Anwalt bei sexuellen Missbrauch von Schutzbefohlenen Vorladung, Hausdurchsuchung, Festnahme

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Einer der Gründe für die Strafbewehrung sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen ist die besondere Gefährdung des Opfers dergestalt, dass es sich bei Minderjährigen um noch sexuell unerfahrene Personen handelt, denen in dieser Konstellation eine Autoritätsperson gegenübersteht. Dass der oder die Minderjährige dem Täter überlassen wurde, ist zudem Ausdruck eines besonderen Vertrauens. So für den sexuellen Missbrauch von Schutzbefohlenen in Gestalt des Anvertraut Seins im Rahmen eines Obhutsverhältnisses: BGH, Urteil v. 07.10.2020 – 2 StR 454/19 m.w.N.


So bejahte das Landgericht Saarbrücken beispielsweise eine Strafbarkeit wegen sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen eines Jugendpastors, der unter anderem seelsorgerische Tätigkeiten gegenüber Mitgliedern der Gemeinde wahrnahm. Er führte entsprechende Gespräche auch mit jungen – teilweise noch minderjährigen – Frauen, wobei er (teilweise) unter Vorgabe, es handele sich um religiöse, nicht um sexuelle, Handlungen und anderer Vorspiegelungen solche an manchen der Frauen vornahm und teilweise an sich selbst vornehmen ließ. Vgl. LG Saarbrücken, Urteil v. 05.11.2020 – 3 KLs 13/20 in openJur 2021, 12664.

Wie hoch ist die Strafe für sexuellen Missbrauch von Schutzbefohlenen?

Grundsätzlich droht für sexuellen Missbrauch von Schutzbefohlenen gem. § 174 Abs.1, Abs.2 StGB eine Freiheitsstrafe zwischen drei Monaten und fünf Jahren.

Für sexuellen Missbrauch von Schutzbefohlenen ohne Körperkontakt mit dem Schutzbefohlenen (also wenn in der Absicht der sexuellen Erregung vor dem Schutzbefohlenen sexuelle Handlungen vorgenommen werden oder der Schutzbefohlene dazu bestimmt wird, vor dem Täter sexuelle Handlungen vorzunehmen), droht eine Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder eine Geldstrafe (§ 174 Abs.3 StGB).

Wann macht man sich wegen sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen strafbar?

Stark vereinfacht ausgedrückt wird über die Strafnorm des sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen ein sexueller Missbrauch innerhalb eines besonderen Näheverhältnisses zwischen Täter und Opfer sanktioniert. Dieses Verhältnis zeichnet sich grundsätzlich – stark vereinfacht und ungenau ausgedrückt - durch eine untergeordnetere, schutzbedürftigere Stellung des Geschädigten und eine übergeordnetere Stellung des Täters aus. Welche Verhältnisse genau erfasst sind, regelt das Gesetz. Dazu gleich mehr.

Kann sich jeder wegen sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen strafbar machen?

Nein. Wie bereits dargelegt, zeichnet sich die Straftat des sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen durch den sexuellen Missbrauch innerhalb eines besonderen persönlichen Verhältnisses aus. Täter eines sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen kann also auch nur derjenige sein, der sich in einer entsprechenden Position im Verhältnis zum Geschädigten befindet.

Was sind Schutzbefohlene im Sinne des sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen?

Der Status als Schutzbefohlener des Täters kann sich aus verschiedenen Verhältnissen ergeben.

In allen im Gesetz aufgeführten Fällen muss das Opfer minderjährig, in einer Konstellation jünger als 16 Jahre alt, sein.


Schutzbefohlene können zunächst unter 18 Jährige sein, die …


1. dem Täter im Rahmen der Erziehung oder der Betreuung in der Lebensführung anvertraut sind (§ 174 Abs.1 Nr.1 StGB)

Es bedarf also eines Obhutsverhältnisses. Ein solches liegt nach ständiger Rechtsprechung dann vor, wenn „ein Abhängigkeitsverhältnis im Sinne einer Über- und Unterordnung, die den persönlichen, allgemein menschlichen Bereich umfasst, in welchem einer Person das Recht und die Pflicht obliegt, die Lebensführung des Jugendlichen und damit dessen geistig-seelische Entwicklung zu überwachen und zu leiten“ besteht (BGH, Urteil v. 07.10.2020 – 2 StR 454/19 m.w.N., Verweis auf ständige Rechtsprechung).

