Die Bekämpfung der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie im Vereinsrecht

  • 9 Minuten Lesezeit
  1. Das Gesetz über Maßnahmen im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins-, Stiftungs- und Wohnungseigentumsrecht zur Bekämpfung der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie ( BGBl 2020, Teil I. S. 570 ff.)

Der Bundestag hat am 27.3.2020 weitreichende Rechtsänderungen in  Zivilrecht, Insolvenzrecht und Strafverfahrensrecht beschlossen, mit denen er eine Abmilderung  der Folgen der COVID- 19- Pandemie erreichen will (https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2020/kw13-de-corona-recht-688962).

Das Gesetz ist am 27.3.2020 im Bundesgesetzblatt II, S. 569 ff. veröffentlicht worden ( https://www.bgbl.de/xaver/bgbl/start.xav?startbk=Bundesanzeiger_BGBl&start=//*[@attr_id=%27bgbl120s0569.pdf%27]#__bgbl__%2F%2F*%5B%40attr_id%3D%27bgbl120s0569.pdf%27%5D__1586256174372)

Für Vereine bedeutsam ist neben der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht nach § 42 II BGB ( Art.1, §§ 1,2)   Art.  2 § 5 des v.g.. Gesetzes.

  1. Die Regelungen des  Art. 2 § 5 Vereine und Stiftungen

Die Bestimmung lautet wie folgt :

§5  Vereine und Stiftungen

  1. Ein Vorstandsmitglied eines Vereins oder einer Stiftung bleibt auch nach Ablauf seiner Amtszeit bis zu seiner Abberufung oder bis zur Bestellung seines Nachfolgers im Amt.
  2. Abweichend von § 32 Absatz 1 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs kann der Vorstand auch ohne Ermächtigung in der Satzung Vereinsmitgliedern ermöglichen,

1. an der Mitgliederversammlung ohne Anwesenheit am Versammlungsort teilzunehmen und Mitgliederrechte im Wege der elektronischen Kommunikation auszuüben oder

2. ohne Teilnahme an der Mitgliederversammlung ihre Stimmen vor der Durchführung der Mitgliederversammlung schriftlich abzugeben.

(3) Abweichend von § 32 Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ist ein Beschluss ohne Versammlung der Mitglieder gültig, wenn alle Mitglieder beteiligt wurden, bis zu dem vom Verein gesetzten Termin mindestens die Hälfte der Mitglieder ihre Stimmen in Textform ab-gegeben haben und der Beschluss mit der erforderlichen Mehrheit gefasst wurde.

Die Bestimmung des  Art. II § 5 tritt nach Art. 6 des v.g. Gesetzes nach der Verkündung in Kraft und mit Ablauf des 31.Dezember 2021 außer Kraft.

  1. Amtsdauer der Vorstandsmitglieder

Die Amtsdauer des Vorstandes ist im BGB nicht bestimmt. § 58 Nr. 2 BGB besagt lediglich, dass die Satzung eines Vereins eine Bestimmung enthalten soll über die Bildung des Vorstands.

Die Satzungsgestaltungen in der Vereinspraxis sind unterschiedlich.

Einige   Satzungen enthalten eine  klare Bestimmung über die Amtszeit des Vorstandes wie:

  • „ Der Vorstand wird für zwei Jahre gewählt.“
  • „ Die Amtsdauer des Vorstandes beträgt drei Jahre

Es gibt auch Satzungen, die keine zeitliche Regelung enthalten,

In vielen Satzungen findet sich auch eine Klausel über die automatische Verlängerung der Amtszeit des Vorstandes ( Übergangsklausel)  wie:

„ Der Vorstand bleibt solange im Amt, bis ein neuer Vorstand gewählt wird.“

Schlussendlich obliegt es der Mitgliederversammlung ( § 32 BGB) in der Satzung eine klare Regelung vorzunehmen.

Die COVID-19- Pandemie führt zu Kontaktbeschränkungen. Social Distancing ist für den Zeitraum der Krise eine der wichtigsten Instrumente zur Bekämpfung des COVID-19- Virus (https://www.tagesspiegel.de/wirtschaft/corona-und-gruppengefuehl-social-life-trotz-social-distancing/25708424.html)

Ohne Social Distancing wird es nach Ende der Krise auch kein Social Life wieder geben. Wir Alle sind gehalten soziale Kontakte auf das notwendige Minimum zu reduzieren.

