Betriebsprüfung, Scheinselbstständigkeit, Sozialversicherungsbeiträge - Insolvenz verhindern!

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Nach einer Betriebsprüfung durch die Rentenversicherung beim Arbeitgeber (§ 28p Abs. 1 SGB IV) kann es zu gravierenden Konsequenzen für den Betroffenen kommen. Es drohen nicht nur hohe Nachzahlungen und Säumniszuschläge, sondern mitunter sogar langjährige Haftstrafen.

In diesem Beitrag erklärt Rechtsanwalt Dr. Maik Bunzel, was es zu beachten gilt. Dr. Bunzel ist Fachanwalt für Strafrecht und zertifizierter Berater für Steuerstrafrecht. Seine Kanzlei betreibt Standorte in Berlin und Cottbus. Im Wirtschaftsstrafrecht, im Steuerstrafrecht und in allen hiermit in Verbindung stehenden Verfahren vor den Finanzgerichten und Sozialgerichten ist Rechtsanwalt Dr. Bunzel im gesamten Bundesgebiet tätig.

Was passiert bei einer Betriebsprüfung durch die Deutsche Rentenversicherung?

Der Betriebsprüfer vergewissert sich zunächst, ob alle Arbeitnehmer ordnungsgemäß angemeldet sind und ob die Sozialabgaben korrekt berechnet und abgeführt wurden. Damit ist die Prüfung ausgestanden, wenn nicht Besonderheiten auffallen. Eine solche Besonderheit ist der vermehrte Einsatz von freien Mitarbeitern, Subunternehmern (auch als "Nachunternehmer" bezeichnet) und sonstigem Personal, das nicht im Angestelltenverhältnis, sondern auf eigene Rechnung, also vermeintlich selbstständig tätig ist.

Hier liegt das größte Risiko bei einer Betriebsprüfung: Häufig gelangt nämlich der Betriebsprüfer zu dem Schluss, dass es sich um Scheinselbstständige handelt. Die Kriterien hierfür sind mannigfaltig und für den Laien nicht leicht darzulegen. Soviel kann gesagt werden: Es genügt für die Annahme einer selbstständigen Tätigkeit nicht, dass jemand Rechnungen schreibt und einen Firmensitz angibt. Es genügt auch nicht, dass er für mehrere Auftraggeber tätig ist. Ebenso genügt es nicht, dass er ein Gewerbe angemeldet hat, ordnungsgemäß seine Bücher führt und Umsatzsteuer, Gewerbesteuer und Einkommensteuer erklärt und abführt.

Die Rechtsprechung ermittelt die Selbstständigkeit im Sinne des Sozialversicherungsrechts stattdessen anhand vieler Kriterien: Wer etwa in einen fremden Betriebsablauf eingegliedert ist, keinerlei unternehmerisches Risiko trägt und weder über eine Betriebsstätte (ein Briefkasten ist keine Betriebsstätte) noch sachliche (Kleidung, Werkzeug, Maschinen, Technik etc.) oder personelle (Angestellte) Mittel verfügt, wird schnell als Scheinselbstständiger eingestuft.

Die Folgen für den Arbeitgeber sind enorm: Es kommt zu einem Strafverfahren nach § 266a StGB, in welchem bis zu 10 Jahre Freiheitsstrafe drohen. Auf eine Verurteilung folgt regelmäßig die Untersagung des Gewerbes wegen Unzuverlässigkeit. Die Sozialabgaben werden nebst Säumniszuschlägen nachgefordert. Hat der Betroffene vorsätzlich Arbeitnehmer als Selbstständige behandelt, erfolgt die Prüfung und Nachforderung nicht mehr nur für die letzten 4 Jahre, sondern für bis zu 30 Jahre rückwirkend. Die Sozialabgaben werden hierbei anhand der sogenannten Nettolohnfiktion berechnet.

