Besteht die Pflicht zum Präventionsverfahren innerhalb der Probezeit?

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Eine 60-jährige zu 50 % schwerbehinderte Diplomökonomin war beim Land Baden-Württemberg als Leiterin QM und Controlling beschäftigt. Im Arbeitsvertrag war eine 6-monatige Probezeit vereinbart.

Der Arbeitgeber bemerkte jedoch bald, dass die Frau trotz Einarbeitung und Schulungen die Anforderungen an diese Position nicht erfüllte. Der von ihm in Auftrag gegebene Eignungsbericht brachte verschiedene fachliche Mängel ans Licht. Nach Anhörung der Schwerbehindertenvertretung und des Personalrates (der der Kündigung widersprach) kündigte der Arbeitgeber zum Ende der Probezeit. Die Arbeitnehmerin klagte zunächst vor dem Arbeitsgericht auf eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG und wollte 3 Gehälter Schmerzensgeld (etwas über 11.000 Euro). Sie machte geltend, dass der Arbeitgeber sie als Behinderte diskriminiert habe, weil er vor der Kündigung nicht versucht habe, sie entsprechend ihrer Behinderung zu beschäftigen. Dies hätte ein Präventionsverfahren nach § 84 Abs. 1 SGB IX ermöglicht.

In § 84 Abs. 1 SGB IX heißt es:

„Der Arbeitgeber schaltet bei Eintreten von personen-, verhaltens- oder betriebsbedingten Schwierigkeiten im Arbeits- oder sonstigen Beschäftigungsverhältnis, die zur Gefährdung dieses Verhältnisses führen können, möglichst frühzeitig die Schwerbehindertenvertretung und die in § 93 genannten Vertretungen sowie das Integrationsamt ein, um mit ihnen alle Möglichkeiten und alle zur Verfügung stehenden Hilfen zur Beratung und mögliche finanzielle Leistungen zu erörtern, mit denen die Schwierigkeiten beseitigt werden können und das Arbeits- oder sonstige Beschäftigungsverhältnis möglichst dauerhaft fortgesetzt werden kann.“

Das Arbeitsgericht wies die Klage ab. Nun hatte das LAG Baden-Württemberg den Fall auf dem Tisch (17.03.2014 1 Sa 23/13) und auch hier wurde die Klage abgewiesen, denn der Arbeitgeber führte vor Gericht aus, dass er innerhalb der Probezeit, die mit der Wartezeit für den besonderen Kündigungsschutz von schwerbehinderten Arbeitnehmern identisch war, ohne Vorliegen eines Grunde kündigen dürfe. Vor Ablauf der sechsmonatigen Wartezeit nach dem SGB IX müsse der Arbeitgeber auch kein Präventionsverfahren durchführen. Wenn es diese Pflicht gäbe, dann würden schwerbehinderte Menschen in der Probezeit besser gestellt als nicht behinderte Menschen und das hat der Gesetzgeber nicht vorgesehen, denn er hat ja gerade die sechsmonatige Wartezeit vor den Sonderkündigungsschutz geschaltet, weil man auch schwerbehinderte Menschen frei erproben können sollte.

Zwar vertrat das LAG die Auffassung, dass mit Hilfe des Präventionsverfahrens hätte herausgefunden werden können, ob die Frau doch anderweitig einsetzbar war. Da ihr dieser Chancenvorteil nicht gewährt wurde, sei das schon eine Diskriminierung aber der Arbeitgeber hatte innerhalb der Wartezeit nicht die Pflicht zur Durchführung des Präventionsverfahrens. Das hat das Bundesarbeitsgericht schon in Kündigungsschutzstreitigkeiten entschieden aber noch nicht für Entschädigungsstreitigkeiten.

Laut LAG dürfe man das zwar nicht vermischen, aber innerhalb der Wartezeit von 6 Monaten gelten weder Kündigungs- noch Schwerbehindertenschutz.

Will der Arbeitgeber innerhalb der Probezeit kündigen, hat er keine Zeit für ein ordnungsgemäß durchgeführtes Präventionsverfahren und er setzt sich dem Vorwurf aus, alles nur pro forma getan zu haben.

Also kam man zu dem Schluss: Kein Anspruch auf Präventionsverfahren in der Wartezeit. Daher auch keine Diskriminierung wegen der Behinderung. Andere Anhaltspunkte für eine Diskriminierung hat die Klägerin nicht geliefert. Daher war die Klage abzuweisen.

Da aber Revision zugelassen war, bleibt hier abzuwarten. Arbeitgeber sollten derzeit noch Vorsicht walten lassen.


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