Die Umsetzung einer Photovoltaik-Freiflächenanlage (Solarpark)in Polen, Teil II

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Photovoltaik in Polen und Umweltverträglichkeitsbescheid

Wie im ersten Teil des Artikels bereits erwähnt, werden nun ausgewählte Fragen, verbunden mit dem Verfahren zur Ausstellung des Umweltverträglichkeitsbescheids, die in der Praxis Bedenken erwecken und letztlich den Verlauf dieses Verfahrens und die Entscheidung zur Ausstellung des Umweltverträglichkeitsbescheids beeinflussen können, dargestellt.

Praxisbeispiele

Eine künstliche Aufteilung des Vorhabens in mehrere kleineren Vorhaben

In der Praxis kommen solche Fälle vor, dass ein geplantes Vorhaben in mehrere kleinere aufgeteilt wird, um die Auflagen, die sich aus den Rechtsvorschriften betreffend den Umweltverträglichkeitsbescheid ergeben, zu vermeiden. Ein solches Handeln widerspricht den vorgenannten Vorschriften und wird im Laufe des Verfahrens vor der Behörde korrigiert. Es stellt sich daher die Frage, was über die Zulässigkeit der Aufteilung eines Vorhabens in zwei Vorhaben oder mehr entscheidet.

Die vorgenannte Frage war Gegenstand von Entscheidungen mehrerer Verwaltungsgerichte.

Beispielsweise ist es darauf hinzuweisen, dass das Woiwodschaftsverwaltungsgericht Warschau im Urteil vom 22. Juni 2017 (Aktenzeichen: IV SA/Wa 248/17) auf den Begriff „das Vorhaben“ Bezug nahm und demgemäß ist das Vorhaben ein Bauvorhaben oder ein anderer Eingriff in die Umwelt, welches auf Umgestaltung oder Änderung der Art von Geländenutzung beruht. Im Zusammenhang damit – nach Auffassung des Gerichtes – sollte die Auslegung des Begriffes „Vorhaben” im Rahmen der individuellen Umweltverträglichkeitsprüfung den Umfang des Bauvorgangs oder eines anderen Eingriffs in die Umwelt, aus welchen sich das konkrete Vorhaben zusammensetzt, berücksichtigen. Dies wiederum führt nach Auffassung des Gerichtes zu der Schlussfolgerung, dass: „In der Situation also, wenn das Vorhaben an sich verschiedene Arten der Eingriffe in die Umwelt beinhaltet (darunter solche, die der Prozedur zur Umweltbeeinträchtigung, geführt durch eine andere sachlich zuständige Behörde, unterstehen), ist es erforderlich, die gesamten geplanten Arbeiten als ein Vorhaben zu behandeln, welches der Prozedur der individuellen Prüfung unterworfen werden sollte. Es sind ja mögliche technologische Verbindungen mit Berücksichtigung des Präventionsgrundsatzes zu berücksichtigen. Die Auslegung des Begriffs „technologische Verbindungen” im Rahmen der Definition des Vorhabens muss vor allem seine Ziele, Funktionen und Aufgaben berücksichtigen. Ein enges Verständnis der technologischen Verbindung kann den Präventionsgrundsatz verletzen, denn die technologisch verbundenen Vorhaben können wegen ihrer Ziele die Steigerung der Umweltbeeinträchtigung verursachen.”

Das Woiwodschaftsverwaltungsgericht Stettin klärte wiederum in einem Urteil vom 25. August 2016 (Aktenzeichen: II SA/Sz 530/15) den Begriff der technologischen Verbindung. Nach Auffassung des Gerichtes „ist eine technologische Verbindung ein solcher Zusammenhang zwischen den Vorhaben, der zur Folge hat, dass sie gemeinsam ein organisiertes Ganzes in Form einer kohärenten Infrastruktur, gerichtet auf dasselbe wirtschaftliche Ziel, bilden”. Im weiteren Teil des Urteils wies das Gericht darauf hin, dass die Verbindung ebenfalls die Vorhaben derselben Art betrifft, wobei dieselbe Technologie eingesetzt wird, auch dann, wenn sie von verschiedenen Rechtsträgern geplant würden. Die Rechtsvorschriften wiederum sollen verhindern, dass ein Vorhaben in mehrere Vorhaben, die zu derselben Zeit umgesetzt werden, aufgeteilt werden, um die Prozedur der Umweltverträglichkeitsprüfung zu umgehen und die Pflicht zu vermeiden, die mit dieser Prozedur verbundene Dokumentation zu erstellen. Die Annahme einer abweichenden Auslegung der Rechtsvorschriften würde zu einer Situation führen, in welcher die Anwendung derselben Technologie im Rahmen von zwei und mehr gesondert behandelten Vorhaben, trotz Verursachung einer kumulierten Einwirkung auf die Umwelt auf einem Niveau, welches für Vorhaben, die immer als erheblich die Umwelt beeinträchtigend qualifiziert werden, sich für die Bauherren nicht mit der Pflicht verbinden würde, die Umwelt vor negativer Auswirkung zu schützen. Eine solche Auslegung würde mit der Pflicht der öffentlichen Gewalt nicht übereinstimmen, die Umwelt zu schützen, also mit der Vorschrift Art. 5 und Art. 74 Abs. 1 und 2 der Verfassung der Republik Polen. Demzufolge nahm das Gericht Stellung, nach welcher dann, wenn auf benachbarten Gebieten Vorhaben umgesetzt werden sollen, die hinsichtlich ihrer Art und damit der angewandten Technologie gleich sein sollen, es die Pflicht der Behörde ist, diese Vorhaben als ein einziges Vorhaben zu handhaben. Unter diesen Umständen kann die kumulierte Umweltbeeinträchtigung von den zur selben Zeit geplanten Vorhaben nicht dieselbe sein, wie im Falle jedes von diesen Vorhaben separat.

