BGH: BHW-Bausparkasse muss Jahresentgelt zurückzahlen

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BGH, Urteil vom 15. November 2022 - XI ZR 551/21

Viele Bausparkassen haben in den vergangenen Jahren jährliche Kontoentgelte eingeführt oder erhöht. Der Bundesgerichtshof hat am 15.11.2022 entschieden, dass solche Gebühren in der Sparphase unzulässig, die zugrundeliegenden AGB unwirksam sind. Das Verfahren betraf die BHW-Bausparkasse, dürfte aber auch auf andere zutreffen.

Diverse Bausparkassen haben Kontogebühren für Bausparverträge in der Sparphase eingeführt. Das ist nach dem Urteil des BGH unzulässig.

Werden solche „Jahresentgelte“ verlangt, sollten diesem Entgelt in jedem Fall widersprechen und Erstattung verlangen.

Servicepauschale und jährliches Kontoentgelt unzulässig

Die Bausparkasse BHW darf für die Verwaltung der Bausparkonten in der Sparphase kein Jahresentgelt verlangen. Das hat der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 15.11.2022 (Az. XI ZR 551/21) in einem von einem Verbraucherschutzverband gegen die BHW Bausparkasse geführten Verfahren entschieden.

Die BHW verlangte 12 Euro pro Jahr und pro Bausparkonto

Die BHW sah in ihren Tarifbedingungen (die allgemeine Geschäftsbedingungen sind) jedes Bausparkonto ein Jahresentgelt von 12 Euro vor.

Bereits im Mai 2017 hatte der BGH Kontoführungsgebühren für Bauspardarlehen für unwirksam erklärt. Danach dürften Bausparkassen in der Darlehensphase kein jährliches Kontoentgelt oder Servicepauschalen erheben. Zu Entgelten in der Sparphase hatte sich das Gericht damals aber nicht geäußert.

Viele Bausparkassen erheben in der Sparphase eine Kontogebühr.

Entscheidung des Bundesgerichtshofs:

Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass die angefochtene Klausel der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB unterliegt und dieser nicht standhält. Er hat deshalb die Revision der Beklagten zurückgewiesen. Zur Begründung hat der Senat im Wesentlichen ausgeführt:

Die Entgeltklausel ist Gegenstand der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB, weil sie eine Preisnebenabrede darstellt. Das in der Ansparphase eines Bausparvertrags erhobene Jahresentgelt ist weder Gegenleistung für eine vertragliche Hauptleistung noch Entgelt für eine Sonderleistung der Beklagten und damit keine kontrollfreie Preishauptabrede. Die von der Bausparkasse in der Ansparphase geschuldete Hauptleistung besteht einerseits in der Zahlung der Zinsen auf das Bausparguthaben sowie andererseits darin, dem Bausparer nach der Leistung der Bauspareinlagen einen Anspruch auf Gewährung eines niedrig verzinslichen Bauspardarlehens aus der Zuteilungsmasse zu verschaffen. Mit dem Jahresentgelt werden demgegenüber Verwaltungstätigkeiten der Beklagten in der Ansparphase bepreist, die sich mit der bauspartechnischen Verwaltung, Kollektivsteuerung und Führung einer Zuteilungsmasse umschreiben lassen. Hierbei handelt es sich lediglich um notwendige Vorleistungen, nicht aber um eine von der Beklagten in der Ansparphase geschuldete Hauptleistung.

