Die Genehmigungsfiktion im Ausländerrecht

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Die Genehmigungsfiktion im Ausländerrecht?

Ausgangspunkt zur Beantwortung dieser Frage bildet die bundeseinheitlich, durch den Gesetzgeber erst 2008 eingeführte Norm[1] des § 42a Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG).

Hiernach wird ein beantragter begünstigter[2] Verwaltungsakt[3] (VA) durch Zeitablauf fingiert, d. h. der Antragsteller / die Antragstellerin wird so gestellt, als habe die Behörde seinen Antrag genehmigt.

Allerdings soll hiervon nur der formelle Bestand der behördlichen Genehmigung erfasst sein. Eine materielle Prüfung des „fingierten“ Verwaltungsaktes findet grundsätzlich nicht statt. Allerdings ist die Überprüfung des Verwaltungsaktes jederzeit durch die Behörde möglich. Die Überprüfung einer solchen Entscheidung (VA) geschieht im Allgemeinen durch die Verfahrensgesetze des jeweiligen Fachrechts. Zu denken ist hierbei insbesondere an die Verfahrensgesetze:

Verwaltungsverfahrensgesetz (§§ 48, 49 VwVfG), die Abgabenordnung (§§ 130, 131 AO) oder Sozialgesetzbuch SGB XII (§ 116a SGB XII i.V.m. § 44 IV SGB X).

Fraglich ist, ob die Genehmigungsfiktion[4] des § 42a VwVfG auch im Ausländerrecht / Migrationsrecht gilt.

Problem ist nämlich, dass die Genehmigungsfiktion, nach der gesetzlichen Regelung in § 42a VwVfG, nach Ablauf einer Regelentscheidungsfrist von 3 Monaten[5] eintritt.

Wird nun vom Antragsteller (-in), seien es EU-Bürger oder Ausländer, unter Geltung des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) Anträge[6] u. a. auf Visa, Arbeitserlaubnis, Studium- / Sprachkurs oder Familien bzw.- Ehegattennachzug gestellt, so greift grundsätzlich die 3-monatige Entscheidungs- und Überlegungsfrist der [zuständigen] Behörde.

Allerdings ist § 42a II S.1 VwVfG zu beachten. Hiernach beträgt die Frist 3 Monate „soweit durch Rechtsvorschrift nichts Abweichendes bestimmt ist.“

Hieraus schlussfolgert Hesterberg[7], das die 3-monatige Frist nicht im Ausländerrecht gelte, da es eine Sonderbestimmung in § 81 IV AufenthG gäbe. In der Tat bestimmt § 81 IV AufenthG, dass ein Aufenthaltstitel fort gilt, wenn rechtzeitig ein Verlängerungsantrag gestellt werde. Hesterberg übersieht allerdings, möglicherweise der alten Rechtslage noch geschuldet, dass § 42a VwVfG erst die Antragstellung eines begünstigenden Verwaltungsaktes voraussetzt, hingegen § 81 IV AufenthG schon den Bestand eines positiven Aufenthaltstitels (begünstigender Verwaltungsakt) zugrunde legt. Folglich kann die Fiktion des § 81 IV AufenthG nicht als Ausschlusskriterium zur Fiktion und damit zur Geltung des § 42a VwVfG dienen.

Andere Rechtsvorschriften zur Frist sind im Aufenthaltsrecht / Ausländerrecht nicht erkennbar.

Rechtstheoretisch muss daher auch die Genehmigungsfiktion des § 42a VwVfG im Ausländerrecht gelten.

Anwaltliche Praxiserfahrungen zeigen – mangels Rechtsprechungsnachweise hierzu – dass häufig ein Verweis auf die Genehmigungsfiktion des § 42a VwVfG im Ausländerrecht reicht, um ein Handeln der Behörde zu erreichen.

Denn auch die Geltung der Untätigkeitsklage (§ 75 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO)) ist hier unbehelflich, da in einem solchen Fall nach 3-monatiger Nichtentscheidung der Behörde nur eine Klage zulässig ist. Nicht mehr und nicht weniger. Einen Bescheid (VA) hat der Antragsteller (-in) in einem solchen Fall aber immer noch nicht.

Dass die Genehmigungsfiktion auch für das Ausländerrecht insoweit gilt, lässt sich auch mit guten Gründen aus der Gesetzesbegründung[8] bei Einführung des § 42a VwVfG herleiten.

Denn andernfalls würde der Zweck der Novellierung „… das Fachrecht zu entlasten und eine Rechtszersplitterung durch umfangreiche Regelungen in einer Vielzahl von Fachgesetzes zu vermeiden“ nicht gerecht. Es drohe, so der Gesetzgeber, „… eine unnötige Zersplitterung des Verfahrensrechts“.

Auch wenn der Gesetzgeber einschränkend auf „deren Anwendung aber der gesonderten Anordnung durch Rechtsvorschrift bedarf“ verweist, hindert das nicht die Anwendung der Genehmigungsfiktion des § 42a VwVfG im Ausländerrecht.

Mit Rechtsvorschrift ist hier die Aufenthaltsverordnung (AufenthV) gemeint. Die AufenthV konkretisiert aber nicht den Anwendungsbereich des § 42a VwVfG, sodass es bei der 3-monatigen Frist verbleibt.

Resümee:

Die 3-monatige Überschreitung der Nichtverbescheidung eines Antrages durch die Behörde rechtfertigt grundsätzlich die Genehmigung.

Es ist daher tunlich Rechtsrat einzuholen, sei es vom Flüchtlingsrat der Länder oder vorzugsweise von mit Migrationsrecht bewanderten Personen (RAe, Sozialbetreuer, Mitarbeiter Flüchtlingsrat u. a.).

Anwaltskanzlei Petrowitz von Seyfried

Petrowitz

Rechtsanwalt

(05.01.2018)

[1]vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 07.10.2008 BT-Drucksache: 16/10493 zum Entwurf eines

Vierten Gesetzes zur Änderung verwaltungsverfahrensrechtlicher Vorschriften (4. VwVfÄndG)

[2]vgl. zur Abgrenzung Begünstigung/Nichtbegünstigung: VG Kassel Beschl. v. 14.11.2003 – 4 G 2593/03, für

den Fall einer Grenzübertrittsbescheinigung (zit. nach: openjur 2012, 24687);

[3]Legaldefinition unter § 35 S. 1 VwVfG;

[4]eine ähnliche Regelung findet sich auch in § 13 Abs.3a SGB V;

[5]vgl. Wolters Kluwer; www.anwalt24.de/Lexikon/Genehmigungsfiktion; Stand 05.01.2018;

[6]zur Antragspflicht: § 81 I AufenthG;

[7]vgl. RA Daniel Hesterberg, www.frag-einen-anwalt.de/forum; Stand 09.12.2012;

[8]BT-Drucksache: 16/10493 v. 07.10.2008


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