Haftung des Geschäftsführers einer GmbH nach polnischem Recht

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Die Haftung der Geschäftsführer für ihre Verpflichtungen ist eine dem polnischen Recht eigenen Institution, weil der Umfang dieser Haftung äußerst breit ist. Die Geschäftsführer haften sowohl für die Verbindlichkeiten gegenüber den Handelspartnern (Art. 299 Gesetzbuch über die Handelsgesellschaften), als auch für steuerliche Verbindlichkeiten (Art. 116 Abgabenordnung [polnisch: Ordynacja podatkowa], Beiträge für Sozial- und Krankenversicherung, Arbeitsfonds und Fonds für Garantierte Arbeitnehmerleistungen (Art. 31 Sozialversicherungssystemgesetz [polnisch:Ustawa o systemie ubezpieczeń społecznych). Die Rechtsprechung lässt auch zu, dass im Wege des Art. 299 GHG andere öffentlich-rechtliche Verbindlichkeiten, z.B. Zollforderungen, geltend gemacht werden. Diese Haftung hat persönlichen und gesamtschuldnerischen Charakter, daher haften alle Geschäftsführer der Gesellschaft für ihre Verbindlichkeiten mit deren eigenen Vermögen, und zwar unbeschränkt.

Im Folgenden stellen wir die grundlegende Vorschrift vor, welche die Frage der Haftung des Geschäftsführers im polnischen Recht regelt, d.h. Art. 299 GHG, als auch den Art. 21 Insolvenzordnung [polnisch: Prawo upadłościowe], der darauf hinweist, in welcher Frist und wann der Insolvenzantrag zu stellen ist, damit der Geschäftsführer sich wirksam von der besagten Haftung befreien kann. Die vorstehenden Grundsätze sind für den Geschäftsführer von Schlüsselbedeutung, damit die erforderliche Sorgfalt gegenüber den Gläubigern eingehalten werden und man sich somit von der Haftung befreien kann.

Persönliche und Vermögenshaftung für sämtliche Verbindlichkeiten ergibt sich aus Art. 299 GHG.

Nach dieser Vorschrift „§ 1. Erweist sich die Zwangsvollstreckung gegen die Gesellschaft als erfolglos, haften die Geschäftsführer gesamtschuldnerisch für deren Verbindlichkeiten.


§ 2. Ein Geschäftsführer kann von der in § 1 genannten Haftung befreit werden, wenn es nachweist, dass rechtzeitig der Antrag auf Bekanntmachung der Zahlungsunfähigkeit gestellt wurde oder das Vergleichsverfahren eingeleitet wurde, oder dass das Stellen des Antrags auf Bekanntmachung des Konkurses nicht schuldhaft unterlassen wurde oder dass trotz des Unterlassens der Antragstellung auf Bekanntmachung des Konkurses sowie der Einleitung des Vergleichsverfahrens dem Gläubiger kein Schaden entstanden ist.


§ 3. §§ 1 und 2 berühren nicht die Vorschriften, die eine weitergehende Haftung der Geschäftsführer bestimmen.


§ 4. Personen, von denen im § 1 die Rede ist, haften nicht für die Unterlassung der Antragstellung auf Bekanntmachung des Konkurses in der Zeit, wenn eine Zwangsvollstreckung durch die Zwangsverwaltung geführt wird oder durch den Verkauf des Unternehmens aufgrund der Vorschriften des Zivilgesetzbuches, wenn die Pflicht der Antragstellung auf Bekanntmachung des Konkurses während der Durchführung der Zwangsvollstreckung entstanden ist.“

Die Pflicht, einen Insolvenzantrag zu stellen

Die Pflicht, einen Insolvenzantrag zu stellen ergibt sich aus dem Art. 21 i.V.m. Art. 10 Insolvenzordnung.

Art. 21.

1.Der Schuldner ist verpflichtet, nicht später als innerhalb von dreißig Tagen ab dem Tag, an welchem die Grundlage für die Insolvenzeröffnung eingetreten ist, beim Gericht einen Insolvenzantrag zu stellen.