Der danach eröffneten Inhaltskontrolle hält die streitige Klausel nicht stand. Sie ist vielmehr unwirksam, weil die Erhebung des Jahresentgelts in der Ansparphase eines Bausparvertrags mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung unvereinbar ist und die Bausparer entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt. Denn mit dem Jahresentgelt werden Kosten für Verwaltungstätigkeiten auf die Bausparer abgewälzt, welche die Bausparkasse aufgrund einer eigenen gesetzlichen Verpflichtung zu erbringen hat. Die Abweichung der Entgeltklausel von wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung ist auch bei der gebotenen pauschalisierenden Gesamtbetrachtung nicht durch bausparspezifische Individualvorteile der einzelnen Bausparer sachlich gerechtfertigt. Bausparer müssen in der Ansparphase bereits hinnehmen, dass ihre Spareinlagen bezogen auf den Zeitpunkt des Abschlusses des Bausparvertrags nur vergleichsweise niedrig verzinst werden. Außerdem können Bausparkassen bei Abschluss des Bausparvertrags von den Bausparern eine Abschlussgebühr verlangen. Mit dem Jahresentgelt wird auch kein Beitrag zur Gewährleistung der Funktionsfähigkeit des Bausparwesens geleistet, der geeignet wäre, die mit seiner Erhebung für den einzelnen Bausparer verbundenen Nachteile aufzuwiegen.

Auch die Vorinstanzen (LG Hannover - Urteil vom 29. Januar 2021 - 13 O 19/20; OLG Celle - Urteil vom 17. November 2021 - 3 U 39/21 (WM 2022, 659) hatten die Klausel für unwirksam erachtet.

(Quelle: BGH, Pressemitteilung Nr. 165/2022 vom 15.11.2022, Urteil vom 15. November 2022 - XI ZR 551/21)

Ansprüche noch nicht verjährt

Grundsätzlich gibt es zwei wesentliche Verjährungsfristen: Die 10-jährige Verjährung als Obergrenze und die 3-jährige als kurze Regelverjährung. Die kurze Regelverjährung ist Kenntnisabhängig. Die erforderliche Kenntnis der Unwirksamkeit der Forderung der Gebühr dürfte in der Regel nicht vorliegen.

Nach meiner Auffassung dürften damit noch alle seit Einführung eingezogenen Jahresentgelte zurückzufordern sein, Verjährung liegt bei Unkenntnis noch nicht vor.

Dem Argument vieler Banken und Bausparkassen, es greife die allgemeine 3-jährige Verjährungsfrist, steht im Übrigen die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes entgegen. Der EuGH hat mehrfach entschieden, dass die Forderung auf Erstattung aufgrund missbräuchlicher Klauseln gezahlter Entgelte nicht verjährt darf, bevor Verbraucher erkennen können, dass sie ein Recht auf Erstattung haben (Europäischer Gerichtshof, Urteile vom 10.06.2021, Aktenzeichen: C-609/19 und C-776/19 bis C-782/19 sowie Urteile vom 08.09.2022, Aktenzeichen: C-80/21 bis C-82/21).

Kenntnis vom Erstattungsanspruch haben BHW-Kunden regelmäßig erst mit der jüngsten BGH-Entscheidung vom 15. November 2022

Verjährungsunterbrechung 2022 erforderlich

Sie sollten Ihre Ansprüche aber noch in diesem Jahr verjährungsunterbrechend geltend machen. Geht man aus Vorsichtsgründen von einer 3-jährigen Verjährung aus, ist Eile geboten. Mit Ablauf des Jahres 2022 könnten die Entgelte aus 2019 nach dieser strengen Sichtweise nicht mehr verlangt werden.

Widerruf möglich?

Bei vielen Bausparverträgen ist auch ein Widerruf denkbar mit der Folge, dass Sie einen Bereicherungsrechtlichen Anspruch auf Rückabwicklung haben. Sie können dann die eingezahlten Beiträge und Nutzungszinsen zurückerhalten. Dazu ist die Einleitung z. B. eines Ombudsmannsverfahrens sinnvoll.

Wir setzen Ihren Anspruch durch

Sie möchten ein nachträglich in der Sparphase eingeführtes Entgelt wie die sogenannte Servicepauschale zurückfordern? Wir helfen Ihnen gerne.

Die Kosten unserer Einschaltung muss nach den Grundsätzen der Rechtsprechung der BHW bzw. eine Rechtsschutzversicherung tragen.

Gerne fordern wir für Sie Ihre Jahresentgelte zurück. Auf Wunsch prüfen wir den Bausparvertrag auch auf Rückabwicklungsmöglichkeiten.

Nehmen Sie gerne Kontakt auf über die eigens geschaltete Website jahresentgelt.de.


Foto(s): @canva.com

Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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