Am Rande ist es hinzuzufügen, dass die vorgenannten Klarstellungen auch in anderen Fällen, die mit der Umsetzung von Bauvorhaben verbunden sind, wie zum Beispiel Aufteilung von Bauvorhaben in Etappen oder auch Umsetzung von mehreren Bauvorhaben sogar auf dem gleichen Grundstück, entsprechende Anwendung finden.

Entscheidung zur Pflicht, die Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen

Wie bereits erwähnt, im Falle der Vorhaben, die potenziell erheblich die Umwelt beeinträchtigen können, stimmt sich die das Verfahren führende Behörde mit anderen Behörden ab und entscheidet über die Pflicht, eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen. Welche Stellung zu der vorgenannten Frage die mitwirkenden Behörden nehmen, ist für die Entscheidung der Behörde, welche das Verfahren führt, nicht immer ausschlaggebend. Es entsteht daher die Frage, ob die das Verfahren führende Behörde an die Stellungnahme der mitwirkenden Behörden gebunden ist.

Wie es aus einem Urteil des Woiwodschaftsverwaltungsgerichtes Danzig vom 8. Juli 2020 (Aktenzeichen: II SA/Gd 256/20) hervorgeht, haben die in der Angelegenheit ausgestellten, für den Bauherrn günstigen Gutachten (dass es nicht erforderlich ist, eine Umweltverträglichkeitsprüfung für das gegenständliche Vorhaben durchzuführen) keinen bindenden Charakter für die Behörde, welche den Beschluss zu der Pflicht erlässt, eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen. Deswegen ist auch die Behörde, welche einen solchen Beschluss erlässt, an die Ansichten, welche von mitwirkenden Behörden ausgesprochen wurden, nicht gebunden.

Womit soll sich also eine Behörde leiten lassen, wenn sie den Bauherrn verpflichtet, eine Umweltverträglichkeitsprüfung zu erstellen, oder wenn sie von der Pflicht absieht?

In der Antwort auf die vorgenannte Frage weist das Gericht darauf hin, dass die Behörde, welche das Verfahren zur Erteilung des Umweltverträglichkeitsbescheids führt, auf Prämissen, die sich aus Rechtsvorschriften ergeben, Bezug nehmen soll, also unter anderem soll sie die Art und die Eigentümlichkeit des Vorhabens, seine Lage mit der Berücksichtigung der möglichen Umweltgefährdung oder auch die Art, die Eigenschaften und das Ausmaß der möglichen Auswirkung berücksichtigen. Zugleich macht das Gericht darauf aufmerksam, dass sowohl im Falle der Akzeptanz der Stellungnahme von begutachtenden Behörden als auch bei ihrer Ablehnung, die ausstellende Behörde, wenn sie über die Pflicht entscheidet, eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen, darauf hinweisen soll, von welchen tatsächlichen Umständen sie sich in diesem Bereich leiten ließ sowie auf die vorgenannten gesetzlichen Prämissen Bezug nehmen.

Unabhängig vom Vorgenannten ist darauf hinzuweisen, dass die Analyse von Prämissen, in Anlehnung an, welche die Entscheidung der Behörde zu der Pflicht gefällt wird, eine Umweltverträglichkeitsprüfung zu erstellen, ausschließlich diese Prämissen umfassen soll, die das konkrete Vorhaben betreffen werden und nicht alle Prämissen, die sich aus Rechtsvorschriften ergeben. Diese Auffassung wurde unter anderem durch das Woiwodschaftsverwaltungsgericht Kielce im Urteil vom 25. Januar 2017 (Aktenzeichen: II SA/Ke 916/16) bestätigt. 