2. Ist der Schuldner eine juristische Person oder eine andere Organisationseinheit ohne eigene Rechtspersönlichkeit, welcher ein einschlägiges Gesetz die Geschäftsfähigkeit einräumt, so ruht die Pflicht, von der im Abs.1 die Rede ist, auf jedem, der aufgrund des Gesetzes, des Gesellschaftsvertrags oder der Satzung berechtigt ist, die Angelegenheiten des Schuldners zu führen und ihn zu vertreten, selbständig oder zusammen mit anderen Personen.

Nach dem Art. 10 Insolvenzordnung wird die Insolvenz in Bezug auf den Schuldner eröffnet, wenn er zahlungsunfähig ist. Der Schuldner ist dann zahlungsunfähig, wenn er die Fähigkeit verloren hat, seine fälligen Geldforderungen zu entrichten.

1a. Ferner wird es vermutet, dass der Schuldner die Fähigkeit verloren hat, seine fälligen Geldforderungen zu entrichten, wenn der Verzug in der Erfüllung von Geldforderungen drei Monate überschreitet.

2. Der Schuldner, welcher eine juristische Personoder eine Organisationseinheit ohne eigene Rechtspersönlichkeitist, deren ein einschlägiges Gesetz die Geschäftsfähigkeit einräumt, ist auch dann zahlungsunfähig, wenn seine Geldverbindlichkeiten den Wert seines Vermögens übersteigen und dieser Zustand länger als vierundzwanzig Monate dauert.

Es wird vermutet, dass die Geldverbindlichkeiten des Schuldners den Wert seines Vermögens übersteigen, wenn nach der Bilanz seine Verbindlichkeiten, ausgeschlossen Rückstellungen für Verbindlichkeiten und Verbindlichkeiten gegenüber verbundenen Unternehmen, den Wert seiner Aktiva übersteigen und dieser Zustand länger als vierundzwanzig Monate dauert.

Die Prämissen für die Haftung des Geschäftsführers sind also die folgenden:

  • das Bestehen einer nicht erfüllten Verbindlichkeit der Gesellschaft,
  • die Fruchtlosigkeit der Zwangsvollstreckung und
  • der Status des Geschäftsführers.

Der Geschäftsführer haftet für die Verbindlichkeit der Gesellschaft sogar bei Ermangelung des Urteils (der Entscheidung), welches (welche) die Höhe dieser Verbindlichkeit festsetzt und auch bei ihrer Liquidation sowie auch nach Beendigung der Insolvenz und nach ihrer Streichung aus dem Landesgerichtsregister.

Die Lage der Geschäftsführer der Gesellschaft ist umso mehr rechtlich kompliziert, dass die Last, Umstände zu beweisen, auf welcher Grundlage sie sich dieser Haftung entbinden könnten, ausschließlich auf ihnen lastet, weil das Gesetz die Vermutungen hinsichtlich des Schadens, des Kausalzusammenhangs und der Schuld einführt.

Haftung für steuerliche und SV -Beitragsverbindlichkeiten

Nach dem Art. 116 Abgabenordnung haften für steuerliche Rückstände einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung, einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung in Gründung, einer Aktiengesellschaft oder einer Aktiengesellschaft in Gründung die Geschäftsführer mit ihrem gesamten Vermögen gesamtschuldnerisch, wenn sich die Vollstreckung aus dem Vermögen der Gesellschaft ganz oder teilweise als fruchtlos erwiesen und der Geschäftsführer nicht nachgewiesen hat, dass:

  • der Insolvenzantrag rechtzeitig eingereicht worden ist oder zu diesem Zeitpunkt das Restrukturierungsverfahren eröffnet oder der Vergleich im Verfahren zur Bestätigung des Vergleichs genehmigt wurde, von dem im o.g. Gesetz die Rede ist oder
  • die Nichteinreichung des Insolvenzantrags ohne sein Verschulden erfolgte;- und dass das Vermögen der Gesellschaft, aus welchem die Zwangsvollstreckung die Befriedigung der steuerlichen Rückstände in erheblichem Teil ermöglichen wird, nicht genannt wird.

Die Haftung der Geschäftsführer umfasst nicht nur steuerliche Rückstände aus Verbindlichkeiten, deren Zahlungsfrist während der Erfüllung der Funktion des Geschäftsführers durch sie abgelaufen ist, sondern auch die Beitragsrückstände (aus Sozialversicherungen).

