Diesel-Affäre: Rechtsschutzversicherung ist grundsätzlich zur Übernahme der Kosten verpflichtet

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Die Diesel-Affäre beschäftigt insbesondere die Gerichte. Gut, wer da als Betroffener eine Rechtsschutzversicherung besitzt. Bislang kommt es immer wieder vor, dass Rechtsschutzversicherungen die Übernahme der Kosten eines Prozesses mit der Begründung ablehnen, dass die Klage keine hinreichende Aussicht auf Erfolg biete. Das OLG Düsseldorf ist dieser Auffassung nunmehr entgegengetreten und hat eine Rechtsschutzversicherung aus Düsseldorf zur Übernahme der Kosten verpflichtet.

Worum ging es?

Der Käufer eines VW Sharan-Diesels aus Sachsen hatte die Absicht, den Händler sowie den Fahrzeughersteller wegen der manipulierten Abgaswerte auf Rückabwicklung des Kaufvertrages und auf Zahlung von Schadenersatz zu verklagen. Seine Rechtschutzversicherung lehnte die Übernahme der Prozesskosten mit der Begründung ab, die beabsichtigte Klage habe keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Der Versicherungsnehmer verklagte darauf seine Rechtschutzversicherung auf Erteilung der von ihm begehrten Kostendeckungszusage.

Rechtsschutzversicherung hält Klagen für aussichtslos

Nach §§ 125, 128 VVG i.V.m. dem Rechtsschutzversicherungsvertrag und den vereinbarten AGB kann die Rechtsschutzversicherung die Übernahme der Kosten eines von ihrem Versicherten beabsichtigten Prozess dann ablehnen, wenn die beabsichtigte Klage keine hinreichenden Erfolgsaussichten hat. Der Sinn der Regelung besteht darin, dass eine Rechtsschutzversicherung nicht verpflichtet sein soll, ihren Versicherten sinnlose Prozesse zu finanzieren.

Die Rechtsschutzversicherung argumentierte, die Klagen seien aus mehreren Gründen aussichtslos:

  • die gekauften PKW wiesen keinen wesentlichen Mangel auf,
  • die Fahrtauglichkeit der PKW sei nicht beeinträchtigt und auch die Betriebserlaubnis nicht erloschen,
  • die Manipulationssoftware könne mit minimalem Aufwand und somit auch der Nachteil für den Käufer durch Installation der neuen Software beseitigt werden,
  • ein merkantiler Minderwert könne derzeit nicht beziffert werden, sondern erst im Falle eines Weiterverkaufs.

LG und OLG halten Klagen für ausreichend erfolgversprechend

Bereits das erstinstanzlich zuständige LG verpflichtete die Rechtsschutzversicherung auf Erteilung der begehrten Kostendeckungszusage. Das Gericht verwies erstinstanzlich ausdrücklich auf die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zur Gewährung von Prozesskostenhilfe. Auch diese könne nur versagt werden, wenn eine vernünftig abwägende Prozesspartei wegen des übergroßen Risikos einen Prozess nicht führen würde. Dies sei hier aber nicht der Fall.

Das LG bewertete die Erfolgsaussichten einer Klage mit 50:50.

  • Es bezog sich bei dieser Bewertung u. a. auf ein Urteil des OLG Karlsruhe, das eine Nachbesserung durch die von VW angebotene Austauschsoftware als angemessen beurteilt hatte (OLG Karlsruhe Urteil vom 6.12.2016, 12 U 106/16).
  • Andererseits habe das LG München eine Nachbesserung durch die von VW angebotene Austauschsoftware als nicht hinreichend bewertet, da auch nach einer solchen Nachbesserung überhöhte Abgaswerte, Leistungsverlust, Mehrverbrauch oder erhöhter Verschleiß nicht auszuschließen seien. Außerdem müsse der Fahrzeugkäufer beim Wiederverkauf mit einem merkantilen Minderwert rechnen (LG München, Urteil v. 14.4.2016, 23 O 23033/15).

Der Auffassung des LG schloss sich das OLG in zweiter Instanz in einem Hinweisbeschluss im Wesentlichen an. Eine solche Klage hat nach Ansicht des Senats grundsätzlich Aussicht auf Erfolg:

  • Dies zeige sich bereits daran, dass inzwischen eine Reihe von Landgerichten Schadensersatzansprüche gegen die Volkswagen-AG bejaht habe, zum Teil aus dem Gesichtspunkt der vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung gemäß § 826 BGB.
  • Entgegen der Auffassung der Rechtsschutzversicherung sei ein Versicherungsnehmer auch nicht verpflichtet, eine Klage gegen den Fahrzeughersteller bis zur besseren Klärung der Rechtslage zurückzustellen. Ein Versicherungsnehmer müsse nicht warten, bis sich insoweit eine einheitliche Rechtsprechung herausgebildet habe. Eine Rechtschutzversicherung werde gerade zu dem Zweck abgeschlossen, dass ein Versicherungsnehmer auch bei noch nicht zu 100 % geklärten Erfolgsaussichten den Klageweg ohne eigenes Kostenrisiko beschreiben könne.
  • Es liege in der Autonomie des Autokäufers zu entscheiden, zu welchem Zeitpunkt er Ansprüche gegen den Hersteller gerichtlich geltend machen wolle. Auch diese Entscheidungsfreiheit des Versicherungsnehmers sei Gegenstand des Versicherungsvertrages.

Entscheidung des OLG ist rechtskräftig

Aufgrund dieses Hinweisbeschlusses des OLG hat die Rechtsschutzversicherung die Berufung inzwischen zurückgenommen. Das erstinstanzliche Urteil ist damit rechtskräftig (OLG Düsseldorf, Hinweisbeschluss v. 21.9.2017, I – 4 U 87/17; vorgehend LG Düsseldorf, Urteil v. 9.3.2017, 9 O 157/16).

Die Entscheidung ist zu begrüßen. Denn derzeit steht eine einheitliche Entscheidung durch den BGH aus, ob durch die Installation einer manipulierten Software dem Käufer ein Mangel entstanden ist, dieser Mangel durch den Austausch der Software behoben werden kann und falls nicht, welche Ansprüche den Käufern gegenüber Autohändlern und Herstellern zustehen. Das OLG stellt klar, dass bereits der Umstand, dass mehrere Gerichte unterschiedliche Entscheidungen getroffen haben, verdeutliche, dass zumindest eine Aussicht auf Erfolg von 50:50 bestehe. Da das OLG seiner Entscheidung die Grundsätze zur Gewährung von Prozesskostenhilfe zugrunde legt, können Betroffene, die über keine Rechtsschutzversicherung verfügen und aus wirtschaftlichen und persönlichen Gründen gehindert sind, die Kosten für ein Verfahren aufzubringen, ebenfalls darauf hoffen, dass die angerufenen Gerichte der Klage eine hinreichende Aussicht auf Erfolg bescheinigen.

(Quelle: Haufe News)


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