BGH: Banken müssen in Zukunft auch über verdeckte Innenprovisionen aufklären

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BGH löst Kick-Back-Problematik für die Zukunft

Seitdem der BGH im Jahre 2006 einen Schadenersatzanspruch eines Anlegers bestätigt hat, der nicht über Zahlungen, die die Emittentin an die vermittelnde Bank gezahlt hat, aufgeklärt wurde, ist die Frage der Kick-Backs Teil von fast jedem Anlegerprozess. Bisher waren die Ergebnisse allerdings sehr unterschiedlich und de facto nicht vorhersagbar, weil sich im Anschluss an die erste Entscheidung eine Vielzahl von Urteilen mit der Frage zu beschäftigen hatten, wann überhaupt anzeigepflichtige Kick-Back-Zahlungen vorliegen, ob dem Kunden die Zahlungen bekannt war (was unter Umständen zur Verjährung führen kann) und ob die Bank überhaupt wusste, dass sie über die Zahlungen aufklären musste (was ein Verschulden und damit den Schadenersatzanspruch ausschließen würde).

Die bisherige Rechtsprechung des BGH war auch nicht geeignet, dies Problem abschließend zu lösen, weil der zuständige 11. Zivilsenat immer nur über die entscheidungserheblichen Rechtsfragen geurteilt hat und Rechtsfragen, die nicht entscheidungserheblichen waren, meist offen ließ. Somit hat der BGH in der Vergangenheit die Möglichkeit vertan, Rechtsklarheit für alle Beteiligten zu schaffen.

Denn anhand der bisherigen Entscheidungen war nur folgendes geklärt:

Bislang unterschied der BGH in allen Entscheidungen zwischen „aufklärungspflichtigen Rückvergütungen“ und sog. „verdeckten Innenprovisionen“.

Aufklärungspflichtige Rückvergütungen sollen vorliegen, wenn aus den in den Vertragsunterlagen der Anlage ausgewiesenen Vermittlungskosten Zahlungen an die beratende Bank gingen. Der Grund für die Aufklärungspflicht soll darin bestehen, dass durch die Zahlung ein eigenständiges Interesse der beratenden Bank geschaffen wurde, den Vertrag zu vermitteln. Um die Entscheidungsfreiheit des Kunden wiederherzustellen, sollte die Bank daher verpflichtet sein, transparent über ihr Interesse – also die erfolgsabhängige Provisionierung – aufzuklären.

So weit, so eingängig, mag man denken.

Der BGH differenzierte aber weiter dahin, ob eine verdeckte Innenprovision vorliegen könnte. Diese wurde nicht „aus den offen ausgewiesenen Vertriebskosten“ gezahlt, sondern aus dem Anlagebetrag, und zwar verdeckt, also ohne dass die gesamte Summe der Vertriebskosten offen gelegt wurde.

Bislang existierte nur eine Rechtsprechung des BGH, dass solche verdeckten Innenprovisionen dann offen zu legen sind, wenn sie 15 % der Anlagesumme übersteigen, weil sie dann aufgrund ihrer Höhe für die Bewertung der Anlage von Bedeutung seien. Unterhalb von 15 % hat der BGH bislang eine Anzeigepflicht nicht angenommen, dies u.a. deshalb, wie er in seiner jetzt veröffentlichten Entscheidung ausführt, weil es bislang nicht entscheidungserheblich gewesen sei.

Dass diese Differenzierung insbesondere von Verbraucherschützern angegriffen wurde, mag nicht überraschen, wenn man berücksichtigt, dass auch eine Innenprovision von bis zu 14,9% durchaus ein Eigeninteresse der Bank begründen kann, also eine vergleichbare Lage zur Rückvergütung besteht.

Mit der Entscheidung vom 01.06.2014 zum Aktenzeichen XI ZR 147/12 ist diese unklare Rechtslage aber – man möchten sagen „zum Glück“ – vorbei.