Die Bedingung für die Befreiung des Geschäftsführers aus der Haftung ist es also, den Insolvenzantrag rechtzeitig zu stellen oder auch die mangelnde Schuld bei der Nichteinreichung eines solchen Antrags nachzuweisen. In der Praxis ist die am häufigsten von den Geschäftsführern erhobene Einwendung, dass sie nicht schuld seien, den Insolvenzantrag der Gesellschaft nicht eingereicht zu haben. Die gerichtliche Rechtsprechung erweist jedoch, dass die Haftung den Zwangscharakter hat (das Argument Krankheit oder Urlaub, oder auch mangelnde Kenntnis über den finanziellen Zustand der Gesellschaft, wird grundsätzlich nicht berücksichtigt).  

Tatsächliche Übertragung finanzieller Angelegenheiten einer Dritten

Wird eine für Finanzen der Gesellschaft zuständige Person genannt, ist es kein Umstand, der die Möglichkeit ausschließt, dass Geschäftsführer zu den im Art. 116 § 1 Abgabenordnung bestimmten Grundsätzen zur Verantwortung gezogen werden können.

Eine solche Person, die sich tatsächlich mit finanziellen Angelegenheiten der Gesellschaft beschäftigt, kann jedoch in fiskalischer Hinsicht nach dem im Art. 9 § 3 Fiskalstrafgesetzbuch [polnisch: Kodeks Karny Skarbowy (KKS)] bestimmten Grundsatz Verantwortung tragen. Nach diesem Grundsatz verantwortet auch derjenige Täter fiskalische Straftaten oder fiskalische Ordnungswidrigkeiten, der sich aufgrund einer Rechtsvorschrift, einer Entscheidung der zuständigen Behörde, des Vertrags oder der tatsächlichen Ausübung mit wirtschaftlichen, insbesondere finanziellen Angelegenheiten einer natürlichen Person, einer juristischen Person oder einer Organisationseinheit ohne eigene Rechtspersönlichkeit beschäftigt. Gleichzeitig gibt der Umstand, dass sich eine bestimmte Person, die kein Geschäftsführer ist, tatsächlich mit steuerlichen Abrechnungen der Gesellschaft ohne formale Regelung der Verantwortungsgrundsätze für diese Abrechnungen im Rahmen der Organisation beschäftigt, den steuerlichen Behörden die Möglichkeit, die strafrechtliche fiskalische Verantwortung sowohl gegenüber dieser Person als auch gegenüber den Geschäftsführern sowie anderen Personen in Führungspositionen festzulegen.

Im Kontext dieser Regelung kann die strafrechtliche fiskalische Verantwortung auch ein Prokurist, der sich tatsächlich mit finanziellen Angelegenheiten der Gesellschaft beschäftigt, tragen.

Strafrechtliche Verantwortung

Die strafrechtliche fiskalische Verantwortung - nach dem im Art. 9 § 3 Fiskalstrafgesetzbuch [polnisch: Kodeks Karny Skarbowy (KKS)] bestimmten Grundsatz trägt, wie der Täter, wer sich aufgrund einer Rechtsvorschrift, einer Entscheidung der zuständigen Behörde, des Vertrags oder der tatsächlichen Ausübung mit wirtschaftlichen, insbesondere finanziellen Angelegenheiten einer natürlichen Person, einer juristischen Person oder einer Organisationseinheit ohne eigene Rechtspersönlichkeit beschäftigt. In dieser Situation ist auf der Grundlage des Fiskalstrafgesetzbuches für die steuerlichen Rückstände die für Finanzen der Gesellschaft zuständige Person verantwortlich. Die Geschäftsführer und Personen in Leitungspositionen, auch wenn sie in die laufende Führung der steuerlichen Abrechnungen nicht engagiert sind, können jedoch die parallele fiskalische strafrechtliche Verantwortung u.a. für die sog. schuldhafte Verletzung der Aufsichtspflicht tragen.

Dr. Katarzyna Styrna – Bartman LL.M.

www.blulegal.com

Dieser Artikel berücksichtigt den Rechtsstand zum 22. Mai 2022 und hat ausschließlich informativen Charakter. 



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