlich einer Entscheidung des LG Oldenburg, Beschl. v. 24.5.2022 – 4 Qs 155/22 möchte ich an dieser Stelle mal die Frage aufwerfen, welche rechtlichen Folgen ein Nachtrunk haben kann.

Oft kommt es vor, dass eine Person wegen Fahrens unter Alkoholeinfluss oder andere alkoholbedingter Delikte angezeigt wird. Gerade bei Alkohol und Straßenverkehr kommt dann oft der Einwand eines sog. Nachtrunkes.


Was ist ein Nachtrunk, was ist eine Nachtrunkeinlassung?

Ein Nachtrunk liegt dann vor, wenn man erst nach einer Fahrt Alkohol konsumiert hat. Man ist also nicht betrunken gefahren, sondern hat erst nachdem man das Auto abgestellt hat, etwas getrunken. Häufig laufen die Fälle so: Man fährt mit dem Auto (ob angetrunken oder nicht) und verursacht einen Unfall/Schaden. Dann fährt man weiter nach Hause oder in die Kneipe, trinkt Alkohol und wird dann irgendwann von der Polizei „erwischt“. Nun gibt man an, dass man bei der Fahrt nüchtern war, in der Regel haben die Fahrer auch keinen Unfall bemerkt und man habe jetzt erst etwas getrunken.

Diese Einlassung ist natürlich, wenn sie der Wahrheit entspricht, eine gute Verteidigung. Wer erst nach einem (bemerkten oder unbemerkten) Unfall Alkohol getrunken hat, kann schlechterdings betrunken gefahren sein.

Diese Einlassung ist aber mit großer Vorsicht zu genießen!


Nachweis eines Nachtrunksund und Inhalt der Nachtrunkeinlassung!

Das hat einerseits damit zu tun, wie ein Nachtrunk nachgewiesen wird andererseits, wie unser Körper auf Alkohol reagiert.

Wenn wir Alkohol trinken, sind wir in der Regel nicht sofort betrunken. Der Körper braucht einige Zeit um den Alkohol aufzunehmen. Dies geschieht in der Regel im Darm und dauert je nach Mensch zwischen 30 Minuten und 2 Stunden nach Trinkende. Diese sog. Anflutphase muss das Gericht kennen, um einen Nachtrunk nachzuweisen bzw. zu widerlegen. Dies bedeutet, dass die Nachtrunkeinlassung auch enthalten muss, von wann bis wann man Alkohol konsumiert hat. Wenn das Trinkende um 00:00 Uhr angegeben wird, man aber bereits um 00:15 Uhr im Abbau des Alkohols ist, passt das was nicht zusammen! Weiterhin muss klar sein, welcher Alkohol in welcher Menge getrunken wurde. Die Widerlegung eines Nachtrunk ist immer dann möglich, wenn Trinkmenge und gemessene Blutalkoholkonzentration nicht miteinander in Einklang zu bringen sind.

Weiterhin ist wichtig, wie ein Nachtrunk nachgewiesen wird. Es werden immer mehrere Blutentnahmen durchgeführt. Die erste  Blutentnahme muss spätestens 45 Minuten nach dem Trinkende erfolgt sein. Danach werden im Abstand von 30 min immer wieder Blutentnahmen durchgeführt. Wenn die Werte zunächst ansteigen, kann davon ausgegangen werden, dass das Trinkenden noch nicht lange her ist. Sollte die vermeintliche Alkoholfahrt aber weiter zurück liegen (mehrere Stunden) kann dies bereits ein entlastender Faktor sein.

Weiterhin wird ein Nachtrunk nachgewiesen, indem bestimmte Ergebnisse mit der Realität in Einklang gebracht werden. Einerseits muss der Messunterschied zwischen erster und zweiter Messung mindestens 5% betragen, da alles darunter auch als Messfehler gewertet werden kann und keinen Nachweis eines Nachtrunkes liefert. Eher das Gegenteil! Weiterhin darf das Konzentrationsniveau der Blutalkoholmittelwerte zum Zeitpunkt der Blutentnahmen nicht wesentlich über 1,5 Promille liegen.

Dies hat damit zu tun, dass die angegebene Menge Alkohol in einer recht kurzer Trinkzeit konsumiert worden sein muss, da nur in entsprechenden Fällen ein längerer über das Trinkende hinaus anhaltender erfassbarer Anstieg der Blutalkoholkurve hervorgerufen werden kann. Wenn eine BAK von mehr als 1,5 ‰ besteht, geht das Gericht von einer längeren Trinkzeit aus, was wiederum dafür spricht, dass man bereits angetrunken war, als man ins Auto gestiegen ist. Wenn aber die Messung der dritten oder vierten Blutentnahme zu einem Wert über 1,5‰ führt, ist das in der Regel unschädlich.

Wo ist jetzt genau die Gefahr bei der Nachtrunkeinlassung?

Aufgrund der wissenschaftlichen Methoden und Erfahrungswerte ist es nahezu immer klar, dass eine Nachtrunk nachgewiesen wird bzw. ausgeschlossen werden kann. Wird ein Nachtrunk abgelehnt, kann die Trunkenheitsfahrt als nachgewiesen angesehen werden.

Letzter Test: Begleitstoffanalyse!

Sollte nach den objektiven Blutwerten nicht klar sein, ob ein Nachtrunk vorliegt oder nicht, kann als letzter Test eine sog. Begleitsoffanalyse durchgeführt werden.

Jedes alkoholische Getränk hat bestimmte sog. Begleitstoffe. Dies sind Geschmacks- und Farbstoffe, aber auch die berühmten Fuselalkohole. Anhand der Art und Menge dieser Begleitstoffe im Blut kann ein Gutachter feststellen, welcher Alkohol konsumiert wurde. Passt das Gutachten mit der behaupteten Art des Getrunkenen Alkohols nicht zusammen (es wird gesagt, man habe Whisk(e)y getrunken, die Begleitstoffe stammen aber aus Bier), dann kann der Nachtrunkeinlassung entkräftet werden, was schlecht ist für den Beschuldigten.


Alle diese wissenschaftlichen Methoden zum Nachweis einer Trunkenheitsfahrt zeigen bereits, dass der spontan geäußerte Einwand, man habe ja erst nachher was getrunken und man könne das ja nicht beweisen, dass es anders war, eben nicht auf die leichte Schulter genommen werden sollten. Man muss schon sehr gute Kenntnis von den Methoden und der eigenen körperlichen Reaktion auf Alkohol haben, um eine falsche Nachtrunkeinlassung abzugeben, die dann auch noch standhalten soll.


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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