Der Patient als Schuldner: Forderungsmanagement nach den Regeln der ärztlichen Kunst

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I. Die Situation: Kunstfehler bei der Eintreibung offener Rechnungen

Eine offene Arztrechnung ist nichts anderes als jede andere offene Rechnung: sie muss beglichen werden, und wird sie nicht beglichen, ist sie einzutreiben. Genau wie jeder andere Unternehmer eine offene Rechnung verfolgt, sollte auch der Arzt verfahren. Das kostet jedoch oft Zeit und Geld, ist vielen Ärzten unangenehm, zudem muss die Beitreibung unter Berücksichtigung der Schweigepflicht erfolgen.

Grundsätzlich haben die Deutschen – im Vergleich etwa zu den Amerikanern – größere Hemmungen, ihre offenen Forderungen stringent zu verfolgen. Oft wird mit großzügigen Fristen gemahnt, auch in der Absicht, sich den Schuldner noch als zukünftigen (Behandlungs-) Vertragspartner zu erhalten. Meist realisiert sich aber eine solche Hoffnung gerade nicht. Im Gegenteil: Je länger man wartet, desto aufwändiger wird die Eintreibung.

Große Bedeutung haben heute Privatpatienten und ärztliche Leistungen, die außerhalb des kassenärztlichen Versorgungssystems erbracht werden. Die sind zwar lukrativ, die Forderungen sind dafür aber auch anfälliger. Dabei kommt der Rechnungsstellung selbst schon zentrale Bedeutung zu: Nach § 10 GOZ bzw. § 12 GOÄ wird eine Vergütung für ärztliche Leistungen fällig, wenn dem Zahlungspflichtigen eine Rechnung erteilt wurde, die den Vorgaben der GOÄ/GOZ entspricht. Dann muss der Arzt sich plötzlich mit Fragen beschäftigen:

  • Wie stelle ich die Rechnung so, dass diese gesetzlichen Vorgaben entspricht?
  • Was muss ich im Umgang mit Patientendaten wissen?
  • Wo endet der berechtigte Anspruch auf Honorar und wo beginnt die Schweigepflicht?
  • Wie mahne ich richtig? Wie mache ich mit der richtigen Formulierung in der Rechnung eine Mahnung entbehrlich?
  • Darf ich einen Rechtsanwalt einschalten? Was, wenn der säumige Patient wiederkommt und weiterbehandelt werden möchte?

Natürlich hält nicht jeder Patient die Honorarzahlung böswillig zurück, nutzt das von der Krankenkasse schon erhaltene Geld für andere Zwecke und wartet strategisch kaufmännisch die erste Mahnung des Arztes ab. Aus der Erfahrung lässt sich jedoch ableiten, dass ein bestimmendes Vorgehen effektiver ist, als die stiefmütterliche Behandlung der offenen Rechnung. Viele Arztpraxen sind auf den Forderungseinzug sachlich und personell nicht eingerichtet. Aber: je schneller die Rechnung gestellt wird, desto höher die Zahlungswahrscheinlichkeit. Je mehr Zeit zwischen Behandlungsende und Rechnungsstellung vergeht, umso weniger kann sich der Patient an Details erinnern und die Rechnung nachprüfen – umso schneller wachsen Zweifel an einer korrekten Rechnungsstellung.

Bei der Verfolgung der Honoraransprüche treten immer wieder Hürden auf, die mit einem guten Forderungsmanagement vermieden werden können. Anzusetzen ist beim Ablauf in der eigenen Praxis, denn diesen Ablauf kann der Arzt selbst beeinflussen. Zu denken ist zum Beispiel an die umfassende Aufnahme aller relevanten Daten (insbesondere bei minderjährigen Patienten), Anschriftenkontrolle, Festnetz- und Mobilnummer, und anschließend zeitnaher Rechnungsstellung nach erbrachter Leistung. Dies mag banal klingen, tatsächlich ergeben sich aber schon in diesen Punkte Schwierigkeiten. In der Praxis sollte ein routinierter Umgang mit dem Mahnwesen erreicht werden. Wichtig ist dabei, dass stringent agiert wird. Wollen Sie sich nicht mit dem Verfahren nach zwei erfolglosen Mahnungen beschäftigen, vereinbaren Sie eine kostensensible Verfahrensweise mit einem Anwalt, indem Sie ein ausführliches Vorgespräch führen und Vorgehen sowie Kosten vereinbaren. Ein versierter Anwalt wird Ihnen Lösungsmöglichkeiten aufzeigen, bei denen Sie nicht „schlechtem Geld gutes hinterherwerfen“.

Beachtenswert ist beim Forderungseinzug neuerdings auch die Bewertungsmöglichkeit im Internet: anonyme Patientenbeschwerden, die unreflektiert von „schlechter Behandlung“ über „keine Zeit für Kassenpatienten“ bis hin zu „Geldschneiderei“ reichen. Auch bei dieser möglichen psychologischen Hürde gilt es, ihr frühzeitig und effektiv zu begegnen. Lesen Sie hierzu unseren Beitrag bei ZWP Online: Stressfreies Marketing mit Arztbewertungen bei Jameda & Co.

II. Der Umgang: Wie bearbeitet man eine ärztliche Honorarforderung?

Auch wenn der Arzt die Rechnung zeitnah stellt, kommt die Zahlung meist nicht sofort. So kann es sein, dass der Patient auf Anraten seiner Krankenkasse die Rechnung dort zuerst inhaltlich nach den üblichen Verdächtigen überprüfen lässt: Sind die Höhen der Faktoren berechtigt? Wurden tatsächlich alle Leistungen erbracht? Die Prüfung der Kasse kann dauern. Schon aus diesem Grund sollte eine erste Mahnung nicht später als drei Wochen nach Versand der Rechnung geschrieben werden. Höflich, freundlich und bestimmt.

