Arbeitsrecht: Was sind Kettenbefristungen in Arbeitsverträgen und wann sind diese rechtsmissbräuchlich?

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Nicht selten kommt es vor, dass ArbeitnehmerInnen nur befristet eingestellt werden. Die Gründe für solche Befristungen seitens des Arbeitgebers können ganz verschiedene sein, sei es zur Erprobung, sei es zur Vertretung einer sich in Elternzeit befindenden Arbeitnehmerin. An diese Thematik soll der folgende Beitrag anschließen und beantworten, 

- wie Arbeitsverträge befristet werden können, 

- wann eine Befristung begründet werden muss und 

- ab wann von sog. rechtsmissbräuchlichen Kettenbefristungen spricht.

Die Gesetzgeberische Idee


Unbefristete Arbeitsverträge sind nach gesetzgeberischer Idee der Normalfall. Daraus ergibt sich der erhöhte Regelungsbedarf für die Befristung von Arbeitsverträgen in den §§ 14 ff. TzBfG. Die Befristung eines Arbeitsvertrages ohne sachlichen Grund lässt der Gesetzgeber dabei gem. § 14 Abs. 2 TzBfG nur für eine maximale zeitliche Gesamtdauer von zwei Jahren zu. Das ist unabhängig davon, ob direkt ein befristeter Arbeitsvertrag von zwei Jahren vorliegt oder drei aufeinanderfolgende Arbeitsverträge von beispielsweise jeweils acht Monaten geschlossen werden.


Darüber hinaus wird die Befristung von Arbeitsverträgen gem. § 14 Abs. 1 TzBfG grundsätzlich nur zugelassen, wenn sie wegen sachlicher Gründe gerechtfertigt ist. Der Begriff des sachlichen Grundes ist dabei nicht abschließend definiert, sondern orientiert sich an den gesetzgeberisch vorgegebenen Beispielen in § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 bis 8 TzBfG. Diesen Beispielen liegt immer eine zeitlich absehbare Komponente zugrunde. Als Beispiel kann hier der Grund des § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TzBfG genannt werden, der eine Befristung von Arbeitsverträgen für die Vertretung ausgefallener Arbeitskräfte zulässt.

Was ist nun eine rechtsmissbräuchliche Kettenbefristung?

Es kann zu Fällen kommen, in denen Arbeitsverträge zwischen demselben Arbeitgeber und Arbeitnehmer immer wieder mit sachlichen Grund befristet werden, dieser Grund seitens des Arbeitgebers aber nur vorgeschoben wird, um zu vermeiden, mit dem Arbeitnehmer einen unbefristeten Arbeitsvertrag schließen zu müssen, obwohl tatsächlich die Möglichkeit der dauerhaften Einstellung besteht. 

Dabei kann der sachliche Grund für die Befristung durchaus den Anforderungen des § 14 Abs. 1 TzBfG entsprechen. Rechtsethisch kann das Vorschieben eines solchen Grundes allerdings nicht gebilligt werden. Das Bundesarbeitsgericht hat in seiner Entscheidung BAG 7 AZR 135/15 erläutert, wann eine genauere Prüfung des institutionellen Rechtsmissbrauchs erforderlich ist, was für Umstände dafür sprechen und wer diese wann darlegen und beweisen muss.

Was war geschehen?

In dem von dem BAG zu entscheidenden Fall wurde ein Arbeitnehmer als Lehrkraft eingestellt und die Befristung seines Arbeitsvertrages mit der Vertretung einer erkrankten anderen Lehrkraft begründet. In der Folge wurde der Kläger wiederholt befristet als Vertretungslehrer für verschiedene aufgrund von Erkrankung oder Elternzeit ausgefallene Lehrkräfte angestellt. In Summe 15 mal wurden weitere befristete Vertragsverlängerungen vereinbart und die Gesamtlänge der Beschäftigung betrug dabei sechs Jahre und knapp vier Monate. Der Kläger begehrte durch eine Entfristungsklage die Feststellung, dass das zwischen ihm und der Beklagten vereinbarte Arbeitsverhältnis als ein unbefristetes gelte und warf dem Arbeitgeber durch die Anzahl und Länge der Befristungen institutionellen Rechtsmissbrauch vor.

