Die 10 wichtigsten arbeitsrechtlichen Fragen und Antworten zu Corona, 2. Teil

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6. Ist der Lohn weiter zu zahlen, wenn der Betrieb von der zuständigen Behörde unter Quarantäne gestellt oder zur Schließung aufgefordert wurde?

Grundsätzlich tragen die Arbeitgeber auch bei den unerwarteten und von ihnen unverschuldeten Betriebsstörungen, zu denen auch die extern angeordnete Schließung des Betriebes gehört, das Risiko und damit auch die Lohnkosten (§ 615 BGB).

Das Infektionsschutzgesetz regelt bisher nur für individuelle Arbeitnehmer einen Anspruch gegenüber der zuständigen Behörde auf so genannte Verdienstausfallentschädigung. Dieser gilt für jene Arbeitnehmer, die als „Ausscheider, Ansteckungsverdächtiger, Krankheitsverdächtiger oder als sonstiger Träger von Krankheitserregern“ von der Behörde mit einem beruflichen Tätigkeitsverbot belegt wurden, (§ 56 IfSG). 

Die Entschädigung in Höhe des Verdienstausfalls (in den ersten sechs Wochen) wird vom Arbeitgeber ausgezahlt, § 56 Abs.5 IfSG. Der Arbeitgeber hat gegen die Behörde dann einen Erstattungsanspruch hinsichtlich des gezahlten Verdienstausfalls. Damit aber Beschäftigte möglichst lückenlos ihr Geld erhalten, ist der Arbeitgeber insoweit verpflichtet, mit der Entschädigungszahlung in Vorleistung zu gehen – allerdings nur für die Dauer von höchstens sechs Wochen, danach zahlt die Behörde die Entschädigung direkt an die Beschäftigten aus.

Falls der Arbeitgeber nicht in Vorleistung geht, zum Beispiel, weil er sich weigert, können sich Beschäftigte mit ihrem Entschädigungsanspruch direkt an das Landesamt/die Landesbehörde wenden. Sollten Beschäftigte im Laufe der Quarantäne tatsächlich erkranken, erhalten sie Entgeltfortzahlung bei Krankheit und anschließend (nach 6 Wochen) Krankengeld von der Krankenkasse.

7. Was passiert, wenn der Arbeitnehmer unter Quarantäne gestellt wird, ohne bereits selbst erkrankt zu sein?

Personen, die unter amtlich angeordneter Quarantäne stehen oder dem sogenannten beruflichen Beschäftigungsverbot nach dem Infektionsschutzgesetz unterliegen, sind von ihrer Arbeitsverpflichtung befreit.

Grundsätzlich schuldet der Arbeitgeber seinen Beschäftigten weiterhin die Vergütung, wenn sie für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit durch einen in der eigenen Person liegenden Grund ohne eigenes Verschulden an der Dienstleistung gehindert ist (§ 616 S. 1 BGB). Die Rechtsprechung geht hier von einem Zeitraum bis zu sechs Wochen aus (BGH v. 30.11.1978, III ZR 43/77). Diese Lohnfortzahlungspflicht nach § 616 BGB des Arbeitgebers kann aber durch Tarifvertrag oder Arbeitsvertrag ausgeschlossen oder reduziert werden.

Zweifelhaft kann sein, ob der persönlicher Verhinderungsgrund auch dann greift, wenn der Grund für die Verhinderung eine Epidemie und damit ein außerhalb der persönlichen Sphäre der/des Arbeitnehmers/Arbeitnehmerin liegendes Ereignis ist, das mehrere Personen betrifft. Aber selbst, wenn bei der Anordnung der Quarantäne kein Anspruch auf Vergütungszahlung gegenüber dem Arbeitgeber bestehen sollte, greift aber der Entschädigungsanspruch gegenüber dem Staat nach § 56 Abs. 1 IfSG. Der Arbeitgeber tritt hier in Vorleistung, kann aber die Erstattung der Entschädigung bei der zuständigen Behörde beantragen. Zudem gilt auch hier: Beschäftigte, die selbst an Corona erkranken und dadurch arbeitsunfähig sind, erhalten nach den „normalen“ Regeln die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall (EFZG).

8. Kann der Arbeitnehmer im Falle der Schließung von Kindergarten oder Schule zur Betreuung seines Kindes einfach zu Hause bleiben? 

Angesichts der flächendeckenden Schließung von Kindertagesstätten und Schulen stehen Millionen von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in Deutschland vor einem akuten Betreuungsproblem.

Beschäftigte sind grundsätzlich verpflichtet, Anstrengungen zu unternehmen, um das Kind anderweitig betreuen zu lassen. Dies ist aber in der augenblicklichen Situation, aufgrund der Aufforderung seitens der Gesundheitsexperten und politisch Verantwortlichen, soziale Kontakte auf das Mindestmaß zu reduzieren und auf die Unterstützung etwa der Großeltern zu verzichten noch schwieriger, als es ohnehin oft der Fall ist. Hier sollten Sie schnellstmöglich ein Gespräch mit Ihrem Arbeitgeber suchen und gemeinsam überlegen, ob etwa Arbeit von zu Hause aus in Frage kommen kann.