Wie aber hervorzuheben ist, muss die Auferlegung der Pflicht, eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen, immer einen durchdachten Charakter haben und es müssen sich Beweise befinden, die eine solche Notwendigkeit bestätigen. Im Falle, dass Bedenken zu der Beurteilung von Informationen im Informationsblatt des Vorhabens bestehen würden, wäre die Pflicht der Behörde, den Antragsteller aufzufordern, solche Bedenken zu beseitigen. Wären aber diese Bedenken nicht beseitigt, so wäre es nach dem Vorsichtsgrundsatz über die Notwendigkeit zu entscheiden, eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen. So das  Woiwodschaftsverwaltungsgericht Posen im Urteil vom 27. Januar 2016 (Aktenzeichen: IV SA/Po 496/15).

Im vorgenannten Ton lautet auch die Stellungnahme der Kommunalen Widerspruchsbehörde Breslau (siehe: Beschluss der SKO Breslau vom 10. Februar 2020, SKO 4136/3/20), nach welcher die Annahme nicht hinnehmbar ist, dass die Bebauung mit Photovoltaiksystemen (nebst begleitender Infrastruktur) die Umwelt grundsätzlich nicht beeinträchtige, sondern gar umweltfreundlich sei. Wäre es dem so, würden die Anlagen solcher Art nicht unter den Vorhaben genannt, die die Umwelt potenziell erheblich beeinträchtigen könnten. Im Falle, dass die Bebauung mit Photovoltaiksystemen die in Rechtsvorschriften genannten Werte überschreitet, wird sie – nach dem Willen des Gesetzgebers – ein Vorhaben, welches die Umwelt potenziell beeinträchtigen kann. Konsequent, wenn das Qualifizierungskriterium zu den Vorhaben, die potenziell die Umwelt beeinträchtigen können, in diesem Fall die Bebauungsfläche ist, so wie im Falle einer anderen industriellen Bebauung, je größer diese Fläche ist, umso genauer sind die Kriterien zu analysieren, welche die Pflicht bedingen, die Umweltverträglichkeitsprüfung zu erstellen, unter welchen auf „Platz eins” das Ausmaß des Vorhabens und die Größe des belegten Geländes genannt wurde.

Demzufolge gilt: wenn es sich im Laufe des Verfahrens zur Qualifizierung eines Vorhabens zur Umweltauswirkung herausstellt, dass die im Informationsblatt des Vorhabens enthaltenen „grundlegenden Informationen” nicht erlauben, seine Umweltbeeinträchtigung eindeutig zu bestimmen und die zuständige Behörde den Willen zum Ausdruck bringt, detaillierte Angaben zu erhalten, welche nur im Umweltverträglichkeitsbericht enthalten sein können, hat sie nicht nur das Recht, sondern die Pflicht, den Bedarf an Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung festzustellen und die Pflicht aufzuerlegen, einen Umweltverträglichkeitsbericht zu erstellen.

Zusammenfassend ist der Umweltverträglichkeitsbescheid einer der Akte, welche der Bauherr in vielen Fällen verpflichtet ist, zu besorgen, wenn er ein bestimmtes Bauvorhaben umsetzen will, darunter eine Photovoltaikanlage. In der Praxis können viele problematische Fragen im Zusammenhang mit der Einholung dieses Bescheids vorkommen, was gewöhnlich mit der Zeit und Kosten der Vorhabenumsetzung verbunden ist und schlimmstenfalls die Investitionspläne gänzlich vereiteln kann. Aus diesem Grunde ist es wichtig, das jeweilige Vorhaben richtig zu projektieren und so zu planen, dass es keine Bedenken im Sinne der Rechtsvorschriften, die in diesem Bereich gelten, erweckt sowie dass es den Erfordernissen, die sich aus ihnen ergeben, entspricht. Auch die richtige, vorschriftsmäßige Führung der Verfahren zur Ausstellung des Umweltverträglichkeitsbescheids durch die Behörden und das Treffen von richtigen Entscheidungen ist wichtig. Indessen, wie Beispiele aus dem Leben zeigen, gibt es viele Fehler. Nichtsdestoweniger erlauben Handlungen, die entsprechend und rechtzeitig auf dem Rechtsweg unternommen werden, in vielen Fällen diese Fehler zu beheben und das Ziel des Bauherrn, d.h. den Umweltverträglichkeitsbescheid, entsprechend für das geplante Bauvorhaben, zu erlangen.       

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Dieser Artikel berücksichtigt den Rechtsstand zum 22. Mai 2022 und hat ausschließlich informativen Charakter. Er stellt zudem keinen rechtlichen Ratschlag dar (insbesondere keinen Ratschlag, der einen Hinweis für ein Verfahren in der jeweiligen Angelegenheit sein könnte), und erschöpft nicht abschließend sämtliche Fragen, die mit der Führung von Verfahren betreffend die Ausstellung von Umweltverträglichkeitsbescheiden verbunden sind oder auch mit der Vornahme von Handlungen, die die Einholung von Umweltverträglichkeitsbescheiden bezwecken.


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