Alles Mobbing oder was?

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I. Viele Menschen werden an ihrer Arbeitsstelle gemobbt. Andere Arbeitnehmer fassen Kritik und Aktivierungsmaßnahmen als Mobbing auf. Wichtig ist daher die sachliche Abgrenzung. Für den Arbeitgeber ist es aus Haftungsgründen und zur Erhaltung der Betriebsklimas erforderlich, ein System einzurichten, das tatsächliches Mobbing erkennen lässt und bekämpft.

1. Was ist Mobbing?

Der Begriff kommt aus dem englischen „to mob" und heißt anpöbeln. Mobbing ist das systematische Anfeinden, Schikanieren oder Diskriminieren von Arbeitnehmern untereinander oder durch Vorgesetzte (vgl. § 3 Abs. 3 AGG; BAG 15.01.1997, DB 1997,1475). Eine gesetzliche Definition für Mobbing existiert nicht. In der Rechtsprechung gab es zahlreiche Präzisierungsversuche: Mobbing sind alle fortgesetzten, aufeinander aufbauenden oder ineinander übergreifenden, der Anfeindung, Schikane oder Diskriminierung dienenden Verhaltensweisen, die nach ihrer Art und ihrem Ablauf im Regelfall einer übergeordneten, von der Rechtsordnung nicht gedeckten Zielsetzung förderlich sind und jedenfalls in ihrer Gesamtheit das allgemeine Persönlichkeitsrecht oder andere ebenso geschützte Rechte, Ehre, Gesundheit, verletzten (vgl. LAG Hamm v. 25.06.2002, NZA-RR 2003, 8; LAG Rheinland-Pfalz vom 16.08.2001, NZA-RR 2002, 121).

2. Mobbinghandlungen und Mobbing-Formen

- Die Arbeitsleistung falsch bewerten

- Geringschätzige Behandlung

- Gerüchte und Unwahrheiten verbreiten

- Ausschluss von der Kommunikation

- Ausgrenzung und Isolierung

- Übertragung über- oder unterfordernder oder gar keiner Tätigkeiten

- Grundlose Herabwürdigung der Leistungen

- Demütigungen

- Beleidigungen geschlechtsbedingte oder rassistische Diskriminierungen

- sexuelle Belästigungen Tätlichkeiten

Nach der Studie des Markt- und Sozialforschungsinstituts IFAK unter 2000 volljährigen Befragten hat sich folgendes Ranking der Mobbinghandlungen ergeben:

Vorenthalten von Informationen: 63 %; Schlechtmachen vor anderen Personen (62 %); Verbreiten von Lügen und Gerüchten (56 %);Bewusst ins Messer laufen lassen (53 %); Nichtbeachtetwerden 44 %; Bewusstes Weiterleiten von Fehlinformationen 42 %, vgl. Statistik http://de.statista.org/statistik/daten/studie/1834/umfrage/persoenlich-erlebtes-mobbing/

3. Abgrenzung

Mobbing muss abgrenzt werden von: Differenzen, Kritik, Anweisungen, Rügen, Aufgabenentzug, Witze.

a) Systematik

Nicht jeder Konflikt zwischen Vorgesetzen und Mitarbeitern oder unter den Mitarbeitern ist Mobbing. In Abgrenzung zu Rügen, Kritik, Hänseleien, Neckerei, Scherz liegt bei Mobbing systematisches Handeln vor. Aber auch wenn der Arbeitnehmer ständig Kritik oder ständig neuen Arbeitsanweisungen seines Vorgesetzten ausgesetzt ist, die er subjektiv als Schikane empfindet, handelt es sich in der Regel nicht um Mobbing. Auch bei groben Beleidigungen kann es an dem für ein systematisches Handeln erforderlichen Zusammenhang fehlen, wenn die Beleidigungen vereinzelt bleiben, zeitlich weit auseinanderliegen oder aus anderen Gründen keinen Bezug zueinander haben (LAG Thüringen vom 10.04.2001, DB 2001, 1204; Wolfgang Hromadka, s.o. S. 220). Unberechtigte Kritik eines Vorgesetzten ist ebenfalls kein Mobbing, soweit es nicht systematisch erfolgt, um den Mitarbeiter zielgerichtet zu diffamieren.

