Das Coronavirus und das Arbeitsrecht – ein Überblick

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Teil 1: Kündigung von Arbeitnehmern 

Die Coronavirus-Pandemie und die vor diesem Hintergrund erlassenen behördlichen Maßnahmen beeinträchtigen das Wirtschaftsleben im erheblichen Maße. Aufgrund von unterbrochenen Lieferketten und Betriebsschließungen sind zahlreiche Unternehmen in eine wirtschaftliche Schieflage geraten. Vor diesem Hintergrund ist es nicht verwunderlich, dass die Zahl der Kündigungen seit den letzten Wochen stetig ansteigt. Es stellt sich für die betroffenen Arbeitnehmer daher die Frage, unter welchen Voraussetzungen eine wirksame Kündigung im Lichte der Corona-Krise möglich ist?

Primär festzuhalten ist bei all diesen Fragen: Die Corona-Krise sorgt nicht für die Aufhebung gesetzlicher Regelungen. Die Wirksamkeit von Kündigungen ist daher nach denselben rechtlichen Maßstäben wie vor der Krise zu beurteilen.

Kann ich grundlos oder allein durch den Verweis auf die bestehende Coronavirus-Pandemie gekündigt werden?

Hierbei ist zu unterscheiden, ob ein Beschäftigungsverhältnis dem Kündigungsschutzgesetz unterfällt oder nicht. Unterfällt das Beschäftigungsverhältnis den gesetzlichen Kündigungsschutzregelungen, so muss eine wirksame Kündigung sozialgerechtfertigt sein. Dies setzt insbesondere das Vorliegen eines zulässigen Kündigungsgrundes voraus. In Betracht kommen eine personenbedingte, eine verhaltensbedingte oder eine betriebsbedingte Kündigung. Liegt ein entsprechender Kündigungsgrund nicht vor, so ist die Kündigung sozial ungerechtfertigt und mithin unwirksam.

Greifen die gesetzlichen Regelungen des Kündigungsschutzes hingegen nicht ein, bedarf es keines speziellen Kündigungsgrundes, so dass allein die aktuelle wirtschaftliche Krisensituation als Anlass einer Kündigung unter Einhaltung der Kündigungsfristen herangezogen werden kann.

Unter welchen Voraussetzungen fällt mein Beschäftigungsverhältnis unter die Regelungen des Kündigungsschutzes?

Nicht unter das Kündigungsschutzgesetz fallen zum einen Beschäftigungsverhältnisse, die noch nicht länger als 6 Monate bestehen, zum anderen Beschäftigungsverhältnisse in Kleinbetrieben. Ein Kleinbetrieb liegt vor, wenn der Arbeitgeber nicht mehr als 10 Arbeitnehmer beschäftigt. Eins zu eins berücksichtigt werden hierbei Vollzeitbeschäftigte, Teilzeitbeschäftigte werden entsprechend ihrer Arbeitszeit anteilig berücksichtigt. In Kleinbetrieben ist dabei zu beachten, dass auch hier ein Mindestmaß an Kündigungsschutz gilt, so dürfen Kündigungen nicht treuwidrig oder missbräuchlich sein. Insbesondere dürfen sie nicht gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz verstoßen.

Kann ich aufgrund einer Erkrankung an dem Coronavirus oder der Anordnung eine Quarantäne personenbedingt gekündigt werden?

Eine personenbedingte Kündigung kommt insbesondere dann in Betracht, wenn der betroffene Arbeitnehmer aufgrund seiner persönlichen Fähigkeiten und Eigenschaften nicht in der der Lage ist, auch zukünftig eine vertragsgemäße Leistung zu erbringen. Sie bezieht sich auf Ursachen in der Person des Arbeitnehmers, die diesem nicht vorwerfbar sind, und unterscheidet sich hierin von der verhaltensbedingten Kündigung.

