Corona und die arbeitsrechtlichen Folgen

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Grundsätzlich gilt, Arbeitnehmer haben nicht das Recht aus Sorge vor Ansteckung nicht am Arbeitsplatz zu erscheinen. Erscheinen sie nicht, so stellt dies eine Arbeitsverweigerung dar, die arbeitsrechtlich mit einer Abmahnung und im Wiederholungsfall mit einer Kündigung geahndet werden kann.

Homeoffice-Arbeitsplatz

Grundsätzlich ist es auch so, dass kein Anspruch auf einen Homeoffice-Arbeitsplatz besteht. Ist allerdings im Arbeitsvertrag ein Homeoffice-Arbeitsplatz vereinbart oder in einem Tarifvertrag oder einer Betriebsvereinbarung vorgesehen, dass Arbeiten im Homeoffice möglich sind, dann kann der Arbeitgeber den Arbeitnehmer anweisen, die Tätigkeit für einen bestimmten Zeitraum im Homeoffice zu erbringen. Ohne eine derartige Vereinbarung kann der Arbeitgeber nicht nach § 106 Satz 1 GewO einseitig die Arbeit von zuhause aus anordnen, da der Arbeitgeber nicht das Recht hat, über den privaten Wohnraum seines Mitarbeiters zu entscheiden.

Freistellung

Wenn im Arbeitsvertrag nichts geregelt ist, gilt für eine Freistellung durch den Arbeitgeber folgendes:

Sollte eine konkrete Infektionsgefahr durch den Coronavirus bei einem Arbeitnehmer vorliegen (z. B. Rückkehrer aus einem Infektionsgebiet), so wird das Suspendierungsinteresse des Arbeitgebers gegenüber dem Interesse dieses Arbeitnehmers an einer Beschäftigung überwiegen. Dies ergibt sich aus den in § 241 Abs. 2 BGB und § 618 Abs. 1 BGB normierten Fürsorgepflichten des Arbeitgebers, der dadurch erreichen will, dass seine weiteren Arbeitnehmer oder auch Kunden durch den möglicherweise infizierten Mitarbeiter nicht angesteckt werden.

Der freigestellte Mitarbeiter hat in dieser Freistellungsphase wohl  Anspruch auf seine Vergütung – dies ist allerdings umstritten–, gegebenenfalls kann er auch – je nach vertraglicher Vereinbarung – verpflichtet sein, seine Tätigkeiten von zuhause aus auszuüben. Der Arbeitgeber hat nur dann einen Entschädigungsanspruch, wenn die Quarantäne behördlich angeordnet wurde oder aber ein Beschäftigungsverbot ausgesprochen wurde.

Abbau von Urlaub 

Eine einseitige Anordnung des Arbeitgebers Urlaub abzubauen ist – sofern nicht die rechtlichen Voraussetzungen hierzu im Tarifvertrag, einer Betriebsvereinbarung oder gegebenenfalls auch im Arbeitsvertrag geschaffen wurden –, nicht möglich. Das Risiko, Arbeitnehmer nicht beschäftigen zu können, trägt grundsätzlich der Arbeitgeber.

Überstunden

Der Arbeitgeber wird aufgrund der besonderen Situation berechtigt sein Überstunden einseitig anzuordnen. Das Bundesarbeitsgericht hat bereits mit Urteil vom 27.02.1981, Az.: 2 AZR 1162/78, entschieden, dass der Arbeitgeber zur Anordnung von Überstunden in Notfällen berechtigt ist. Eine Notlage besteht zum Beispiel bei einer ungewöhnlichen Gefährdung der Betriebsanlagen, der Waren oder der Arbeitsplätze. Auch eine Gefährdung der termingerechten Abwicklung eines Auftrags ist unter den oben angegebenen Gründen als besondere Situation anerkannt. Der Arbeitnehmer ist schon aufgrund seiner Treuepflicht verpflichtet, diese Anordnung Folge zu leisten, ein eventuelles Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats ist zu berücksichtigen.

Ob der Arbeitgeber berechtigt ist, den Abbau eines Zeitguthabens anzuordnen, ist strittig und hängt von den vertraglichen Vereinbarungen zwischen den Arbeitsvertragsparteien ab. Sollte ein Zeitguthaben geregelt, jedoch ansonsten keine weiteren Regelungen vorhanden sein, insbesondere über die Frage des Überstundenabbaus, bin ich  der Meinung, dass in Anlehnung an die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts, Urteil vom 19.05.2009, Az.: 9 AZR 433/08, der Arbeitgeber den Überstundenabbau verlangen kann. Wenn zum Abbau eines zugunsten des Arbeitnehmers bestehenden Zeitsaldos Freizeitausgleich gewährt wird, handelt es sich nämlich regelmäßig nur um eine Weisung zur Verteilung der Arbeitszeit im Sinne von § 106 Satz 1 GewO. Mit der Bestimmung der Zeit der Arbeitsleistung wird zugleich auch die Zeit bestimmt, während derer ein Arbeitnehmer keine Arbeit zu leisten hat. Beide Festlegungen unterliegen deshalb dem Weisungsrecht des Arbeitgebers nach § 106 Satz 1 GewO. Das ermöglicht es dem Arbeitgeber, die im Arbeitsvertrag nur rahmenmäßig umschriebene Leistungspflicht im Einzelnen nach Zeit, Art und Ort nach billigem Ermessen im Sinne von § 315 Abs. 3 BGB zu bestimmen (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 23.09.2004, Az.: 6 AZR 567/03). Das Weisungsrecht des Arbeitgebers umfasst nicht nur die Befugnis, den Arbeitnehmer an bestimmten Tagen von der Arbeit freizustellen, sondern auch das Recht, ihn an bisher "freien" Tagen zur Arbeitsleistung heranzuziehen. Den berechtigten Interessen des Arbeitnehmers trägt die Pflicht des Arbeitgebers gemäß § 106 Satz 1 GewO Rechnung, bei Ausübung seines Weisungsrechts die Grenzen billigen Ermessens nach § 315 Abs. 3 BGB einzuhalten. Damit muss er auch auf die berechtigten Interessen des Arbeitnehmers an der Planbarkeit seiner Freizeit Rücksicht nehmen.

Ich darf aber ausdrücklich darauf hinweisen, dass dies strittig ist und es zahlreiche Meinungen gibt, die mit Blick auf das Arbeitgeberrisiko vertreten, dass ein einseitiger Abbau des Zeitguthabens nicht durch den Arbeitgeber angeordnet werden darf.

Mein Tipp

Grundsätzlich ist daher zu empfehlen, dass die Arbeitsvertragsparteien einvernehmliche Lösungen finden, um die für beide Seiten schwierige Situation bestmöglich zu meistern.

Zu beachten ist auch, dass es sicherlich einige Zeit dauern wird, bis es Gerichtsentscheidungen zu den strittigen Punkten gibt.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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