BGH: Widerruf von Krediten noch Jahre nach Vertragsschluss ist nicht rechtsmissbräuchlich!

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Karslruhe, 12.07.2016. Schon häufig waren Verhandlungen des Bundesgerichtshofs zum Widerrufsjoker in letzter Sekunde abgesagt worden. Die Kläger zogen ihre Revision zurück und ließen sich auf einen Vergleich mit der Bank ein. Die Banken erreichten auf diese Weise ihr Ziel, eine höchstrichterliche Entscheidung zu verhindern. Heute allerdings fiel eine richtungsweisende Grundsatzentscheidung des BGH zu diesem Thema: Die Banken können mit dem Verweis auf „Treu und Glauben“ (Rechtsmissbrauch oder Verwirkung) den Widerruf nicht zurückweisen, auch wenn der Widerruf erst Jahre nach Abschluss der Verträge erklärt wurde.

Die Vorgeschichte:

Am heutigen Tag beschäftigte die Richter am Bundesgerichtshof ein Fall, in dem Darlehensnehmer ihren Darlehensvertrag mit einer Sparkasse 2008 abgeschlossen hatten (Az.: XI ZR 564/15). Die Darlehensnehmer widerriefen den Vertrag im Jahre 2013 mit der Begründung, dass die Widerrufsbelehrung nicht korrekt war und daher eine Widerrufsfrist nicht zu laufen begonnen hatte. Als Rechtsfolge verlangten die Darlehensnehmer die Rückabwicklung des Vertrages. Sie wollten aus den Verträgen aussteigen und verlangten von der beklagten Sparkasse eine Nutzungsentschädigung auf die von den Klägern erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen.

Die Streitpunkte:

Die Sparkasse wies den Widerruf mit der Begründung zurück, die Darlehensnehmer hätten ihr Widerrufsrecht missbräuchlich ausgeübt und gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstoßen.

Der BGH musste über folgende Fragen zu entscheiden: Durfte die Sparkasse darauf vertrauen, die Kläger würden von ihrem Widerrufsrecht nach Jahren keinen Gebrauch mehr machen, obwohl es ihnen aufgrund der fehlerhaften Widerrufsbelehrung zusteht? Und darf der Verbraucher ein Gesetz nutzen, dass ihn vor unüberlegten Entscheidungen schützen soll, um finanziellen Vorteil daraus zu ziehen – und das Jahre nach Vertragsschluss? In welcher Höhe schuldet die Bank dem Verbraucher nach einem Widerruf eine Nutzungsentschädigung?

Die Entscheidung:

Die Entscheidung des BGH ist prägnant. In der Pressemitteilung vom heutigen Tage heißt es wörtlich „Die Kläger haben das Widerrufsrecht weder verwirkt noch sonst unzulässig ausgeübt“.

Nach dem BGH-Urteil gilt somit: Selbst wenn der Verbraucher seine Raten stets bezahlt oder sein Darlehen sogar vollständig tilgt, gibt es für die Bank keinen Anlass annehmen zu dürfen, der Verbraucher werde sein Darlehen nicht widerrufen. Sind die Widerrufsbelehrungen fehlerhaft, muss dem Verbraucher der Widerruf gewährt werden, unabhängig von seinen Beweggründen.

Der Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht Arne Podewils fügt hierzu an: „Nach der Risikoverteilung des Gesetzgebers hat der Unternehmer die Folgen einer fehlerhaften Widerrufsbelehrung zu tragen, nicht der Verbraucher“.

Er ergänzt und macht vielen Kreditnehmern Hoffnung: „Der Vorwurf, der Widerruf des Verbrauchers verstoße gegen Treu und Glauben, bekamen unsere Mandanten oftmals von den Banken zu hören. Die Entscheidung des BGH zeigt nun, dass es richtig war, sich dagegen zu wehren. Der Widerruf kann ohne Angabe von Gründen erklärt werden. Ein von dem Gesetzgeber nicht gewollter Begründungszwang kann nicht durch die Hintertür eingeführt werden.“

Das Fazit:

Die Banken hatten bereits erreicht, dass der Widerrufsjoker für Verträge aus dem Zeitraum zwischen November 2002 bis Juni 2010 aufgrund einer Gesetzesänderung ab dem 21. Juni 2016 nicht mehr geltend gemacht werden kann. Nunmehr haben sie einen erheblichen Dämpfer einstecken müssen.

Die Folgen für noch laufende Verfahren fasst Rechtsanwalt Podewils zusammen: „Angesichts der Klärung der Rechtslage ist davon auszugehen, dass Banken und Sparkassen nunmehr die Rechte Ihrer Kunden anerkennen.“

Vorinstanzen:

XI ZR 564/15

LG Nürnberg-Fürth – Urteil vom 27. Oktober 2014 – 10 O 3952/14

OLG Nürnberg – Urteil vom 11. November 2015 – 14 U 2439/14


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