Arbeitsrecht: Arbeitgeberseitige Kündigung nur aufgrund der Rentennähe unwirksam!

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Das Bundesarbeitsgericht hat festgestellt, dass die Rentennähe allein nicht ausreicht, um die soziale Auswahl bei einer betriebsbedingten Kündigung zu rechtfertigen. Es müssen auch Auswahlkriterien wie „Betriebszugehörigkeit“ und „Unterhaltspflichten“ berücksichtigt werden.

Vor dem Bundesarbeitsgericht wurde eine besondere Kündigungsschutzklage im Rahmen eines Insolvenzverfahrens verhandelt (Urteil vom 8. Dezember 2022, Az.: 6 AZR 31/22 zu Landesarbeitsgericht Hamm, Urteil vom 3. September 2021, Az.: 16 Sa 152/21). Die 1957 geborene Klägerin war seit 1972 bei der Insolvenzschuldnerin beschäftigt. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens schloss der zum Insolvenzverwalter bestellte Beklagte mit dem Betriebsrat einen ersten Interessenausgleich mit Namensliste, der unter anderem die Kündigung der Klägerin vorsah, berichtet das Bundesarbeitsgericht in einer Pressemitteilung. Mit Schreiben vom 27. März 2020 kündigte der beklagte Insolvenzverwalter das Arbeitsverhältnis zum 30. Juni 2020.

Die Klägerin hält die Kündigung für unwirksam. Der beklagte Insolvenzverwalter ist der gegenteiligen Ansicht. Die Klägerin sei in ihrer Vergleichsgruppe – auch in Bezug auf den von ihr benannten, 1986 geborenen und seit 2012 beschäftigten Kollegen – sozial am wenigsten schutzwürdig. Sie habe als einzige die Möglichkeit, ab 1. Dezember 2020 und damit zeitnah im Anschluss an das beendete Arbeitsverhältnis eine Altersrente für besonders langjährig Beschäftigte zu beziehen. Aus diesem Grund falle sie hinter alle anderen vergleichbaren Arbeitnehmer zurück, heißt es. Im Zuge eines zweiten Interessenausgleiches kündigte der Insolvenzverwalter der Klägerin erneut am 29. Juni 2020 zum 30. September 2020. Die Klägerin erhob auch dagegen Kündigungsschutzklage.

Nachdem das Arbeitsgericht beiden Kündigungsschutzklagen stattgegeben und das Landesarbeitsgericht die hiergegen gerichtete Berufung des beklagten Insolvenzverwalters zurückgewiesen hatte, musste nun das Bundesarbeitsgericht entscheiden. „Der Senat befand die erste Kündigung vom 27. März 2020 wie die Vorinstanzen im Ergebnis für unwirksam. weil die Auswahl der Klägerin im vorliegenden Fall allein wegen ihrer Rentennähe erfolgte. Andere Auswahlkriterien wie die Betriebszugehörigkeit und Unterhaltspflichten seien nicht berücksichtigt worden, sodass die Kündigung grob fehlerhaft gewesen sei!“, sagt der Mönchengladbacher Rechtsanwalt Dr. Gerrit W. Hartung von der Dr. Hartung Rechtsanwaltsgesellschaft mbH (www.hartung-rechtsanwaelte.de). Die Kanzlei befasst sich ausschließlich mit Anleger- und Verbraucherschutzthemen und hat sich neben der Beratung von Betroffenen des Abgasskandals auf die Durchsetzung von Ansprüchen von geschädigten Verbrauchern gegen Online-Casinos und die Vertretung von Betroffenen bei Kündigungsschutzklagen spezialisiert.

Der Rechtsanwalt weist auf den einschlägigen Regelungen im Kündigungsschutzgesetz hin. Demnach sei eine Kündigung trotz dringender betrieblicher Erfordernisse ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt habe. „Somit sollten Arbeitnehmer, die aufgrund der Rentennähe eine betriebsbedingte Kündigung erhalten haben, sich nicht scheuen, den Weg vor Gericht zu gehen, um ihre Kündigungsschutzrechte durchzusetzen. Das gilt auch im Insolvenzverfahren“, betont Arbeitsrechtsspezialist Dr. Gerrit W. Hartung.

Foto(s): Dr. Hartung Rechtsanwaltsgesellschaft mbH

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