Folglich sehen die Verordnungen zur Bekämpfung des Corona- Virus   Kontaktbeschränkungen zu Menschen außerhalb der Angehörigen des eigenen Hausstands vor.

Aufenthalte im öffentlichen Raum sind vielfach nur alleine, mit einer weiteren nicht im eigenen Haushalt lebenden Person oder im Kreise der Angehörigen des eigenen Hausstands gestattet.. Bei Begegnungen mit anderen Personen ist ein Mindestabstand von meist 1,5 m einzuhalten.

Das hat bereits zum vollständigen Einstellen des Vereinslebens in herkömmlicher – bekannter – Form geführt. Kein Sport, keine Musikveranstaltungen, kein Chorleben, keine Vorstandssitzungen, keine Clubabende, keine Mitgliederversammlungen. Das öffentliche Leben ist zum Erliegen gekommen .

Vereine aber müssen, wie staatliche und andere gesellschaftliche Institutionen handlungsfähig bleiben.

Art.2 § 5 II sieht daher vor, dass die amtierenden Vorstandsmitglieder von Vereinen auch nach Ablauf  ihrer Amtszeit im Amt bleiben, längstens bis zum 31.12.2021.

Die Ausnahmen sind:

  • die Abberufung des Vorstandsmitglieds (  die „Abwahl“ nach § 27 II BGB)
  • die Bestellung eines Nachfolgers im Amt-

Durch diese gesetzlich angeordnete Weiterführung der Amtsgeschäfte eines Vorstandsmitglieds bis längstens zum 31.12.2021 wird die Sicherung der Kontinuität der Führung der laufenden Geschäfte eines Vereins erreicht., ohne dass es in Zeiten von Kontaktbeschränkungen einer Mitgliederversammlung des Vereins zur Neubestellung des Vorstands bedarf.

Vereinen, die in ihrer Satzung keine „ Übergangsklausel“  haben, wird empfohlen in der Nach – COVID- 19 – Zeit einen Satzungsänderung wie folgt vorzunehmen:

Die Mitglieder des Vorstandes bleiben so lange im Amt, bis ein neuer Vorstand von der Mitgliederversammlung gewählt wird. Maßgebend ist die Eintragung des neu gewählten Vorstandes in das Vereinsregister.

  1. Willensbildung der Mitglieder in der COVID-19- Pandemie

Da in der COVID- 19 – Pandemie reale Mitgliederversammlungen mit in einem Raum  persönlich – körperlich – anwesenden Mitgliedern nicht stattfinden können, sah sich der Gesetzgeber genötigt, eine andere Form der Möglichkeit der

Willensbildung zur Regelung der Angelegenheiten des Vereins schaffen zu müssen.

§ 32 II BGB sieht zwar vor, dass die Gesamtheit der Mitglieder anstelle der Mitgliederversammlung ( § 32 I BGB) handeln kann im Rahmen einer schriftlichen Abstimmung. § 32 II BGB sieht aber nicht vor, dass ein solches Handeln mit einfacher Mehrheit möglich ist. § 32 II BGB verlangt die Zustimmung „aller“ Mitglieder, was gerade bei größeren Vereinen im Rahmen einer schriftlichen Abstimmung in der Praxis überhaupt nicht machbar ist.

Folglich hat der Gesetzgeber jetzt in Art. 2 § 5 III  in Abweichung der gesetzlichen Regelung des § 32 I 1 BGB Bestimmungen für die Zeit der COVID- 19- Pandemie geschaffen, kraft dessen eine  Abstimmung vereinfacht möglich ist

  • mittels elektronischer Kommunikation ( Art. 2, § 5 II Nr. 1),
  • mittels schriftlicher Abstimmung ( schriftliche Abstimmung, Briefwahl),

Nach Art. 2 § 5 II Nr. 1 kann es den Mitgliedern ermöglicht werden an der Mitgliederversammlung ohne Anwesenheit am Versammlungsort teilzunehmen und Mitgliederrechte im Wege der elektronischen Kommunikation zu ermöglichen.