Ein Indiz für das Vorliegen eines entsprechenden Abhängigkeitsverhältnisses kann die Befugnis bzw. Möglichkeit des Täters sein, Erlaubnisse, Verbote und oder Strafen gegenüber dem Geschädigten zu verhängen. Dass der Täter von dieser Möglichkeit Gebrauch macht, ist hingegen nicht erforderlich. Vgl. BGH, Urteil v. 07.10.2020 – 2 StR 454/19 m.w.N.

Dass die Überlassung zur Betreuung in der Lebensführung nur von begrenzter Dauer ist, steht dem Vorliegen eines entsprechenden Obhutsverhältnisses nicht entgegen (vgl. BGH, Urteil v. 07.10.2020 – 2 StR 454/19).


Ein entsprechendes Obhutsverhältnis zwischen Trainer bzw. Vorstand und Mitglied wird wohl grundsätzlich nicht schon allein ob des Umstandes einer Vereinsmitgliedschaft (in einem Turnverein) begründet (so BGH, Beschluss v. 04.03.2020 – 2 StR 352/19 in NstZ-RR 2020, 210 m.w.N.).


Auch ist für das Bestehen eines entsprechenden Obhutsverhältnisses nicht entscheidend, dass eine andere Person (z.B. die Eltern) den Minderjährigen in das Verhältnis zur Betreuung in der Lebensführung mit dem Täter gebracht hat. Auch wenn der oder die später Geschädigte/r sich in ein solches Verhältnis begibt, kann ein entsprechendes Obhutsverhältnis begründet werden. Vgl. LG Saarbrücken, Urteil v. 05.11.2020 – 3 KLs 13/20 in openJur 2021, 12664 m.w.N.


Ob ein entsprechendes Obhutsverhältnis im Sinne der Straftat des sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen tatsächlich bestand, kann im Einzelfall kompliziert sein und kann von Details abhängig. Gerade aufgrund dieser Notwendigkeit des Beachtens von Feinheiten, ist es empfehlenswert, sich an einen spezialisierten Anwalt für Sexualstrafrecht zu wenden.


2. dem Täter im Rahmen eines Ausbildungs-, Dienst- oder Arbeitsverhältnisses untergeordnet sind. In diesem Fall muss der Täter eine mit diesem Verhältnis verbundene Abhängigkeit bei der Tatbegehung ausnutzen (§ 174 Abs.1 Nr.2 StGB)

Ein solcher Missbrauch der Abhängigkeit ist das Erkennen lassen seiner überlegenen Stellung gegebenüber dem Minderjährigen mit dem Ziel, diesen fügsam zu machen. Auch das bewusste Ausnutzen der überlegenen Stellung kann ein Missbrauch der Stellung sein, soweit sich sowohl der Täter als auch der Schutzbefohlene hinsichtlich der Verknüpfung zwischen der Vornahme der sexuellen Handlung und dem Bestehen des Abhängigkeitsverhältnisses bewusst sind. Diese Verknüpfung muss also sowohl in objektiver als auch in subjektiver Hinsicht bestehen. Vgl. BGH, Beschluss v. 21.06.2018 – 4 StR 645/17 m.w.N. (zu § 174 Abs.1 Nr.2 Alt.1 a.F.).

Gerade wenn auf den Schutzbefohlenen Druck ausgeübt und aufgebaut wird, kann ein solches Ausnutzen wohl regelmäßig bejaht werden (vgl. LG Saarbrücken, Urteil v. 05.11.2020 – 3 KLs 13/20 in openJur 2021, 12664 m.w.N.).


Ein Arbeitsverhältnis in diesem Sinne zeichnet sich durch eine gewisse Dauerhaftigkeit aus und durch das Bestehen einer Weisungsbefugnis, die auch weiter geht als für einen Einzelfall, also einer Unterordnung des Opfers (OLG Düsseldorf, Beschluss v. 10.07.2000 – 1 Ws 218/00 in NstZ-RR 2001, 201 m.w.N.).