Schwelle des institutionellen Rechtsmissbrauchs und Darlegungs- und Beweislast

Das Bundesarbeitsgericht erläuterte, dass durch die mehrfache Überschreitung der Grenzen aus § 14 Abs. 2 TzBfG, eine Prüfung des institutionellen Rechtsmissbrauchs veranlasst ist und daraufhin weitere Umstände zu berücksichtigen sind, um auszuschließen, dass Arbeitgeber missbräuchlich auf befristete Arbeitsverträge zurückgreifen.

Mehrfach meint dabei die vierfache Überschreitung der Werte aus § 14 Abs. 2 TzBfG im Einzelnen oder die dreifache kumulative Überschreitung dieser Werte (acht Jahre oder über 12 Verlängerungen bzw. sechs Jahres und über 9 Verlängerungen). Ab der Überschreitung dieser Schwellenwerte sind von dem Entfristungskläger weitere Umstände vorzutragen, die auf das Vorliegen eines institutionellen Rechtsmissbrauch hinweisen und vom Gericht über den sachlichen Befristungsgrund des in Frage stehenden Arbeitsvertrages hinaus unter Berücksichtigung aller vorgetragenen Umstände auszuschließen, dass ein institutioneller Rechtsmissbrauch vorliegt. Bei fünfmaliger Überschreitung dieser Werte im Einzelnen bzw. der vierfachen kumulativen Überschreitung (10 Jahre oder über 15 Verlängerungen bzw. 8 Jahre und über 12 Verlängerungen) vermutet das Bundesarbeitsgericht sogar einen institutionellen Rechtsmissbrauch. 

In diesem Fall, hat der Arbeitgeber allerdings die Möglichkeit Umstände vorzutragen, um die Vermutung des institutionellen Rechtsmissbrauch zu entkräften. Wird die Gesamtlänge der Beschäftigung bestimmt, wird die bisherige Beschäftigungszeit und die restliche Zeit bis zum anvisierten Beendigungszeitraum berücksichtigt.  ( ArbG Freiburg 4 Ca 399/14)

Beispiele für berücksichtigungsfähige Umstände

Das Bundesarbeitsgericht hat in seiner Entscheidung beispielhaft Umstände beschrieben, die im Einzelfall für oder gegen eine rechtsmissbräuchliche Ausübung der Befristung sprechen.

Der klassische Fall: wenn trotz tatsächlich vorhandener Möglichkeit einer dauerhaften Einstellung gegenüber einem langjährigen Arbeitnehmer immer wieder auf befristete Verträge zurückgegriffen wird


• ob der Arbeitnehmer stets auf demselben Arbeitsplatz mit denselben Aufgaben beschäftigt wurde oder ob es sich um wechselnde ganz unterschiedliche Aufgaben handelte


Dauer und Anzahl etwaiger Unterbrechungen zwischen den befristeten Verträgen können gegen einen Missbrauch sprechen; die durchgängige Beschäftigung  in nahezu unverändertem Stundenumfang an demselben Arbeitsplatz hingegen kann allein noch nicht für einen Rechtsmissbrauch sprechen


die durchgängige Beschäftigung in nahezu unverändertem Stundenumfang an demselben Arbeitsplatz kann dagegen aber sehr wohl ein Indiz dafür sein, dass im Sinne des oben genannten Umstands die Möglichkeit einer tatsächlich dauerhaften Einstellung vorhanden ist

In jedem Fall ist unter Einzelfallbetrachtung die Summe der Umstände zu betrachten und entsprechend zu beurteilen, ob eine rechtsmissbräuchliche Handhabung der Befristung von Arbeitsverträgen angenommen werden kann oder nicht.

Bei berechtigter Annahme, dass ein institutioneller Rechtsmissbrauch vorliegt, kann eine Entfristungsklage gem. § 17 TzBfG bis drei Wochen nach Ende des befristeten Arbeitsvertrages beim Arbeitsgericht eingelegt werden.


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Rechtsanwalt Stephan Kersten

Fachanwalt für Arbeitsrecht

Foto(s): LINDEMANN Rechtsanwälte

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