Hierzu ein Beispiel

Rechnung des Nachunternehmers für einen Monat: 3.500 Euro

Bruttolohn nach Nettolohnfiktion: ca. 5.800 Euro

Sozialversicherungsbeiträge (Betroffener zahlt Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteil): ca. 2000 Euro

In vier Jahren kommen auf diese Weise ca. 96.000 Euro für nur einen Mitarbeiter zusammen. Die Säumniszuschläge liegen etwa bei der Hälfte dieses Betrages. Erstreckt sich dies auf mehrere Mitarbeiter und über mehrere Jahre, kommen hier schnell hohe sechs- oder gar siebenstellige Beträge zusammen.

Widerspruch gegen den Beitragsbescheid genügt nicht!

Nach Abschluss der Prüfung wird ein Beitragsbescheid erlassen. Dieser ist vollstreckbar – ein Widerspruch hat keine aufschiebende Wirkung. Mit dem Widerspruch muss deshalb zwingend ein Antrag auf Vollstreckungsaufschub verbunden werden. Dieser Antrag wird allerdings so gut wie immer abgelehnt: Die Rentenversicherung müsste andernfalls zu dem Zwischenergebnis gelangen, dass der eigene Bescheid womöglich falsch ist. Hierauf darf man nicht hoffen. 

Stattdessen sollte unverzüglich beim zuständigen Sozialgericht ein Eilrechtsschutzantrag gestellt werden. Das Gericht prüft hier nicht nur die Rechtmäßigkeit des Bescheids summarisch, sondern auch, ob die sofortige Vollziehung existenzvernichtend für den Betroffenen wäre. Das wird man regelmäßig zu bejahen haben, denn die Nachforderungen und Säumniszuschläge führen meist in die Insolvenz. ACHTUNG: Wird der Widerspruch zwischenzeitlich beschieden, muss in der Hauptsache Klage gegen den Beitragsbescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheids beim Sozialgericht erhoben werden – andernfalls kann das Eilrechtsschutzverfahren keinen Erfolg mehr haben.

War das Eilrechtsschutzverfahren erfolgreich, stellt dies nicht nur die Weichen für das Hauptsacheverfahren, sondern wirkt es sich auch im Strafverfahren und in der wirtschaftlichen Handlungsfähigkeit des Betroffenen insgesamt aus - nicht nur dann, wenn Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheids bestehen, sondern auch, wenn es im sozialgerichtlichen Verfahren zu einer Einigung mit der Rentenversicherung kommt: Ermöglicht es die Rentenversicherung dem Betroffenen, die berechtigte Forderung abzuzahlen oder per Kredit zu begleichen und kann dadurch eine Haftstrafe abgewendet werden (Schadenwiedergutmachung ist hier das Zauberwort), so kann der Betroffene sein Unternehmen weiterführen.

Was kostet ein Anwalt für die Betriebsprüfung und ggf. das weitere Verfahren?

Die Beratung bei einer laufenden Betriebsprüfung, die Rechtsbehelfe gegen einen Beitragsbescheid und die Strafverteidigung sollten unbedingt koordiniert erfolgen. Der Aufwand hierfür kann beträchtlich sein. Gute Anwälte arbeiten deshalb in aller Regel ausschließlich auf Basis einer Honorarvereinbarung. Üblich sind Pauschalhonorare nach Verfahrensabschnitten und Stundenhonorare. Der Stundensatz liegt dabei je nach Region und Qualifikation des Anwalts zwischen 300 und 800 Euro. Diese Kosten werden ggf. von der Unternehmer-Rechtsschutzversicherung des Betroffenen nach Maßgabe der vereinbarten Versicherungsbedingungen teilweise oder vollständig übernommen.

Sie haben weitere Fragen zu diesem Thema? Ein Telefonat mit Rechtsanwalt Dr. Bunzel zur ersten Orientierung ist stets kostenfrei. Unter 0151 21 778 788 ist Dr. Bunzel unmittelbar erreichbar.

Foto(s): Maik Bunzel

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