Nunmehr hat der BGH entschieden, dass auch verdeckte Innenprovisionen grundsätzlich anzeigepflichtig sind. Der BGH stützte dies vor allem darauf, dass die zahlreichen Gesetzesänderungen nach dem Vorfall Lehman Brothers insbesondere darauf abzielten, in den jeweils geregelten Bereichen eine Transparenz über die gezahlten Betriebskosten herzustellen. Zwar seien diese öffentlich-rechtlichen Pflichten nicht 1:1 auf den zivilrechtlichen Inhalt eines Beratungsvertrags zwischen Bank und Kunde zu übertragen, jedoch dürfte der Kunde annehmen, dass nunmehr im Finanzbereich Kostentransparenz herrsche.

Diesmal hat der BGH allerdings vorsorglich mit entschieden, dass die Banken sich bis zum 01.08.2014, also bis 2 Monate nach dem Urteil – in einem vermeidbaren Rechtsirrtum befunden haben, weil sie davon haben ausgehen können, dass sie verdeckte Innenprovisionen nicht offenlegen müssten.

Dies bedeutet im Wesentlichen, dass die Verpflichtung zur Offenlegung der Vergütung nur allgemein für die Zukunft gilt, dass jedoch aus der Vergangenheit keine Ansprüche mehr geltend gemacht werden können. Die Banken wird diese Klarheit im Hinblick auf ihre wirtschaftliche Lage sicherlich freuen, viele Anleger jedoch rat- und verständnislos zurücklassen.

Offen bleiben nach dieser Entscheidung allerdings einige weitere Rechtsfragen, für deren Beantwortung jetzt eigentlich die Weichen gestellt sein sollten.

So hat bislang der zuständige III. Zivilsenat für freie Anlagevermittler – also nicht Banken – angenommen, dass eine Aufklärungspflicht des Vermittlers nicht besteht, weil – wenn der Kunde selbst keine Vergütung an den Vermittler zahlt – es offenkundig sei, dass der Emittent der Anlage eine Provision zahlt. Begründet wird dies durchaus nachvollziehbar damit, dass nicht angenommen werden könnte, der Vermittler arbeite insgesamt umsonst. Im Hinblick darauf, dass der XI. Senat die Aufklärungspflicht auf das dem Kapitalanlagerecht nunmehr immanente Transparenzgebot stützt, stellt sich allerdings die Frage, ob diese Rechtsprechung Bestand haben kann.

Nicht geklärt ist mit der Entscheidung auch, wie der XI. Zivilsenat zukünftig mit Aufklärungspflichten über Gewinnmargen umgehen wird. Bislang ist die ständige Rechtsprechung, dass bei Verkäufen aus dem eigenen Bestand des Kreditinstituts über die Gewinnmarge, also die Differenz zwischen Ein- und Verkaufspreis, nicht aufgeklärt werden muss. Diese Rechtsprechung ist im Hinblick auf die Rechtsprechung im allgemeinen Kaufrecht stringent, da auch sonstige Verkäufer nicht darüber aufklären müssen, zu welchen Preisen sie eingekauft haben oder welche Herstellungskosten bestimmte Waren haben. Relevant wird die Frage bei Finanzdienstleistungen jedoch deshalb, weil nach bisheriger Rechtsprechung die Bank nicht darüber aufklären muss, ob sie ein verkauftes Produkt vorher im eigenen Bestand gehalten hat oder für einen Dritten veräußert. Dem Kunden wird also nicht offengelegt, dass ein Kauf mit der Bank zustande kommt, womit er nicht beurteilen kann, ob eine Offenlegungspflicht besteht oder nicht.

Im Hinblick auf die nun vom BGH geforderte Transparenz der Kosten wäre es jedoch begrüßenswert, wenn diese Rechtsprechung im Sinne des Anlegers abgeändert werden würde.

Jedenfalls ist die Frage der Kostentransparenz auch mit diesem Urteil noch nicht abschließend entschieden und weitere Entscheidungen werden abzuwarten bleiben.

RA Heiko Effelsberg, LL.M.

Fachanwalt für Versicherungsrecht


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