BGH liest den Banken die Leviten

  • 3 Minuten Lesezeit

Der BGH setzt mit der Entscheidungsbegründung zu seinem Urteil vom 12. Juli 2016 (XI ZR 564/15) seine verbraucherfreundliche Rechtsprechung fort und liest den Banken die Leviten. Er bekräftigt seine strenge Rechtsprechung hinsichtlich der Deutlichkeitsanforderungen von Widerrufsbelehrungen in Verbraucherkreditverträgen.

Die mit Spannung erwarteten Entscheidungsgründe, die der BGH am 30. September 2016 veröffentlichte, haben es in sich. Für eine Vielzahl von anhängigen Gerichtsverfahren könnten sie ausschlaggebende Bedeutung haben.

So bekräftigte der BGH, dass Unklarheiten in Widerrufsbelehrungen stets zulasten der Banken gehen. Verwendet beispielsweise eine Bank neben dem Hinweis auf die zweiwöchige Widerrufsfrist einen Fußnotenzusatz mit dem Inhalt „Bitte Frist im Einzelfall prüfen“, weiß der Leser nicht klar und deutlich was gelten soll. Schon allein solche Unklarheiten genügen, die Widerrufsbelehrung undeutlich zu machen und die Widerrufsfrist nicht in Lauf zu setzen. Weil die Formulare der Banken für Widerrufsbelehrungen vielfach verwendet werden, also Allgemeine Geschäftsbedingungen darstellen, gehen Unklarheiten stets zulasten der Bank. In der Vergangenheit haben Banken insbesondere bei der Belehrung über die Widerrufsfrist (zwei Wochen) durch umständliche Formulierungen undeutlich oder mehrdeutig belehrt. Dies dürfte vielen Banken spätestens mit dieser Entscheidung des BGH „auf die Füße fallen“.

In Fortsetzung seiner „frühestens-Rechtsprechung“ konkretisiert der BGH gleichzeitig seine Anforderungen an die Schutzwirkung bei Musterverwendung. Vereinfacht gesagt steht nunmehr fest, dass jede Änderung des Wortlautes des ursprünglichen Belehrungsmusters dann die Schutzwirkung zugunsten der Bank entfallen lässt, wenn es durch ihre textliche Umgestaltung zu „Abstrichen bei der Verständlichkeit des Textes“ kommt. Neben Fußnotenzusätzen soll dies insbesondere der Fall sein, wenn die Bank so genannte Gestaltungshinweise zum Abfassen der Widerrufsbelehrung kurzerhand in den Widerrufsbelehrungstext übernommen hat. Diese Hinweise waren aber allein für die Bank gedacht und hätten nicht in den Belehrungstext aufgenommen werden dürfen.

Die jetzige Klarstellung des BGH dürfte auch ganz aktuell große Bedeutung für Hauskredite haben, die nach dem 10. Juni 2010 abgeschlossen worden sind. Für solche Immobiliardarlehen, also durch Grundschuld oder Hypothek gesicherte Kredite, hatte der Gesetzgeber zwar auf Druck der Bankenlobby rückwirkend die Widerrufsmöglichkeit hin befristet (Altverträge vom 2.11.2002 bis 10.6.2016). Eine Vielzahl von Gerichten halten jedoch auch die jüngeren Belehrungsmuster des Gesetzgebers für Widerrufsbelehrungen für fehlerhaft (zuletzt das LG Berlin mit Urteil vom 09.09.2016 – 4 O 486/15 und OLG Nürnberg, Urteil vom 01.08.2016 – 14 U 1780/15, vgl. auch unseren Homepage-Beitrag vom 08.09.2016: „Die Frist beginnt nach Abschluss des Vertrags, aber erst, nachdem der Darlehensnehmer alle Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB (z. B. Angabe zur Art des Darlehens, Angabe zum Nettodarlehensbetrag, Angabe zur Vertragslaufzeit“) erhalten hat“). Die jetzige Klarstellung des BGH, dass Banken bei Übernahme von Gestaltungshinweisen und sonstigen Zusätzen keine Schutzwirkung für sich in Anspruch nehmen können, macht eine große Vielzahl von Verbraucherdarlehensverträgen auch in der Zeit nach dem 10.6.2016 widerrufbar.

Der BGH macht in dieser jüngsten Entscheidung auch deutlich, dass ein Verbraucher, der falsch über sein Widerrufsrecht belehrt wurde aus völlig freiem Willen den Vertrag widerrufen kann. Er handelt regelmäßig nicht rechtsmissbräuchlich. Auch ist sein Widerrufsrecht regelmäßig nicht verwirkt. Insbesondere weil Banken die Möglichkeit haben nach zu belehren (also dem Verbraucher im Nachhinein eine korrekte Widerrufsbelehrung zu überreichen und dies auch kenntlich zu machen) darf sich die Bank nicht auf alten Fehlern ausruhen und auf Verwirkung pochen.

Dem Verbraucher steht seinerseits übrigens der Nachweis offen, dass der ursprüngliche Darlehensbetrag zu einem geringeren Prozentsatz zu verzinsen war als der Vertragszins mit der Bank. Er kann sich dabei der Zinsstatistik der Deutschen Bundesbank (Zinssätze für das Neugeschäft der deutschen Banken) bedienen um so einen geringeren marktüblichen Zinssatz nachweisen.

Der einzige kleine „Wermutstropfen“ dieser jüngsten BGH-Entscheidung ist, dass bei Hauskrediten der vermutete Gewinn einer Bank lediglich in Höhe von 2,5 % über Basiszinssatz (und nicht 5 % über Basiszinssatz) liegen soll, die Bank also zunächst nur diesen Nutzungsersatz an den Verbraucher zu zahlen hat. Doch der BGH gibt dem Verbraucher auch hier nochmals den Hinweis, dass es sich um eine widerlegliche Vermutung handelt. Wenn also der Nachweis geführt werden kann, dass eine bestimmte Bank während der Vertragslaufzeit des widerrufenen Darlehensvertrages einen größeren Gewinn durch Wiederanlagezinsen erzielt hat, so hat sie auch diesen höheren Nutzen an den Verbraucher herauszugeben.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Hermann Kaufmann

Beiträge zum Thema