Arbeitsrecht | Resturlaub zum Jahresende

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Passenderweise zum Ende des Jahres 2018 hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Brüssel in zwei Verfahren über die Frage geurteilt, ob – wie bisher nach deutscher Praxis – Urlaub zum Jahresende bzw. Ende des Arbeitsverhältnisses dann verfällt, wenn er nicht rechtzeitig beantragt worden ist. Das Ergebnis wird viele Arbeitnehmer freuen: Nach europäischem Recht darf der Arbeitgeber die Übertragung oder „Auszahlung“ (juristisch: Abgeltung) des (gesetzlichen!) Urlaubs nicht verweigern, wenn der einzige Grund dafür das Fehlen eines rechtzeitigen Urlaubsantrags ist. Grund genug, die Urteile des EuGHs und die Auswirkungen auf die Praxis deutscher Arbeitgeber zu erläutern. 

In den beiden Verfahren „Shimizu“ bzw. „Kreuzinger“, die dem EuGH vom Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg bzw. vom Bundesarbeitsgericht (BAG) vorgelegt worden sind, hatten die Betroffenen zum Ende ihrer befristeten Arbeitsverträge Urlaubstage nicht genommen. Als sie daraufhin mit Ablauf des Arbeitsverhältnisses – wie gesetzlich in § 7 Abs.4 BurlG vorgesehen – eine Auszahlung von Geld beantragten, verweigerten die Arbeitgeber das. So entsprach es zum damaligen Zeitpunkt der lange bestehenden Auslegung der deutschen Arbeitsgerichte: Eine finanzielle Abgeltung nicht genommenen Urlaubs war danach nur dann möglich, wenn – wie der Wortlaut des Gesetzes es vorgibt – der einzige Grund des nicht genommenen Urlaubs das Ende des Arbeitsverhältnisses war.

Die Entscheidungen des EuGHs – angesichts der Grundrechte Charta der EU sowie der sogenannten „Arbeitszeitrichtlinie“ (2003/88) – gehen diese Argumentation von der anderen Seite an: Der Urlaubsanspruch darf jedenfalls nicht nur deswegen verfallen, weil kein expliziter Antrag gestellt worden ist. Die deutsche Praxis verstoße damit gegen das europäische Grundrecht auf Jahresurlaub. Das betrifft auch die bisher geltende deutsche Regel, dass Resturlaub im laufenden Arbeitsverhältnis nur ins neue Jahr übertragen werden könne, wenn es dafür dringende Gründe gibt – entweder aufgrund der persönlichen Situation des Arbeitnehmers (z. B. wegen schwerer Krankheit) oder aufgrund von Problemen des gesamten Betriebs, siehe § 7 Abs.3 Bundesurlaubsgesetz.

Die Folge daraus: Auch deutsche Arbeitgeber müssen nun sicherstellen, dass sie ihre Arbeitnehmer „in die Lage versetzt haben“, den Urlaub tatsächlich zu nehmen. Praktisch bedeutet dies, dass auf die Verfallfrist deutlich hingewiesen und der Arbeitnehmer explizit aufgefordert werden muss, den Urlaub zu beantragen – ein Umstand, den der Arbeitgeber dann auch selbst zu beweisen hat. Kommt der Arbeitgeber dem nicht nach, kann der Arbeitnehmer seinen Urlaub auch noch im nächsten Jahr nehmen bzw. ihn sich am Ende des Arbeitsvertrags in Geld auszahlen lassen.

Das BAG hat diese Rechtsprechung bereits Anfang des Jahres 2019 bestätigt und folgt damit einem Muster der letzten Jahre: Wiederholt hat der EuGH jahrelange deutsche Gerichtspraxis zum Schutz der Arbeitnehmer korrigiert. Heutzutage verfällt der Jahresurlaub auch bei langfristiger Erkrankung nicht mehr drei, sondern erst 15 Monate nach Ende des eigentlichen Urlaubsjahres. Gleichzeitig kann man sich seit kurzem auch in Deutschland Urlaubsansprüche eines Verstorbenen als Teil des Erbes in Geld auszahlen lassen.

Die Ansprüche zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern wurden durch jede dieser Entscheidungen – auch bei lange bestehenden Arbeitsverhältnissen – neu gewichtet, sodass eine fachgerechte Überprüfung für alle Seiten von Vorteil sein kann. 


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