Rechtstipp – Revision im Strafrecht

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Während die Strafverteidigung in der ersten oder der Berufungsinstanz häufig schnelles Reaktionsvermögen und Kaltschnäuzigkeit erfordert, verlangt die Revision in Strafsachen andere Qualitäten. Das liegt daran, dass in dieser, der letzten, Instanz über die Tatsachen des Falles nicht mehr gestritten wird: Der Sachverhalt steht fest. Untersucht werden nur noch die sogenannten Revisionsgründe nach den §§ 337 und 338 StPO. Es kommt also auf die genaue Prüfung von Urteil und Protokoll der mündlichen Verhandlung an, um die Rechtsfehler zu entdecken, die dann mit der Verfahrensrüge und der Sachrüge angegriffen werden können. Die jüngste der erfolgreichen Revisionen unserer Kanzlei zeigt aber: Manchmal muss man schon vor der Revision (und um Sie herum) den Boden für den Erfolg bestellen!

Die Ausgangslage

Ein Mandant war wegen des Vorwurfs einer Körperverletzung angeklagt. Er wurde in erster Instanz aus Mangel an Beweisen freigesprochen, in zweiter – auf Grundlage teilweise veränderter Zeugenaussagen – verurteilt worden. In beiden Instanzen waren Sachverständigengutachten über die Verletzungen des Nebenklägers eingeholt worden. Der Verteidiger unseres Mandanten – Kollege einer anderen Kanzlei – hatte dazu einen Beweisantrag, auf Einholung eines dritten Gutachtens, wegen Widersprüchen in den beiden ersten, gestellt. Das Gericht allerdings zu Ungunsten unseres Mandanten, der Beweisantrag wurde abgelehnt und unser Mandant verurteilt.

Die Revisionsgründe

Hier ist es aber zu mehreren revisiblen Verfahrensfehlern gekommen. Einerseits: Nachdem der Sachverständige in zweiter Instanz sein Gutachten erstattet hatte, und der Beweisantrag gestellt war, zog sich die Kammer – hier also ein Berufsrichter und zwei Schöffen – zur Beratung zurück. Erst danach wurde das Gutachten aus erster Instanz verlesen und so zum Gegenstand des Berufungsverfahrens (s. § 261 StPO). Sofort danach wurde der vorgefertigte Ablehnungsbeschluss verlesen, der – ohne das erste Gutachten formell zu kennen – Widersprüche zwischen den Gutachten ausschloss!

Andererseits unterlief dem Gericht auch der nicht ganz seltene Fehler, dass es die Ablehnungsgründe des § 244 StPO in unzulässiger Weise vermischte: Laut Urteilsbegründung sei bereits ohne neues Gutachten schon das Gegenteil dessen erwiesen gewesen, was unser Kollege mit seinem Antrag zu beweisen versuchte, § 244 Abs.4 S.2 1. Alt StPO. Diese Vorschrift lässt die Ablehnung aber nur zu, wenn das Gegenteil durch das aktuelle Gutachten erwiesen ist – sich wie die Urteilsbegründung dafür auf beide Gutachten gemeinsam zu beziehen, widerspricht dem Gesetz. Das Berufungsurteil war also aufgrund gleiche mehrerer Fehler aufzuheben.

Der Clou

Um zu verhindern, dass der Sieg in der Revision zum Pyrrhussieg wird, ist es allerdings immer wichtig, schon frühzeitig den nächsten Schritt zu bedenken: Was passiert in der nach der Revision (meist) nachzuholenden Berufungsverhandlung? Hier wäre zu befürchten gewesen, dass in erneuter Verhandlung ein erneuter Antrag erneut, diesmal korrekt begründet, abgelehnt würde.

Da hier aber, nach dem Freispruch in erster Instanz, die Berufung nur durch die Nebenklage (also durch die verletzte Person und seine Anwälte) eingelegt worden war, bestand die Möglichkeit, mit der Nebenklagevertretung in Vergleichsgespräche einzutreten. Dadurch konnte der für unseren Mandanten den größtmögliche Erfolg erreicht werden: Rücknahme der Berufung und Aufleben des ursprünglichen Freispruchs!

Foto(s): gençer & coll.

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