Arbeitsrecht in Zeiten von Corona

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Angesichts der Corona-Pandemie stellt sich für nahezu alle Arbeitgeber die Frage, welche Auswirkungen diese Erkrankungswelle, aber auch andere denkbare Epidemien auf die wechselseitigen arbeitsrechtlichen Verpflichtungen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern haben kann.

Hierbei sind im Wesentlichen 3 Fallgruppen zu unterscheiden, nämlich einerseits die Erkrankung eines Arbeitnehmers, andererseits ein Tätigkeitsausübungsverbot, weil ein Arbeitnehmer beispielsweise ansteckungsverdächtig ist, und letztendlich die behördlich angeordnete Schließung einer Betriebsstätte.

Im Fall einer Erkrankung eines Arbeitnehmers ist Entgeltfortzahlung im gesetzlichen Rahmen zu leisten, also für die Dauer von 6 Wochen. Anschließend kann der erkrankte Arbeitnehmer Krankengeld beziehen.

Kein Arbeitsverweigerungsrecht hat übrigens ein Mitarbeiter, wenn ein Kollege einfache Krankheitssymptome wie Husten oder Schnupfen aufweist. Ebenso liegt es allein im Risikobereich des Arbeitnehmers, wie er zur Arbeit erscheint. Der Ausfall öffentlicher Verkehrsmittel berechtigt ihn also ebenfalls nicht, der Arbeit fernzubleiben.

Wird gegenüber einem Arbeitnehmer ein Tätigkeitsausübungsverbot ausgesprochen, wird er also praktisch unter Quarantäne gestellt, kommen zwei Ansprüche in Betracht.

Zum einen besteht nach den gesetzlichen Vorschriften ein Vergütungsanspruch nach § 616 BGB, wenn der Arbeitnehmer für einen nicht erheblichen Zeitraum an der Arbeitsleistung gehindert ist. Welcher Zeitraum als nicht erheblich anzusehen ist, ist im Gesetz nicht definiert, Zwischen einem Zeitraum von 5 Tagen bis zu einem Zeitraum von 6 Wochen wird hier alles vertreten. Die letzte Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts zu dieser Frage datiert aus dem Jahr 1959 (!).

Die Anwendung des § 616 BGB kann allerdings im Arbeitsvertrag ausgeschlossen werden. In diesem Fall, oder aber wenn ein erheblicher Zeitraum vorliegt, hat der Arbeitnehmer einen Entschädigungsanspruch nach § 56 Infektionsschutzgesetz für die Dauer von 6 Wochen gegenüber seinem Arbeitgeber. Der Arbeitgeber wiederum hat in diesen Fällen einen Erstattungsanspruch gegenüber den zuständigen Behörden. Dauert die Quarantänemaßnahme über 6 Wochen an, übernimmt der Staat diese Entschädigung unmittelbar gegenüber dem Arbeitnehmer, dann aber nur in Höhe des Krankengeldes.

Im Fall einer behördlich angeordneten Schließung einer Betriebsstätte kommt die Einführung von Kurzarbeit in Betracht.

Hierbei ist allerdings zu beachten, dass entgegen einer weit verbreiteten Meinung ein Arbeitgeber nicht einseitig Kurzarbeit anordnen kann, sondern immer eine Rechtsgrundlage für die Einführung von Kurzarbeit erforderlich ist.

Als Rechtsgrundlage kommen tarifvertragliche Regelungen, Betriebsvereinbarungen, arbeitsvertragliche Vereinbarungen und (wohl nur theoretisch) Änderungskündigungen in Betracht.

Soweit Tarifverträge Anwendung finden und sich in diesen Regelungen zur Einführung von Kurzarbeit finden, kann der Arbeitgeber bei Erfüllung der Voraussetzungen Kurzarbeit einführen.

Existiert ein Betriebsrat, kann Kurzarbeit im Rahmen des Abschlusses einer Betriebsvereinbarung durchgeführt werden. Eine derartige Betriebsvereinbarung gilt unmittelbar und zwingend für alle Arbeitsverhältnisse, die in dem Betrieb oder Betriebsteil bestehen, für den der Betriebsrat zuständig ist.

Theoretisch kann Kurzarbeit auch über Änderungskündigungen eingeführt werden. Hierbei wäre aber jeweils die individuelle Kündigungsfrist einzuhalten. In vielen Fällen wird diese so lang sein, dass der Weg über Änderungskündigungen einfach nicht praktikabel ist.