Grundsätzlich haben Beschäftigte – jedenfalls bei kleineren Kindern – die aufgrund einer Kita- oder Schulschließung ihr Kind nicht anderweitig unterbringen können, die Möglichkeit, sich auf eine unverschuldete persönliche Verhinderung im Sinne von § 616 BGB zu berufen (persönliche Verhinderung wegen bestehender Sorgeverpflichtungen, § 1626 S. 1 BGB). Dies löst dann für einen kürzeren Zeitraum (einige Tage) einen Anspruch des Arbeitnehmers bzw. der Arbeitnehmerin auf bezahlte Freistellung aus. Zweifelhaft ist auch hier, ob man einen persönlichen Verhinderungsgrund bei einer behördlich angeordneten, flächendeckenden Schließung der Kitas und Schulen annehmen kann. Zudem kann diese Möglichkeit durch Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung oder Arbeitsvertrag ausgeschlossen werden.

Erkrankt das Kind, gelten die allgemeinen Regeln: Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben dann das Recht, entsprechend der einschlägigen sozialrechtlichen Regelungen eine Freistellung aufgrund der Erkrankung des Kindes in Anspruch zu nehmen. Gesetzlich vorgesehen sind insoweit bis zu zehn Tage pro Kind und Elternteil, bei Alleinerziehenden also 20 Tage (§ 45 SGB V).

9. Welche Vorsorgemaßnahmen müssen Arbeitgeber ergreifen, um die Belegschaft vor Corona zu schützen? 

Der Arbeitgeber hat gegenüber seinen Beschäftigten eine arbeitsvertragliche Schutz- und Fürsorgepflicht. Deshalb muss er dafür sorgen, dass Erkrankungsrisiken und Gesundheitsgefahren im Betrieb so gering wie möglich bleiben. Je nach Art des Betriebes – etwa in einem Betrieb mit viel Kundenkontakt – kann aus der Schutzpflicht zu einer konkreten Verpflichtung, zum Beispiel Desinfektionsmittel zur Verfügung zu stellen, folgen. Zudem sind Arbeitgeber verpflichtet, ihre Beschäftigten in Bezug auf die einzuhaltenden Hygienemaßnahmen und Schutzvorkehrungen zu unterweisen. Das bedeutet, dass den Beschäftigten erklärt werden muss, wie sie Ansteckungsrisiken minimieren. Sie können z. B. zum regelmäßigen Händewaschen angehalten werden.

Gibt es im Betrieb einen Betriebsrat oder Mitarbeitervertretung, sind solche Hygieneanweisungen seitens des Arbeitgebers, die in aller Regel Fragen der Ordnung des Betriebs und des Verhaltens der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen im Betrieb berühren, nach § 87 Nr.1 und Nr. 7 BetrVG und § 75 Abs. 3 Nr. 11 und 15 BPersVG mitbestimmungspflichtig. 

Der jeweiligen Interessenvertretung ist daher zu empfehlen, sehr schnell gemeinsam mit dem Arbeitsschutzausschuss nach § 11 Arbeitssicherheitsgesetz (ASiG) die Gefährdungslage im Betrieb zu beraten. Die gemeinsame Sitzung sollte dazu genutzt werden, um die Reihenfolge und Arbeitsteilung zu Gefährdungsbeurteilung, Unterweisung, Betriebsanweisung, genereller Information und möglichen Maßnahmen (persönliche Schutzausrüstungen) zügig in Gang zu setzen. Auch die Biostoffverordnung gibt Handlungsspielräume für die Interessenvertretungen.

10. Können Betriebsrats-Sitzungen, Gesamtbetriebsrats-, Konzernbetriebsrats- und Europäische Betriebsrats-Sitzungen während der Corona-Pandemie per Umlaufverfahren oder Videokonferenz durchgeführt werden?

Nach herrschender Meinung sind Umlaufverfahren bei Betriebsratssitzungen nicht zulässig, denn § 33 Abs. 1 Satz 1 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) verlangt die Anwesenheit der BR-Mitglieder. Anwesenheit im Sinne der Bestimmung meint die Anwesenheit an einem Ort. Eine fernmündliche Abstimmung ist ebenfalls nicht zulässig.

Wenn es nur um Vorbesprechungen oder Beratungen ohne Beschlussfassungen geht, können Videokonferenzen durchgeführt werden. Beschlussfassungen innerhalb von Videokonferenzen sind jedoch höchst problematisch und laufen Gefahr nichtig zu sein.

Deshalb sind alle Möglichkeiten für Präsenzsitzungen auszuschöpfen. Beachtenswert ist, dass (nur) die Anwesenheit der Hälfte der BR-Mitglieder für die Beschlussfähigkeit ausreichend ist. Wenn also wenigstens so viele vor Ort zusammenfinden können (z. B. aus einem Standort), dann könnte man noch eine Beschlussfähigkeit gewährleisten. Ggf. können Themen auch vorher per TelKo vorbesprochen werden. Sind weniger BR-Mitglieder anwesend, droht bei einem Umlaufverfahren die Nichtigkeit von Beschlüssen.

Daneben ist es auch möglich, befristet einem Ausschuss, z. B. dem Personalausschuss (Ausschuss nach § 28 Abs. 1 BetrVG), wenn es den gibt, die selbständige Erledigung zu ermöglichen (§ 28 Abs. 1 Satz 3 BetrVG). Dann würden zumindest Versetzungen, Kündigung durch den Betriebsrat bearbeitet werden können. Das geht nur in Betrieben mit mehr als 200 Arbeitnehmern und wenn ein Betriebsausschuss gebildet ist. Es können auch neue Ausschüsse gebildet werden.


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