Ein Großteil der ausgesprochenen personenbedingten Kündigungen erfolgt aufgrund einer Erkrankung. Eine Erkrankung allein rechtfertigt jedoch noch keine Kündigung. Hinzutreten müssen zudem eine negative Gesundheitsprognose, eine erhebliche Beeinträchtigung betrieblicher Interessen und eine fehlende anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit.

Eine Erkrankung an dem Coronavirus hat bei einem normalen, ob leichten oder schweren Verlauf in der Regel jedoch keine negative Gesundheitsprognose, so dass nicht mit einem permanenten Ausfall zu rechnen ist. Die Erkrankung an sich genügt daher in der Regel nicht für eine personenbedingte Kündigung. Gleiches gilt für die Anordnung einer Quarantäne, welche ebenfalls einen dem Arbeitnehmer nicht vorwerfbaren Grund darstellt, weshalb dieser seine Arbeitsleistung nicht erbringen kann.

Kommt eine verhaltensbedingte Kündigung infolge der Corona-Pandemie in Betracht?

Anders als bei der personenbedingten hat die verhaltensbedingte Kündigung ihre Ursache in einem von dem Arbeitnehmer steuerbaren und diesem zurechenbaren Verhalten, welches zu einer konkreten Beeinträchtigung des Arbeitsverhältnisses führt. Voraussetzung der Kündigung ist, dass das betreffende Verhalten nicht gerechtfertigt werden kann. Eine Rechtfertigung kommt z. B. aus § 242 oder § 275 Abs. 3 BGB in Betracht. Ein Leistungsverweigerungsrecht, auf welches sich der Arbeitnehmer berufen kann, kommt dabei in Betracht, wenn eine Betreuung eines Kindes trotz aller zumutbaren Anstrengungen der Eltern nicht anderweitig gesichert werden kann. Hier überwiegt die Personensorgepflicht der Erziehungsberechtigten der Pflicht zur Arbeitsleistung. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass zwar eine Kündigung bei einer vorübergehenden Arbeitsverhinderung in der Regel ausscheidet, jedoch nur unter den Voraussetzungen des § 616 BGB ein Entgeltanspruch besteht. Dieser Anspruch kann jedoch arbeits- oder tarifvertraglich ausgeschlossen sein.

Eine bloße Angst vor einer Ansteckung mit dem Coronavirus genügt hingegen grundsätzlich nicht, ein Leistungsverweigerungsrecht zu begründen. Eine solche abstrakte Gefahr ist Teil des allgemeinen Lebensrisikos. Bleibt der Arbeitnehmer aufgrund dessen der Arbeit fern, so kann dies eine verhaltensbedingte Kündigung rechtfertigen. Anders kann die Kündigung zu beurteilen sein, wenn aufgrund konkreter tatsächlicher Anhaltspunkte von einer erhöhten Infektionsgefahr in dem Betrieb oder einem Betriebsteil auszugehen ist. Zu berücksichtigen sind in diesem Falle jedoch auch die Schutzpflichten, welche aus § 618 BGB herrühren. Zudem hat der Arbeitgeber nach dem Arbeitsschutzgesetz die Verpflichtung Gefahren für die Gesundheit und Sicherheit für seine Beschäftigten zu beurteilen und hieraus entsprechende Schutzmaßnahmen abzuleiten. So ist der Arbeitgeber verpflichtet, geeignete Schutzmaßnahmen, zu treffen, um das gesundheitliche Risiko zu minimieren und damit sichere Arbeitsplätze zur Verfügung zu stellen. Dies umfasst zum Beispiel die Einhaltung entsprechender Hygienevorgaben, und ausreichender Sicherheitsabstände. Auch die Ermöglichung von Homeoffice ist möglich, jedoch besteht hierauf – zumindest ohne Vorliegen einer entsprechenden Vereinbarung – grundsätzlich kein Recht. Hat der Arbeitgeber wirksame Schutzmaßnahmen getroffen, so scheidet ein Leistungsverweigerungsrecht des Arbeitnehmers aus. Bleibt der Arbeitnehmer dennoch von der Arbeit fern, kann dies zu einer verhaltensbedingten Kündigung führen. Sind die getroffenen Schutzmaßnahmen des Arbeitgebers jedoch nicht wirksam, so kann dem Arbeitnehmer ein Leistungsverweigerungsrecht zu stehen.   

