Der Arzt in Insolvenz: Pfändfreies Einkommen, Ausgaben, Auskunftsfpflichten, Wohlverhaltensphase

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Wenn ein/eine Arzt/Ärztin -nachfolgend aus Vereinfachungsgründen nur Arzt genannt- nicht mehr zahlungsfähig ist, kann er oder ein Gläubiger die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens beantragen.  Auch nach Einleitung oder Eröffnung eines Insolvenzverfahrens kann die Praxis fortgeführt werden.

Welches Einkommen des Arztes ist pfändungsfrei?

I. Phase des normalen Insolvenzverfahrens

1. Alle Einkünfte sind Masse

Einkünfte, die ein insolventer Arzt aus selbstständiger Tätigkeit nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens erzielt, stellen in vollem Umfang und ohne Abzug für beruflich bedingte Ausgaben Insolvenzmasse dar.

2. Pfändungsfreier Betrag muss beantragt werden

Der Arzt kann für seine nicht wiederkehrenden Einkünfte gemäß § 850i ZPO einen Antrag auf Belassung eines pfändungsfreien Betrages stellen. Das Gericht entscheidet dann durch Beschluss gemäß § 36 Abs.1 S.2 InsO.

3. Verstoß gegen Pflichten

Wenn der Arzt aus der Barkasse der Praxis Mittel ohne Zustimmung des  Insolvenzverwalters entnimmt, kann ihm die Restschuldbefreiung wegen Verstoßes gegen die Auskunfts- und Mitwirkungspflichten gemäß § 290 Abs.1 Nr.5 InsO versagt werden, vgl . Entscheidung des BGH im Fall einer Psychologin vom 20. 3. 2003 - IX ZB 388/02 und eine andere Entscheidung des BGH im Fall eines Arztes, vgl. Beschluss vom 19. 5. 2011 - IX ZB 94/09.

II. Wohlverhaltensphase

1. Zahlungen wie im Arbeitsverhältnis

Nach Abschluss des Insolvenzverfahrens folgt die sogenannte Wohlverhaltensphase. In dieser Phase hat der selbständig tätige Arzt die Insolvenzgläubiger gemäß § 295 II InsO durch Zahlungen an den Treuhänder so zu stellen, als ob er ein angemessenes Dienstverhältnis ausüben würde. Die Vorausabtretung pfändbarer Arbeitsbezüge greift beim selbständig Tätigen nicht.

2. Keine Gefährdung der Praxis

Welche Mittel vom Arzt an den Treuhänder abzuführen sind, hängt davon ab, dass der Bestand des Betriebs nicht gefährdet und notwendige Investitionen gesichert sind.

3. Keine Schlechterstellung

Gemäß § 295 II InsO muss der Arzt die Gläubiger im Ergebnis über die gesamte Dauer der Wohlverhaltensperiode nicht schlechter stellen, als wenn er ein Dienstverhältnis eingegangen wäre.

4. Vergleichsmaßstab

Vergleichsmaßstab ist, was der Arzt unter Berücksichtigung seiner Ausbildung und seiner Vortätigkeiten in abhängigen Beschäftigungsverhältnis an Arbeitsentgelt hätte verdienen können - sei es auch als angestellter Geschäftsführer unter Berücksichtigung  des Geschäftsergebnisses. Es widerspricht dem Zweck der Wohlverhaltensperiode, dass der Schuldner ein beträchtliches Vermögen anhäuft.

5. Zugriff von Neugläubigern

Neugläubigern ist der Zugriff auf das Schuldnervermögen während der Dauer der Wohlverhaltensperiode nicht verboten. Einkünfte des selbständig tätigen Arztes sind nicht vor dem Zugriff von Neugläubigern geschützt.


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