Das Einwurf-Einschreiben und der sog. Anscheinsbeweis

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Der Zugang eines Schreibens spielt bei fristgebundenen, empfangsbedürftigen Willenserklärungen eine wichtige Rolle. Oftmals ist vor allem der Zeitpunkt der Zustellung wesentlich. Fraglich ist auf welchem Wege die Zustellung solcher Schreiben einfach schnell, insbesondere jedoch rechtssicher erfolgen kann.

I. Verschiedene Zustellungsmöglichkeiten 

Eine normale Briefzustellung ist die unsicherste Zustellungsart. Bestreitet der Empfänger den Zugang, ist dem Absender kein Nachweis möglich. Eine persönliche Übergabe unter Zeugen ist im Gegenzug rechtssicherer, jedoch aufwendiger. Verhältnismäßig teuer ist die Zustellung durch den Gerichtsvollzieher. Und auch zeitlich gesehen ist dies nicht die optimalste Zustellungsmöglichkeit, da es durchaus zu Verzögerungen kommen kann. In fristgebundenen Angelegenheiten eignen sich auch das Übergabe-Einschreiben und das Einschreiben mit Rückschein eher weniger. Wird der Empfänger vom Zusteller nicht angetroffen, erhält dieser lediglich einen Benachrichtigungsschein, welcher noch keine Zustellung bewirkt. Zugegangen ist die Erklärung erst, wenn der Empfänger den Brief abholt. Ein Einwurf-Einschreiben eignet sich in diesen Fällen durchaus eher, denn auch wenn der Empfänger nicht angetroffen wird, wird der Brief in dessen Briefkasten geworfen. Eine unter Abwesenden abgegebene Willenserklärung ist zugegangen, wenn sie derart in den Machtbereich des Empfängers gelangt ist, dass dieser von dem Inhalt der Erklärung Kenntnis nehmen kann (vgl. BGH, Urteil vom 5. Dezember 2007 - XII ZR 148/05). Weil der Empfänger dazu verpflichtet ist, den Briefkasten zu den üblichen Zeiten zu leeren und die Post zu sichten geht die Erklärung somit zeitnah zu.

II.  Das Einwurf-Einschreiben

Der Einsender erhält nach Aufgabe des Einwurf-Einschreibens einen Einlieferungsbeleg. Dieser dient zunächst jedoch nur dem Nachweis des Absendens, jedoch nicht des Empfangens. Der Zusteller notiert beim Einwurf des Briefs in den Briefkasten des Empfängers den Zeitpunkt des Einwurfs und unterzeichnet einen Auslieferungsbeleg. Online oder telefonisch kann der Versender dann den Status der Sendung in Erfahrung bringen und gegen Gebühr eine Reproduktion des gescannten Auslieferungsbelegs anfordern.

III.  Beweischarakter von Einwurf-Einschreiben

Ist der Zugang einer Willenserklärung und dessen Zeitpunkt streitig, ist der Beweis durch denjenigen zu führen, der sich auf den Zugang beruft (BGH NJW 1995,665 [666]).

1. Anscheinsbeweis

Der Beweis des ersten Anscheins greift bei typischen Geschehensabläufen ein, also in Fällen, in denen ein bestimmter Tatbestand nach der Lebenserfahrung auf eine bestimmte Ursache für den Eintritt eines bestimmten Erfolges hinweist (BGH Urteil v. 10.04.2014 - VII ZR 254/13). Einig ist sich die Rechtsprechung dahingehend, dass der Einlieferungsbeleg keinen Nachweis für den Zugang, oder gar dessen Zeitpunkt darstellt. Nicht ausreichend ist zudem nur die Vorlage der elektronischen Sendungsverfolgung.  Aus dieser wird weder die für den Einlieferungsbeleg relevante Unterschrift des Zustellers, noch dessen Name ersichtlich  Fraglich ist allerdings wie es sich mit dem Nachweis des Zugangs hinsichtlich der Vorlage des Einlieferungsbelegs zusammen mit der Reproduktion des Auslieferungsbelegs verhält. So hat der BGH in seinem Urteil vom 27.09.2016 – II ZR 299/15 entschieden, dass die Vorlage dieser beiden Belege die Einhaltung des vorgeschriebenen Verfahrens nachweisen und somit als Anscheinsbeweis für den Zugang der Erklärung beim Empfänger dienen.

2. Glaubhaftmachung des Einwurfs durch den Zusteller

Eine Glaubhaftmachung des Zugangs des Schreibens zur richtigen Zeit durch den Zusteller wurde durchaus schon in der Rechtsprechung zugelassen. Da jedoch meist mehrere Monate zwischen dem Tag des Einwurfs und der Beweisaufnahme und somit der Vernehmung des Postboten vergehen, ist dieser meist nicht mehr mit den Tatsachen des einzelnen streitgegenständlichen Briefs vertraut, sondern skizziert dahingehend nur den typischen Verlauf des Einwurfs eines solchen Briefes. Eine Benennung eines solchen Zustellers ist demnach nicht irrelevant, jedoch nicht unbedingt zielführend.

IV.  Fälle aus der Rechtsprechung:

  1. BGH, Urt. v. 27.09.2016 - II ZR 299/15: Für den Absender streitet daher beim Einwurf-Einschreiben nach Vorlage des Einlieferungsbelegs zusammen mit der Reproduktion des Auslieferungsbelegs der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass die Sendung durch Einlegen in den Briefkasten bzw. das Postfach zugegangen ist, wenn das vorbeschriebene Verfahren eingehalten wurde
  2. LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 12. März 2019 – 2 Sa 139/18:  Die Ausführungen des Bundesgerichtshofs zu dem Beweiswert eines ordentlich durchgeführten Zustellauftrags in Form des Einwurf-Einschreibens sind jedoch so allgemein gehalten, dass sie auch auf den vorliegenden Fall angewendet werden müssen.
  3. LAG Baden-Württemberg, Urt. v. 17.9.2020 – 3 Sa 38/1:  Der Sendungsstatus eines Einwurf-Einschreibens ist vom Auslieferungsbeleg zu unterscheiden. Aus dem Sendungsstatus geht nicht der Name des Zustellers hervor und er beinhaltet auch keine technische Reproduktion einer Unterschrift des Zustellers. Die Aussagekraft des Sendungsstatus reicht nicht aus, um auf ihn den Anscheinsbeweis des Zugangs der Postsendung zu gründen. 


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Ihr Rechtsanwalt

Filip Wawryk

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