  • Setzen Sie eine Zahlungsfrist, nicht länger als 10 Tage. Die Frist ist wichtig – so wird der Schuldner in Verzug gesetzt und muss von nun an alle weiteren Kosten tragen, die Sie mit der Forderungseintreibung haben.
  • Rufen Sie den Schuldner an. Oft lassen sich im Telefonat Tendenzen erkennen, die Ihr weiteres Vorgehen bestimmen und Zeit einsparen können. Vereinbaren Sie einen Zahlungstermin.
  • Prüfen Sie regelmäßig, z. B. alle 5 Wochen, die Außenstände und lassen die „schwierigen Fälle“ von Ihrem Anwalt bearbeiten, mit dem Sie eine vernünftige Vereinbarung getroffen haben und der weiß, wen er in Ihrer Praxis bei Fragen anrufen kann und wann. Eine gute Zusammenarbeit führt regelmäßig dazu, dass Ihre zuständige Angestellte immer routinierter handelt und sich Automatismen entwickeln, die sachlichen und personellen Aufwand einsparen.

Sicherlich gibt es immer wieder Ausnahmen, aber grundsätzlich sollte der Umgang mit Ihren offenen Forderungen einem Schema folgen, nämlich dem Schema „F“ – „F“ für „Forderungen“.

Ihr Anwalt wird in der Regel den Schuldner anschreiben, eine kurze Frist setzen und anschließend die Forderung einklagen, vorzugsweise mit Mahnbescheid. Häufig endet das Verfahren dann mit dem anschließend zu beantragenden Vollstreckungsbescheid, der einen Titel darstellt. Der Anwalt wird die Forderung dann einziehen, ggf. Zwangsvollstreckungsmaßnahmen einleiten und eingezogene Gelder an Sie weiterleiten. Anfallende Kosten muss der Schuldner übernehmen.

III. Die Kunst der Auswahl des richtigen Anwaltes

Wenn der Arzt sich beim Forderungseinzug Unterstützung durch einen Anwalt holen möchte, sollte er einen Anwalt auswählen, der unternehmerisch denkt und Unternehmer berät. Für diese Auswahl sollte man sich Zeit nehmen: Führen Sie ein Gespräch und sprechen den gewünschten Ablauf durch. Die in Ihrer Praxis zuständige Mitarbeiterin sollte bei diesem Gespräch auf jeden Fall anwesend sein, schließlich betrauen Sie sie mit einer hohen Verantwortung.

Wichtige Urteile

  • Einer gründlichen Überprüfung der in Rechnung durch den Krankenversicher noch vor Begleichung des Rechnungsbetrages stehe nichts im Wege und rücke den Arzt auch nicht in ein schlechtes Licht (Urteil des LG München vom 19. Februar 2002, 6 O 17 192/01).
  • Eine Vergütungsvereinbarung mit einem Kassenpatienten soll nach Auffassung des Amtsgerichts München nur dann wirksam sein, wenn der Kassenpatient ausdrücklich vorab erklärt hat, dass er auf eigene Kosten behandelt werden will und eine entsprechende Honorarvereinbarung mit dem behandelnden Arzt schließt (Urteil vom 28.04.2011, 163 C 34297/09).
  • Laut BGH soll der Arzt seinen Honoraranspruch verlieren, wenn das vertragswidrige Verhalten des Arztes schwerwiegend ist und die bisher erbrachten Leistungen für den Patienten nicht von Interesse sind, weil er sie nicht verwerten kann (konkreter Fall: Es ging um Zahnersatz, der so mangelhaft angefertigt worden war, dass dem nachbehandelnden Zahnarzt nichts anderes übrig blieb, als einen vollkommen neuen Zahnersatz anzufertigen (Urteil vom 29.03.2011, VI ZR 133/10)).
  • Die Fälligkeit des ärztlichen Honoraranspruches tritt erst durch die Rechnungsstellung ein (Urteil des LG Frankfurt am Main vom 12.02.1997, NJW-RR 1997, S. 1080).
  • Laut Beschluss des OLG Nürnberg kann ein Honoraranspruch verwirkt sein, wenn der Arzt es versäumt hat, die Rechnung in angemessener Frist zu stellen. Als maßgeblich hierfür sieht es das OLG an, dass seit dem Zeitpunkt, in dem die Behandlung hätte in Rechnung gestellt werden können, die regelmäßige Verjährungsfrist bereits abgelaufen ist (Urteil vom 09.01.2008, 5 W 2508/07).
  • Die Entschließungsfreiheit eines zahnärztlichen Patienten ist unzumutbar beeinträchtigt, wenn ihm nach zweistündiger Behandlung in einer Behandlungspause Vergütungsvereinbarungen über sogenannte Verlangensleistungen in einem Gesamtumfang von knapp 40.000 EUR zur Unterschrift vorgelegt werden und der Zahnarzt unmittelbar nach der Unterzeichnung noch am selben Tage mit der kostenverursachenden Behandlung beginnt. Eine so zustande gekommene Vergütungsvereinbarung genügt nicht § 2 Abs. 2 und 3 GOZ und ist deshalb unwirksam (OLG Celle 11.9.08, 11 U 88/08, Abruf-Nr. 083253).

Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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