Durchbruch in der Frage zum Verbot von ausländischen Kennzeichen für in Italien wohnhafte Personen?

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Der Europäische Gerichtshof hat mit Urteil vom 16. Dezember 2021 (C-274/20) Artikel 93 der italienischen Straßenverkehrsordnung im Zusammenhang mit der in Italien seit Dezember 2018 geltenden Pflicht der Ummeldung von Fahrzeugen aus anderen EU-Mitgliedsstaaten, wenn der Halter oder Lenker seit mehr als 60 Tagen in Italien wohnhaft ist, für rechtswidrig befunden. Nach Ansicht der europäischen Richter ist es rechtswidrig, dem Bürger eines Mitgliedstaates das Führen eines Fahrzeugs mit ausländischem Kennzeichen zu verbieten, indem er faktisch verpflichtet wird, es in Italien umzumelden. Zumindest dann, wenn die Nutzung des Fahrzeugs in Italien nur vorübergehend ist.

Der Gerichtshof hat festgestellt, dass die italienische Regelung, wonach Personen, die seit mehr als 60 Tagen in Italien wohnen, bereits in einem anderen Mitgliedsstaat zugelassene Kraftfahrzeuge ummelden und die entsprechenden Gebühren entrichten müssen, letztlich eine Steuer auf die grenzüberschreitende Gebrauchsleihe von Kraftfahrzeugen erhebt. Im Gegensatz unterliegt die Gebrauchsleihe von in Italien zugelassenen Fahrzeugen nicht dieser Doppelbesteuerung. Eine solche ungleiche Behandlung dürfte italienische Staatsbürger davon abhalten, die ihnen von Bürgern eines anderen Mitgliedstaates angebotene Gebrauchsleihe eines im Ausland zugelassenen Fahrzeugs anzunehmen.

Für den EUGH ist die unentgeltliche grenzüberschreitende Leihgabe eines Kraftfahrzeugs nämlich ein Kapitalverkehr, so dass die italienische Norm in jeder Hinsicht eine Einschränkung des freien Kapitalverkehrs im Sinne von Artikel 63 AEUV darstellt, die zwischen den Ländern der Union unzulässig ist. Vielmehr ist sie nur aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses, die der Gerichtshof im vorliegenden Fall nicht feststellen konnte, und zur Bekämpfung des Steuerbetrugs zulässig, d.h. wenn ein in einem Mitgliedstaat zugelassenes Fahrzeug zur dauerhaften Nutzung in einem anderen Staat bestimmt ist.

Der EUGH hatte über die Fragen des Friedensrichters von Massa Carrara entschieden, bei dem ein in Italien ansässiger Bürger gegen die hohe Strafe, die ihm auferlegt worden war (gemäß Artikel 93 der Straßenverkehrsordnung), Einspruch erhoben hatte, weil er in Italien ein Fahrzeug mit slowakischem Kennzeichen geführt hatte, das auf den Namen seiner in der Slowakei wohnhaften Ehefrau zugelassen war.

Es ist nunmehr abzuwarten, ob diese Entscheidung einen Durchbruch für die Anpassung der in Rede stehenden Bestimmung bringen wird, oder zumindest eine EU-Recht konforme Auslegung durch die Behörden und Gerichte.


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