In Betracht kommen daher, wenn tarifvertragliche Regelungen nicht existieren und ein Betriebsrat nicht vorhanden ist, nur individuelle Vereinbarungen mit den Arbeitnehmern.

Manche Arbeitsverträge enthalten bereits Vereinbarungen, durch die dem Arbeitgeber einseitig das Recht eingeräumt wird, Kurzarbeit einzuführen. Vielfach werden diese Klauseln aber keine hinreichend konkreten Bedingungen enthalten, unter denen Kurzarbeit eingeführt werden kann und könnten daher unwirksam sein. Dies muss jeweils im Einzelfall geprüft werden.

In der Mehrzahl der Fälle wird es daher erforderlich sein, individuelle Vereinbarungen mit jedem einzelnen Arbeitnehmer über die Einführung von Kurzarbeit abzuschließen. Durch diese Vereinbarungen wird für einen bestimmten Zeitraum die wöchentliche Arbeitszeit reduziert bis hin zum völligen Wegfall der Arbeitspflicht (sog. „Kurzarbeit 0“).

Entsprechend der Reduzierung der Arbeitszeit reduziert sich auch die Entlohnung des Arbeitnehmers. Statt seiner Entlohnung kann der Arbeitnehmer Kurzarbeitergeld beziehen, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen dafür gegeben sind. Kurzarbeitergeld wird gewährt in Höhe von 60 % (67 % bei Arbeitnehmern mit steuerlichem Kinderfreibetrag) des durch die Kurzarbeit ausgefallenen pauschalierten Nettoentgelts des Arbeitnehmers.

Durch Rechtsverordnung vom 16.03.2020 wurden die Voraussetzungen für die Gewährung von Kurzarbeitergeld befristet bis zum 31.12.2020 erheblich herabgesetzt.

Die wesentlichen Änderungen durch die Rechtsverordnung sind:

  1. Statt bisher einem Drittel der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer, für die ein Entgeltausfall von mehr als 10 % ihres Bruttomonatseinkommens eintritt, müssen nur 10 % der Arbeitnehmer betroffen sein.
  2. Nach der bisherigen Regelung trug der Arbeitgeber die sog. Remanenzkosten, also die Beiträge zur Sozialversicherung (Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteile). Nach der Neuregelung muss der Arbeitgeber diese Remanenzkosten nicht mehr tragen.
  3. Der Aufbau negativer Arbeitszeitsalden in den Betrieben, in denen Arbeitszeitkonten geführt werden, entfällt.

Nicht geändert wird die Vorgabe, dass vorrangig Resturlaub abzubauen ist. Dies bezieht sich auf Urlaubsansprüche, die noch aus dem Vorjahr resultieren und in das laufende Jahr übertragen wurden. Auch müssen positive Arbeitszeitsalden aus Arbeitszeitkonten vorrangig abgebaut werden

Weitere Details finden Sie auf der Seite www.arbeitsagentur.de, dem dort hinterlegten Merkblatt sowie die beiden dort hinterlegten anschaulichen Videos.

Wichtig ist, dass die Anzeige der Kurzarbeit spätestens am letzten Tag des Monats, in dem sie eingeführt wurde, bei der Arbeitsagentur eingehen muss. Es empfiehlt sich, die Anzeige für die längstmögliche Regelbezugsdauer, also für 12 Monate, zu erstatten. Eine Beendigung der Kurzarbeit, wenn der Grund der Kurzarbeit wegfällt,  also insbesondere die Filialen wieder geöffnet werden, ist unproblematisch möglich.

Die Abwicklung erfolgt so, dass der Arbeitgeber das Kurzarbeitergeld im Rahmen der Vergütungszahlung an die Arbeitnehmer auszahlt und anschließend sich von der Arbeitsagentur erstatten lässt.

Folgendes Vorgehen empfiehlt sich in den Fällen, in denen ein Betriebsrat nicht existiert:

  1. Positivsalden aus Arbeitszeitkonten sind abzubauen.
  2. Resturlaub aus dem Vorjahr wird gewährt, ggf. auch einseitig gegen den Willen des Arbeitnehmers.
  3. Mit dem Arbeitnehmer sollte besprochen werden, ob er Urlaub aus dem laufenden in Anspruch nehmen möchte.
  4. Mit den Mitarbeitern werden Vereinbarungen über die Einführung von Kurzarbeit abgeschlossen werden.
  5. Die Kurzarbeit wird der Arbeitsagentur angezeigt.

Die Darstellung entspricht der Rechtslage am 16.03.2020.


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