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Bei Verdachtskündigung ist vorherige Anhörung erforderlich – Fachanwalt für Arbeitsrecht

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Verdachtskündigung

§ 626 Absatz 1 BGB regelt, dass ein Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund außerordentlich gekündigt werden kann. Hierzu müssen Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. In jedem Einzelfall sind die konkreten Tatsachen zu prüfen und zu werten und es ist unter Abwägung der Interessen beider Seiten zu entscheiden, ob das sofortige Beendigungsinteresse des Arbeitgebers das Interesse des Arbeitnehmers an der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses überwiegt. Der Verdacht selbst ist eine Vermutung, jedoch keine Tatsache. Beispielsweise, wenn sich nicht beweisen lässt, jedoch vermutet wird, also der Verdacht besteht, dass der Arbeitnehmer Diebstahlshandlungen begangen hat. Ein solcher Verdacht einer schwerwiegenden Pflichtverletzung kann einen wichtigen Grund darstellten. Eine solche Kündigung nennt man Verdachtskündigung. Der Verdacht stellt einen eigenständigen Kündigungsgrund dar. Das hat das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg in der Begründung seines Urteils vom 04. August 2016 zum Aktenzeichen 10 Sa 378/16 entschieden.

Eine Verdachtskündigung kann nach dieser Urteilsbegründung unter folgenden Voraussetzungen gerechtfertigt sein

1. Die starken Verdachtsmomente lassen sich aus objektiven Tatsachen herleiten.

2. Der Verdacht muss dringend sein. Dies bedeutet, dass eine große Wahrscheinlichkeit dafür bestehen muss, dass der Verdacht zutrifft.

3. Die Verdachtsmomente müssen geeignet sein, das erforderliche Vertrauen für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu zerstören.

4. Schließlich muss der Arbeitgeber alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts unternommen haben. Hierzu gehört zwingend, dem Arbeitnehmer die Gelegenheit zur Stellungnahme zu diesen Verdachtsmomenten zu gegeben.

Insoweit hat das Landesarbeitsgericht auf die ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts verweisen, wie das Urteil vom 25. Oktober 2012 zum Aktenzeichen 2 AZR 700/11 zeigt.

Bloße Vermutungen reichen nicht aus

Das Bundesarbeitsgericht hat im Urteil vom 24.05.2012 bereits klargestellt, dass bloße, auf mehr oder weniger haltbare Vermutungen gestützte Verdächtigungen zur Rechtfertigung eines dringenden Tatverdachts nicht ausreichen.

Strafrechtliche Bewertung ist nicht maßgebend – sondern Vertrauensverlust wegen Vertragsverletzung

Nach der Urteilsbegründung des Landesarbeitsgerichts ist für die kündigungsrechtliche Beurteilung der Pflichtverletzung, auf die sich der Verdacht bezieht, ihre strafrechtliche Bewertung nicht maßgebend. Vielmehr entscheidend sind der Verstoß gegen vertragliche Haupt- oder Nebenpflichten und der mit ihm verbundene Vertrauensbruch.

Tat und Vertrauensverlust vorliegend für Gericht wahrscheinlich gewesen

Dass Gericht ging vorliegend mit großer Wahrscheinlichkeit von der Tatbegehung durch die Klägerin aus. Auch war für das Gericht wahrscheinlich, dass das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zerstört sein kann.

Kündigung trotzdem unwirksam, da keine vorherige Anhörung erfolgt

Das Gericht hat trotzdem die außerordentliche Verdachtskündigung für unwirksam erklärt. Weil entsprechend obiger Ziffer 4.) die vorherige Anhörung des Arbeitnehmers eine Wirksamkeitsvoraussetzung für eine Verdachtskündigung ist. Bei einer Verdachtskündigung besteht die große Gefahr, dass der Arbeitnehmer möglicherweise zu Unrecht beschuldigt wird. Deshalb ist die Anhörung des Arbeitnehmers ein unverzichtbares Gebot der Verhältnismäßigkeit. Vorliegend wurde dem Arbeitnehmer nicht die Gelegenheit gegeben, zu den Verdachtsmomenten Stellung zu nehmen. Erst nach dieser Anhörung und anschließenden Abwägung ist eine Verdachtskündigung zulässig. So hat das Landesarbeitsgericht unter Verweis auf das Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 23. Mai 2013 zum Aktenzeichen 2 AZR 102/12 vorliegend die Unwirksamkeit der Verdachtskündigung begründet.


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