Darf mein Chef einfach andere Arbeitszeiten festlegen?

  • 3 Minuten Lesezeit

Darf mein Chef einfach andere Arbeitszeiten festlegen?

Ja, aber ...

Aufgrund des Weisungsrechts steht es dem Arbeitgeber grundsätzlich frei, Arbeitszeiten festzulegen bzw. zu ändern. Allerdings müssen dabei bestimmte Rahmenbedingungen beachtet werden.

Arbeitgeber darf Grenzen des Direktionsrechts nicht überschreiten

Betriebliche Belange können Arbeitszeitänderungen erforderlichen machen, jedoch müssen die Interessen der Arbeitnehmer bei der Neugestaltung der Arbeitszeit gleichermaßen Berücksichtigung finden (persönliche oder gesundheitliche Gründe).

Beispiel Arbeitsbeginn

Die gesamte Arbeitszeit wird um 1 Stunde nach vorne verlagert. Einigen Arbeitnehmern ist es egal, anderen kommt es entgegen und wiederum anderen bringt es die Tagesplanung durcheinander (z. B. Kita-Öffnungszeiten, Unterstützung/Pflege von Familienmitgliedern, regelmäßige Arztbesuche zu bestimmten Zeiten).

Unabhängig von persönlichen Gründen, die einer Arbeitszeitänderung entgegenstehen könnten, dürfen insbesondere arbeits- bzw. tarifvertragliche Regelungen oder auch etwaige Betriebsvereinbarungen dabei nicht verletzt werden.

Sofern vorhanden, muss sogar der Betriebsrat vor Änderung der Arbeitszeit hinzugezogen werden.

In § 106 Gewerbeordnung heißt es:

Der Arbeitgeber kann Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrages oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind. [...]


Rahmenbedingungen des Arbeitszeitgesetzes

Die Tageshöchstarbeitszeit von 8 Stunden darf nicht überschritten werden. In Ausnahmefällen darf sie jedoch auf maximal 10 Stunden erhöht werden, sofern die durchschnittliche Arbeitszeit innerhalb von 24 Wochen oder sechs Monaten nicht über 8 Stunden hinausgeht.

Darüberhinaus darf die Mindestruhezeit zwischen 2 Arbeitstagen nicht weniger als 11 Stunden betragen.

Neue Arbeitszeiten, die diesen Vorgaben nicht entsprechen, sind nicht rechtens.

Fall aus der Praxis: Arbeitsgericht Hagen – Der Hund geht vor

Geklagt hatte ein Kurierfahrer mit einer 25-Stunden-Arbeitswoche (Montag bis Freitag) und täglichen Arbeitszeiten zwischen 8 und 13 Uhr. Der Arbeitgeber änderte die Arbeitszeiten und verlangte, dass er ab sofort montags bis donnerstags 20 Minuten weniger und freitags 7 Stunden mit Pause arbeiten sollte.

Der Arbeitnehmer weigerte sich – hauptsächlich, weil er freitags 2 Stunden länger arbeiten sollte - und reichte Klage ein. Die Ablehnung der neuen Arbeitszeiten begründete er mit folgenden Punkten:

  • Haushaltsführung, da Ehefrau Vollzeit arbeitet
  • Unterstützung des allein lebenden Schwiegervaters (84 Jahre)
  • Betreuung des gemeinsamen Hundes

Das Arbeitsgericht Hagen entschied im Sinne des Arbeitnehmers, da der Arbeitgeber die Interessen des Arbeitnehmers bei der Neuverteilung der Arbeitszeit nicht genügend berücksichtigt habe.

Im Vordergrund der Entscheidungsfindung standen jedoch nicht die Haushaltsführung oder der Schwiegervater, sondern vielmehr die Betreuung des Hundes, die freitags nicht angemessen geleistet werden könnte.

Aus Gründen des Tierschutzes dürfe der Hund nicht so lange unversorgt bleiben. Der Arbeitnehmer könne seinen Hund nicht sieben Stunden plus Wegezeiten allein lassen. Hunde seien Rudeltiere, die bei längerfristigem Alleinsein aufgrund ihrer Urängste in Stress geraten. Zudem müsse gesichert sein, dass sie regelmäßig ihre Notdurft verrichten können.

Keine wichtigen betrieblichen Gründe

Eine anderweitige Unterbringung des Hundes (Hundesitter oder Tierpension) und die Zumutung der dafür anfallenden Kosten käme nur dann in Betracht, wenn tatsächlich gewichtige betriebliche Gründe vorlägen.

Nach der Auffassung des Arbeitsgerichts Hagen war dies allerdings nicht gegeben. Zum einen suchte der Arbeitgeber sogar Fahrer für die Vormittags-Touren und zum anderen nannte er keinen wirklichen Grund, der den Einsatz des Arbeitnehmers am Freitagnachmittag rechtfertigte. (Urteil vom 16.02.2021, 4 Ca 1688/20)

Fazit

Arbeitnehmer müssen nicht jede Änderung der Arbeitszeit akzeptieren, die ihnen ihr Arbeitgeber vorgibt.

  • Änderungen der Arbeitszeit durch den Arbeitgeber sind möglich. Es können jedoch Umstände entgegenstehen (Interessenabwägung).
  • Bestehende Rahmenbedingungen und gesetzliche Regelungen müssen berücksichtigt werden.


Ähnlich sieht es auch aus, wenn ein bestehender Dienstplan (kurzfristig) geändert werden soll. Die vom Arbeitgeber gewünschten Änderungen sind nicht ohne Weiteres möglich und zulässig.

SFW Baumeister & Partner – Nutzen Sie unsere kostenfreie Erstberatung!


Fachanwältin für Arbeitsrecht hilft


Rechtsanwältin Forster-Seher berät und vertritt bundesweit betroffene Arbeitnehmer. Profitieren Sie von diesen Erfahrungen.


Service SFW Baumeister & Partner


  • Fachanwalt Arbeitsrecht
  • Top-Bewertungen
  • Bundesweite Vertretung

Wir freuen uns auf Ihren Anruf!



Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwältin Jella Forster-Seher

Beiträge zum Thema