Eine verhaltensbedingte Kündigung kann auch damit begründet werden, dass der Arbeitnehmer, obwohl er weiß, dass er mit dem Coronavirus infiziert ist, zur Arbeit erscheint und damit andere Mitarbeiter oder Kunden gefährdet.

Unter welchen Voraussetzungen kann ich infolge der Corona-Pandemie betriebsbedingt gekündigt werden?

Eine betriebsbedingte Kündigung liegt vor, wenn dringende betriebliche Erfordernisse einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers entgegenstehen. Voraussetzung ist, dass der Arbeitsplatz tatsächlich dauerhaft entfallen ist, eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers auf einem anderen Arbeitsplatz nicht möglich ist und unter vergleichbaren Arbeitnehmern, von denen nicht allen gekündigt werden soll, eine Sozialauswahl vorgenommen wurde. Der Arbeitgeber darf also nicht willkürlich irgendeinen Arbeitnehmer kündigen.

Auftragsrückgänge, Störungen der Lieferkette oder auch Betriebsschließungen können dringende betriebliche Erfordernisse darstellen, insofern diese zu einem Wegfall von einem oder mehreren Arbeitsplätzen führen. Bei der Beurteilung der betrieblichen Erfordernisse ist dabei einerseits zu berücksichtigen, dass die derzeitigen wirtschaftlichen Einschränkungen nur vorübergehender Natur sind und langfristig wieder entfallen. Andererseits muss die konkrete gesamtwirtschaftliche des betreffenden Unternehmens dahingehend berücksichtigt werden, ob das Unternehmen in der Lage ist, die derzeitige Krise zu überwinden. Bei solventen Unternehmen ist dabei davon auszugehen, dass sie diese Krise überstehen können.

Bevor der Arbeitgeber eine betriebsbedingte Kündigung aussprechen kann, muss er prüfen, ob ihm mildere Mittel zur Abfederung der betrieblichen Beeinträchtigungen zur Verfügung stehen. Die Einführung von Kurzarbeit kann aufgrund des Erfordernisses der Verhältnismäßigkeit bei lediglich vorübergehendem Arbeitsausfall als solch milderes Mittel einer betriebsbedingten Kündigung entgegenstehen. Kurzarbeit schließt jedoch dann eine betriebsbedingte Kündigung nicht aus, wenn ein Arbeitsplatz dauerhaft entfällt.

Fazit

Ob Ihr Beschäftigungsverhältnis nun dem Kündigungsschutz unterfällt oder nicht. Eine Kündigung sollten Sie nicht ungeprüft hinnehmen. Ein schnelles Handeln ist unabdingbar. So gilt auch unter den derzeitigen Einschränkungen des öffentlichen Lebens, dass ein langes Abwarten schädlich sein kann. Eine Kündigungsschutzklage muss innerhalb von drei Wochen beim Arbeitsgericht eingehen. Eine Ausnahme gilt nur dann, wenn der gekündigte Arbeitnehmer trotz Anwendung aller Sorgfalt, die ihm nach der Lage der Umstände zugemutet werden kann, verhindert war, die Klage fristgerecht einzureichen. In diesem Fall hat der betroffene Arbeitnehmer nach Wegfall des Verhinderungsgrundes zwei Wochen die Möglichkeit einen entsprechenden Antrag bei Gericht einzureichen.  

Für spezielle Fragen und Probleme in arbeitsrechtlicher Hinsicht stehe ich Ihnen gern zur Verfügung.


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