Betriebsratsarbeit in Zeiten von Corona

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Arbeitgeber und Interessenvertretungen arbeiten derzeit deutschlandweit mit Hochdruck daran, die Auswirkungen der Corona-Krise für Unternehmen, Betrieb und Belegschaft bestmöglich und für alle erträglich zu gestalten. Aber was ist eigentlich mit dem Schutz des Betriebsrats und seiner Mitglieder selbst? Sind Videokonferenzen zur Reduzierung der Risiken zulässig? Kann ein Betriebsratsbeschluss auch außerhalb einer eigentlichen Sitzung beschlossen werden?

Zu diesen Fragen gibt es leider weder eine Regelung im Betriebsverfassungsgesetz, noch eine einschlägige oder gar höchstrichterliche Rechtsprechung. Die Literatur lehnt ein „virtuelles Vorgehen“ des Betriebsrats sogar überwiegend ab, so z. B. Fitting, § 33 RN 21 ff.; DKKW § 33 RN 10 ff.

Hintergrund dieser ablehnenden Haltung sei das zwingend einzuhaltende Erfordernis der Nichtöffentlichkeit der Betriebsratssitzungen, die bei Beschlussfassungen per Videokonferenzen, Chat oder ähnlichen Anwendungen nicht garantiert werden könne. In diesen Fällen sei ein Mithören und ein Mitverfolgen der Gesprächsthemen von unberechtigten Dritten nicht auszuschließen. Darüber hinaus bestehen auch datenschutzrechtliche Bedenken. Denn der Anbieter der Videokonferenzlösung ist regelmäßig ein Auftragsverarbeiter im Sinne von Artikel 4. Nr. 8 DSGVO.

Eine gesetzlich normierte Ausnahme besteht seit einigen Jahren lediglich für europäische Betriebsräte, die auf Seeschiffen arbeiten und die per Videokonferenz an Sitzungen teilnehmen können.

Nach aktueller Rechtslage verbleibt aber die Situation, dass eine Beschlussfassung nur in einer Sitzung möglich ist, wenn die Betriebsratsmitglieder persönlich anwesend sind.

Leider zeigt gerade das Fehlen einer entsprechenden (Ausnahme-)Vorschrift für alle Betriebsräte, dass hier offenbar bislang kein Wille des Gesetzgebers bestand, auch eine „digitalisierte Beschlussfassung“ zu ermöglichen. Dies wird zwar in diverser Literatur diskutiert, jedoch wurde dies bislang nie zielführend umgesetzt – wie in vielen anderen Lebensbereichen auch sind unsere Gesellschaft und deren Rechtsordnung auf die aktuell andauernde Krise kaum bis gar nicht vorbereitet.

Die aktuelle Situation rund um Corona braucht allerdings pragmatische Lösungsansätze.

Um handlungsfähig zu bleiben, sollte der Betriebsrat im Unternehmen, in denen ein Zusammentreffen nicht mehr möglich oder geboten ist, das Risiko einer Beschlussfassung per Videokonferenz sorgfältig überdenken. Wichtig ist dabei, mit dem Arbeitgeber vorab das Gespräch zu suchen, um gemeinsame Lösungen zu erarbeiten.

In Betracht kommt eventuell eine Vereinbarung mit dem Arbeitgeber, dass dieser hierin versichert, für einen bestimmten Zeitraum – zum Beispiel per Videokonferenz – gefasste Beschlüsse des Betriebsrats nicht vor Gericht anzugreifen, respektive deren Wirksamkeit zu verneinen. Ob eine solche Vereinbarung im Nachgang wirklich rechtlich Bestand hat, ist derzeit unklar – die Corona-Krise schafft viele Präzedenzfälle.

Eine solche Vereinbarung bedeutet aber zumindest eine höhere Hürde des Arbeitgebers, es sich später anders zu überlegen.

Darüber hinaus muss jeder Betriebsrat wissen, dass nicht fristgebundene Beschlüsse im Regelfall auch noch nachgeholt werden können.

Mein Tipp:

Bereiten Sie Ihre BR-Sitzungen intensiv vor, besprechen Sie die Punkte der Tagesordnung bereits im Vorfeld, denn dafür gibt es keine Formvorschriften. Beschränken Sie ohnehin die Länge der Betriebsratssitzungen auf ein notwendiges Minimum und suchen Sie insbesondere vorab das Gespräch mit dem Arbeitgeber, ob hier gemeinsam alternative Wege der Beschlussfassung vereinbart werden können. Auch wenn deren rechtliche Wirksamkeit bislang noch unklar ist, dürfte es allen Beteiligten jedenfalls klar sein, dass die aktuelle Krise pragmatische und zielgerichtete Lösungen erfordert.

Stefan Wenzel

Fachanwalt für Arbeitsrecht 


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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