Eine „Online- Mitgliederversammlung unter Abwesenden“  ist somit in Zeiten der COVID- 19- Pandemie grundsätzlich möglich.

Der Vorstand nach § 26 BGB hat hierfür die erforderlichen satzungsgemäßen, rechtlichen und technischen Voraussetzungen zu schaffen, die da sein können

  • Telefonkonferenz
  • Internet – (Online-)Versammlung
  • Videoversammlung

Das ist grundsätzlich nichts Neues.

Das Oberlandesgericht Hamm hatte sich mit dem Thema der rechtlichen Zulässigkeit einer Online- Versammlung bereits im Jahre 2011 befassen müssen und mit Beschluss vom 27.09.2011 zu Az.: I-27 W 106/11 die Zulässigkeit einer Online- Mitgliederversammlungsklausel  in der Satzung eines Vereins bejaht (https://openjur.de/u/268245.html)

Es ist zu empfehlen bei der nächsten Satzungsnovelle in der Nach- COVID- 19 Zeit einmal über eine solche Klausel nachzudenken:

  1. Der Vorstand lädt, unter Angabe der vorläufigen Tagesordnung, mit einer Frist von vier Wochen zu Mitgliederversammlung per Email an die letzte vom Mitglied dem Vorstand mitgeteilte Email-Adresse bzw. auf ausdrücklichen Wunsch des Mitglieds, das über keinen eigenen Internetzugang verfügt, per einfachem Brief postalisch. Für die ordnungsgemäße Einladung genügt jeweils die Absendung der Email bzw. des Briefes. Die Mitglieder können binnen zwei Wochen die Aufnahme weiterer Punkte beantragen; in eiligen Fällen kann der Vorstand eine Tagesordnung festsetzen, ohne Gelegenheit zur Aufnahme weiterer Punkte zu geben. Verspätet eingegangene Anträge finden keine Berücksichtigung. Der Vorstand kann hiervon Ausnahmen machen, wenn die Verspätung genügend entschuldigt wird oder andere Gründe, insbesondere die Verfahrensökonomie die Aufnahme des Punkts rechtfertigen. Der Vorstand entscheidet nach billigem Ermessen.
  2. Die Mitgliederversammlung erfolgt entweder real oder virtuell (Onlineverfahren) in einem nur für Mitglieder mit ihren Legitimationsdaten und einem gesonderten Zugangswort zugänglichen Chat-Raum.
  3. Im Onlineverfahren wird das jeweils nur für die aktuelle Versammlung gültige Zugangswort mit einer gesonderten Email unmittelbar vor der Versammlung, maximal 3 Stunden davor, bekannt gegeben. Ausreichend ist dabei die ordnungsgemäße Absendung der Email an die letzte dem Vorstand bekannt gegeben Email-Adresse des jeweiligen Mitglieds. Mitglieder, die über keine Email-Adresse verfügen, erhalten das Zugangswort per Post an die letzte dem Vorstand bekannt gegebene Adresse. Ausreichend ist die ordnungsgemäße Absendung des Briefes zwei Tage vor der Mitgliederversammlung. Sämtliche Mitglieder sind verpflichtet, ihre Legitimationsdaten und das Zugangswort keinem Dritten zugänglich zu machen und unter strengem Verschluss zu halten
  4. .Vorstandsversammlungen und Versammlungen der ordentlichen Mitglieder können ebenfalls online oder in Schriftform erfolgen.

Auf jeden Fall müssen alle Mitglieder rechtzeitig die  Zugangsmöglichkeiten ( Name der Konferenz, Einwahldaten, Passwort) zu den  gewählten Kommunikationsmitteln haben.

Dies auch vor dem Hintergrund der Tatsache, dass es  zwischenzeitlich bereits auf dem Markt  auch entsprechende Angebote von Dienstleistern gibt für digitale Events, Versammlungen und Events im Netz ( Vgl. u.a. statt vieler: www.conventex.com)

In Art. 2 § 5 II Nr.2 des v.g. Gesetzes hat der Gesetzgeber dien Vereinsmitgliedern die Möglichkeit der Teilnahme an der Mitgliederversammlung ohne physische- körperliche- Teilnahme ermöglicht in der Form der schriftlichen Abgabe der Stimme vor der Durchführung der Mitgliederversammlung.