3. leiblicher oder rechtlicher (z.B. durch Adoption) Abkömmling des Täters selbst sind, seines Ehegatten, seines Lebenspartners oder einer Person, mit der der Täter in einer eheähnlichen oder lebenspartnerschaftsähnlichen Abhängigkeit lebt (§ 174 Abs.1 Nr.3 StGB)


4. dem Täter im Rahmen einer der Erziehung, Ausbildung oder Betreuung in der Lebensführungen dienenden Einrichtung anvertraut sind und das Opfer in einem entsprechenden Rechtsverhältnis zu der Einrichtung steht (§ 174 Abs.2 Nr.2 StGB)

In diesem Fall muss der Täter seine hieraus erwachsende Stellung ausnutzen.


5. Unter den letztgenannten Voraussetzungen mit Ausnahme der spezifischen Ausnutzung der Stellung droht eine Strafbarkeit wegen sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen im Verhältnis zu Personen, die nicht nur minderjährig, sondern sogar jünger als 16 Jahre alt sind (§ 174 Abs.2 Nr.1 StGB)

Wann missbraucht man Schutzbefohlene im Sinne des § 174 StGB?

Ein sexueller Missbrauch in diesem Sinne kann begründet werden durch

1. die Vornahme einer sexuellen Handlung an dem Schutzbefohlenen durch den Täter

2. das Vornehmen Lassen einer sexuellen Handlung durch den Schutzbefohlenen an dem Täter

3. das Bestimmen des Schutzbefohlenen (also das Einwirken auf den Willen des Schutzbefohlenen, um ein bestimmtes – siehe gleich – Ziel zu erreichen)

            a. sexuelle Handlungen an einer dritten Person vorzunehmen

            b. sexuelle Handlungen vor einer dritten Person vorzunehmen

            c. sexuelle Handlungen durch eine dritte Person an sich vornehmen zu lassen

4. die Vornahme sexueller Handlungen vor dem Schutzbefohlenen in der Absicht sich selbst oder den Schutzbefohlenen hierdurch sexuell zu erregen

5. das Bestimmen des Schutzbefohlenen dazu, dass er oder sie sexuelle Handlungen vor dem Täter vornimmt


Sexuelle Handlungen müssen gem. § 184h Nr.1 StGB eine gewisse Erheblichkeit im Hinblick auf das Schutzgut der sexuellen Selbstbestimmung des Schutzbefohlenen aufweisen. Die Erheblichkeit kann sich dabei z.B. aus der Art, der Intensität aber auch der Dauer der Vornahme der sexuellen Handlung ergeben. Bei Handlungen mit Körperkontakt liegt eine sexuelle Handlung in diesem Sinne vor, wenn sie ihrem äußeren Erscheinungsbild nach schon sexualbezogen wirkt. Vgl. LG Saarbrücken, Urteil v. 05.11.2020 – 3 KLs 13/20 in openJur 2021, 12664 m.w.N.

Kann sexueller Missbrauch von Schutzbefohlenen ausnahmsweise straflos bleiben?

Ausnahmsweise ist es möglich, dass das Gericht von einer Bestrafung wegen bestimmten Konstellationen des sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen absieht. Voraussetzung hierfür ist gem. § 174 Abs.5 StGB, dass das Unrecht der Tat gering ist.

Zu beachten ist aber, dass dies nur in bestimmten Varianten des sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen möglich ist (nämlich der § 174 Abs.1 Nr.1, Abs.2, Abs.3 iVm Abs.1 Nr.1, Abs.3 iVm Abs.2 Nr.1 StGB).


Zu beachten ist ferner, dass es sich hierbei um keinen Automatismus handelt, bei geringem Unrecht ohne Bestrafung „davonzukommen“. Vielmehr liegt die Entscheidung über das Absehen von einer Bestrafung beim Gericht und liegt in dessen pflichtgemäßen Ermessen.

Was sollte ich bei Erhalt einer Vorladung mit dem Vorwurf des sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen tun?

Sollten Sie eine Vorladung von der Polizei oder der Staatsanwaltschaft mit dem Vorwurf des sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen erhalten haben oder mit einer Hausdurchsuchung oder Festnahme konfrontiert sein, so gilt es vor allem zunächst Ruhe zu bewahren. Außerdem empfiehlt es sich, sich so zeitnah wie möglich an einen spezialisierten Anwalt für Strafrecht zu wenden. Dieser weiß wie genau in Ihrem Fall am Besten vorzugehen ist und kann nach Analyse der Ermittlungsakten eine passende Verteidigungsstrategie gerade für Ihren Fall erarbeiten



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