b) Zielgerichtetes Handeln

Es muss ein Zusammenhang mit gleichgearteten, die Rechte des Betroffenen beeinträchtigenden Verhaltensweisen bestehen, der sich nicht nur aus dem zeitlichen Ablauf, sondern auch aus einer identischen Zielsetzung ergibt (LAG Thüringen vom 15.02.2001, DB 2001, 1783; Wolfgang Hromadka, Arbeitsrecht für Vorgesetzte S. 220). Eine Hänselei kann dann Mobbing sein, wenn sie fortgesetzt wiederholt wird und immer denselben Arbeitnehmer betrifft und von diesem eben nicht als Scherz aufgefasst werden und daher nur der Schikane dienen (Wolfgang Hromadka, Arbeitsrecht für Vorgesetzte S. 220).

c) Wiederholung

Eine einzelne Attacke eines Vorgesetzten oder Kollegen stellt noch kein Mobbing dar. Einige Experten sprechen von Mobbing, wenn mindestens einmal pro Woche und mindestens über ein halbes Jahr gemobbt wird.

4. Mobbingopfer und Täter

Nach dem 2002 erschienenen umfassenden Mobbing-Report sind pro Jahr in Deutschland eine Million Menschen betroffen. Jeder neunte Erwerbstätige war im Laufe seines Berufslebens bereits einmal von Mobbing betroffen. Frauen und jüngere Mitarbeiter/innen bis zu 25 Jahren, vor allem Auszubildende, sind besonders gefährdete Gruppen. Weibliche Beschäftigte haben eine Betroffenheitsquote von 3,5 % gegenüber männlichen von 2 %, d.h. ihr Mobbingrisiko liegt um 75 % höher als bei Männern (Quelle: Der Mobbing-Report der Sozialforschungsstelle Dortmund; Meschkutat, Stackelbeck Langenhoff/ Kurzfassung S.3).

Täter sind nach einer Untersuchung zu 44 % Arbeitskollegen, zu 37 % Vorgesetzte, zu 10% Vorgesetzte und Arbeitskollegen und zu 9 % Untergebene (Leymann, Mobbing - Psychoterror am Arbeitsplatz und wie man sich dagegen wehren kann, S. 47).

Im Mobbing-Report ist der typische Mobber männlich, Vorgesetzter, zwischen 35 und 54 Jahre alt und zählt zu den langfristig Beschäftigten (vgl. Mobbing-Report Kurzfassung S.3).

5. Nährboden und Ziele von Mobbing

Von übergeordneter Bedeutung ist nach der Untersuchung des Mobbing-Reports ein schlechtes Arbeitsklima (65,3 %), das auf unterschiedliche Ursachen zurück zu führen ist.

Einen hohen Stellenwert haben:

- Unklarheiten in der Arbeitsorganisation

- Unklare Verantwortungsbereiche

- Defizite im Führungsverhalten( fehlende Gesprächsbereitschaft, fehlendes Konfliktmanagement)

- Fehlende Informationen über Entscheidungen und Ziele

- Konkurrenzverhalten und Neid

- Der später gemobbte äußerte (unerwünscht) Kritik, vgl. Quelle: Mobbing-Report/ Kurzfassung s.o. S. 5 bis 7.

Ziel von Mobbing ist oft das Hinausdrängen aus dem Arbeitsverhältnis (wenn Vorgesetzte beteiligt sind) oder die persönliche Befriedigung von Mobbern.

6. Folgen für das Unternehmen

Nach dem Mobbing-Report wird 3,1 % des Arbeitszeitsvolumens alles Erwerbstätigen durch Mobbing beeinträchtigt (Quelle: Der Mobbing-Report der Sozialforschungsstelle, Meschkutat, Stackelbeck Langenhoff/ Kurzfassung S.4).

7. Beweisprobleme

Lange hatten Mobbingopfer erhebliche Beweisprobleme. Zum Nachweis des Mobbings muss der Gemobbte konkrete Tatsachen vortragen und unter Beweis stellen, aus denen sich die Rückschlüsse auf Mobbing ziehen lassen. Unsubstantiierte Vorträge reichen nicht aus. Beim Fehlen von Zeugen muss der Gemobbte selbst als Partei die Vorgänge schildern. Der Vortrag muss durch Indizien gestützt werden. Über viele Jahre scheiterten daher viele Klagen von Betroffenen, da die Nachweise nicht ausreichend waren und die Mobbinghandlungen nicht detailliert belegt werden konnten. So hat beispielsweise das Arbeitsgericht Frankfurt (Aktenzeichen 6 Ca 537/05) die Klage einer Hauswirtschafterin gegen ein Altenwohnheim abgewiesen. Nach Ansicht des Gerichts muss die Behauptung detailliert belegt werden und pauschale Begründungen reichten nicht aus. Mobbing-Opfer müssten nach Ansicht des Gerichts die Umstände und den Zeitpunkt der Schikanen konkret nachweisen. Schließlich müsse das Gericht für jede einzelne angebliche Schikane bewerten können, ob der Vorgesetze sein Recht auf Weisung überschritten habe.