Schriftliche Abstimmungen und schriftliche Wahlen sind daher  vorerst bis 31.12.2021 möglich.

Voraussetzung dafür ist eine sehr gute Vorbereitung der Mitgliederversammlung durch den Vorstand.

Der Vorstand muss die entsprechenden Beschlüsse in schriftlichen Vorlagen mit  einem auch tatsächlich ausführbaren Beschlusstext und der entsprechen klaren und verständliche Begründung sehr gut vorbereiten. Auf eine leichte und verständliche Sprache , die die Mitglieder verstehen, ist zu achten.

  1. Gültigkeit von Beschlüssen ohne Versammlung

Art. 2 § 5 Abs. 3 des v.g. Gesetzes enthält schlussendlich eine Abweichung von der gesetzlichen Regel des § 32 II BGB ( einstimmiger Beschluss der Gesamtheit der Mitglieder) bei einem Beschluss ohne Versammlung der Mitglieder.

Voraussetzungen dafür ist, dass alle Mitglieder beteiligt werden und bis zu dem vom Verein (Vorstand) gesetzten Termin mindestens die Hälfet der Mitglieder ihre Stimmen in Textform abgegeben haben und der Beschluss mit der erforderlichen Mehrheit gefasst wurde.

Art. 2 § 5 III des v.g. Gesetzes spricht von „ ihren Stimmen“.

Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ( BGH 2. Zivilsenat  25. Januar 1982 II ZR 164/81) dürften das „ nur“ die abgegebenen JA- und NEIN- Stimmen sein.

Stimmenthaltungen der Mitglieder zählen daher bei der Feststellung der Anzahl der abgegebenen gültigen Stimmen bei der Berechnung nicht.

Der Begriff Textform ergibt sich aus § 126 b BGB.

Die Bestimmung lautet wie folgt;

§ 126b  BGB Textform

Ist durch Gesetz Textform vorgeschrieben, so muss eine lesbare Erklärung, in der die Person des Erklärenden genannt ist, auf einem dauerhaften Datenträger abgegeben werden. Ein dauerhafter Datenträger ist jedes Medium, das

1.   es dem Empfänger ermöglicht, eine auf dem Datenträger befindliche, an ihn persönlich gerichtete Erklärung so aufzubewahren oder zu speichern, dass sie ihm während eines für ihren Zweck angemessenen Zeitraums zugänglich ist, und

2.   geeignet ist, die Erklärung unverändert wiederzugeben.

In Betracht kommen in der Regel e-mail und Fax.

  1. Anwendung des Art. 2 § 5  auf  Beschlussfassungen im Vorstand

Art. 2 § 5 des v.g. Gesetzes enthält keine Aussage darüber, ob die Bestimmung auch für die Beschlussfassungen Anwendung finden können ?

Denkbar  wäre hier eine analoge Anwendung  der Bestimmung für Beschlussfassungen im Vorstand.

Die Analogie hat folgende Voraussetzungen:

  • Regelungslücke,
  • Planwidrigkeit der Regelungslücke,
  • Vergleichbarkeit der Interessenlage.

Aus den Gesetzesmaterialien ist hierzu nichts ersichtlich.

Die Frage muss aber aus meiner Sicht n i c h t  beantwortet werden, da der Vorstand ohnehin im  Rahmen der Regelung seiner inneren Organisation im Wege einer Geschäftsordnung sich auf ein Umlaufverfahren, schriftliche Abstimmungen, Telefon- oder Videokonferenzen wird einigen können, wenn nicht die Satzung zwingend gegen eine solche individuelle Lösung steht.

Haben Sie Rückfragen ?

Bitte per Whats App oder über SMS an Malte Jörg Uffeln + 49 152- 2169 36 72 ofder via e-mail: mjuffeln@t-online.de

           

Kommen Sie gesund durch die Corona- Krise!

Ihr

Malte Jörg Uffeln

www.maltejoerguffeln.de


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Malte Jörg Uffeln

Beiträge zum Thema