II. Zwei Entscheidungen, die man kennen sollte

1. Der gemobbte Oberarzt

Der Kläger war seit Juli 1987 in der Klinik der Beklagten als Neurochirurg beschäftigt. Seit dem 1. Juli 1990 wurde er Erster Oberarzt der Neurochirurgischen Abteilung, ab Anfang 2001 war er deren kommissarischer Leiter. Seine Bewerbung um die Chefarztstelle blieb erfolglos. Ab 1. Oktober 2001 bestellte die Beklagte einen externen Bewerber zum Chefarzt, von dem sich der Kläger seit Mai 2002 „gemobbt" fühlt. Ein von der Arbeitgeberin in die Wege geleitetes „Konfliktlösungsverfahren" blieb erfolglos, da es der Chefarzt nicht zielführend erachtete. Von November 2003 bis Juli 2004 war der Kläger wegen einer psychischen Erkrankung arbeitsunfähig. Seit Oktober 2004 war er erneut krank.

Der Kläger verlangte per Klage, dass die Beklagte das Anstellungsverhältnis mit dem Chefarzt beendet, hilfsweise, dass sie ihm einen anderen gleichwertigen Arbeitsplatz anbietet, an dem er Weisungen des Chefarztes der Neurochirurgie nicht unterliegt. Außerdem verlangte er Schmerzensgeld. Er meinte, die Beklagte hafte dafür, dass der Chefarzt sein Persönlichkeitsrecht verletzt habe. Die Beklagte bestritt „Mobbinghandlungen" des Chefarztes. Sie habe alles in ihrer Macht Stehende getan, um das Verhältnis zwischen Kläger und Chefarzt zu entspannen. Eine andere adäquate Tätigkeit für den Kläger sei nicht vorhanden.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers blieb erfolglos.

Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, der Chefarzt habe „mobbingtypische Verhaltensweisen" gezeigt, die sowohl den zwischenmenschlichen Umgang als auch die Respektierung der Position des Klägers als Erster Oberarzt betroffen hätten. Dennoch hat es einen Schmerzensgeldanspruch verneint, weil der Chefarzt nicht habe erkennen können, dass der Kläger auf Grund der Auseinandersetzungen psychisch erkranken werde. Das Bundesarbeitsgericht hat das Berufungsurteil aufgehoben und den Rechtsstreit an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen, da der Chefarzt die psychische Erkrankung des Klägers schuldhaft herbeigeführt habe.

Nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts hat die Beklagte für den Schmerzensgeldanspruch einzustehen, da der Chefarzt ihr Erfüllungsgehilfe sei. Über die Höhe des Schmerzensgeldes musste das Landesarbeitsgericht entscheiden. Auch musste noch zu geprüft werden, ob der Kläger unmittelbar Ansprüche gegen die Beklagte hat, weil diese möglicherweise ihre Verpflichtung verletzt hat, den Kläger vor gesundheitlichen Beeinträchtigungen am Arbeitsplatz zu schützen. Der Arbeitgeber hat auch Organisationspflichten zur Verhinderung von Mobbing.

2. Häufiges Abmahnen gleich Mobbing?

Das Landesarbeitsgericht Schleswig- Holstein in Kiel hat in 2011 den Fall zu entscheiden, dass ein Mitarbeiter innerhalb von vier Monaten 9 Abmahnungen erhielt. Der Abgemahnte klagte gegen das „Mobbing". Nach Auffassung des Gerichts lag kein Mobbing vor. Einige Abmahnungen stellten sich im Nachhinein zwar als unwirksam heraus. Die häufigen Abmahnungen sprächen aber lediglich dafür, dass der Arbeitnehmer kritisch beobachtet werde (vgl. Aktenzeichen 6 SA 256/09).

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