EGMR-Urteil zum Persönlichkeitsrecht: Kachelmann-Fotos waren unzulässig

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Fotos, die den bekannten Fernsehmoderator Jörg Kachelmann oberkörperfrei als Häftling im Gefängnishof zeigen, dürfen nicht länger vom Axel Springer Verlag sowie von der „BILD“- Zeitung veröffentlicht und verbreitet werden. So entschied der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte mit Urteil vom 10.01.2019 (Beschw.-Nr. 62721/12 und 62741/13). 

Kachelmann wurde im März 2010 wegen des Vorwurfs der Vergewaltigung verhaftet – eingeleitet durch seine ehemalige Geliebte. Nach seiner Zeit in der Untersuchungshaft wurde er ein Jahr später vom Landgericht Mannheim freigesprochen und wehrt sich seither gegen die während seines Prozesses erfolgte Berichterstattung durch den Axel Springer Verlag.

Denn obwohl während der Zeit der Untersuchungshaft die Unschuldsvermutung gilt, wurden oftmals Vorverurteilungen in der Presse vorgenommen und Artikel gedruckt, die nur dazu dienten, die Neugierde und Sensationsgelüste der Leser zu befriedigen. 

Im Rahmen einer weiteren für Kachelmann makabren Berichterstattung wurde schließlich das streitgegenständliche Foto in der BILD-Zeitung verwendet, auf dem Kachelmann oberkörperfrei inmitten von Gefängnisinsassen im Gefängnishof abgebildet und bloßgestellt wird. 

Das damals mit der Sache befasste Landgericht Köln verbot bereits im Jahr 2011 der BILD, die von Springer herausgegeben wird, und ihrer Online-Ausgabe die Verbreitung dieses Fotos. Aufgrund der herausragenden Bedeutung der Sache wurde schließlich der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte damit befasst, der nun entschied, dass das Verbot richtig und die gegen die Entscheidung gerichteten Beschwerden von Springer und der BILD unzulässig sind. 

Zur Begründung wird insbesondere angeführt, dass die entscheidenden Gerichte die vorzunehmende Interessenabwägung der Interessen Kachelmanns an seiner Privatsphäre und der Meinungsfreiheit des Verlages sowie der BILD-Zeitung in nicht zu beanstandender Weise vorgenommen haben. 

Die Abwägung habe ergeben, dass die Meinungs- und Pressefreiheit zwingend zurückzutreten hat, da die Darstellung Kachelmanns auf dem Foto lediglich der Belustigung der Leser dienen würde, sodass ein nicht zu rechtfertigender Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht Kachelmanns, insbesondere in sein Recht auf Privatsphäre sowie sein Recht am eigenen Bild (Art. 2 I, 1 I GG) vorliege. 

Kachelmann habe im Gefängnis nicht damit rechnen müssen, fotografiert zu werden und anschließend in der Berichterstattung zu erscheinen. Dass er als Person des öffentlichen Lebens grundsätzlich damit rechnen müsse, auch in für ihn ungünstigen Situationen fotografiert zu werden und in der Presse zu erscheinen lässt seine Interessen an der Beachtung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts nicht sinken. 

Die streitgegenständliche Abbildung ist schlicht nicht zu rechtfertigen. Es erfolgte keine Berichterstattung, die Lesern einen Mehrwert bietet. Insofern muss die Meinungs- und Pressefreiheit in dem vorliegenden Fall zurücktreten. 

In der Entscheidung wird klargestellt, dass die Interessen des Betroffenen immer dann überwiegen, wenn im Rahmen einer Wiederveröffentlichung kein informativer Mehrwert geboten wird und es an zusätzlichen Informationen fehlt. Dann besteht kein Anlass, die Meinungs- und Pressefreiheit hervorzuheben und persönliche Belange in den Hintergrund zu rücken.

Insgesamt wehrte sich Kachelmann sowohl gegen den Vorwurf seiner ehemaligen Geliebten, wobei ihm durch das Oberlandesgericht Frankfurt ein die Sache nicht wiedergutzumachender Schadensersatz zugesprochen wurde als auch gegen die öffentliche Berichterstattung. 

Das mit dem Urteil des EGMR abgeschlossene Verfahren hinsichtlich des streitgegenständlichen Fotos ist ein weiterer Schritt, mit der Sache insgesamt abzuschließen. Abzuwarten bleibt nun noch der Ausgang des von Springer gegen die Verurteilung zur Zahlung eines Schmerzensgeldes von knapp 400.000 Euro eingelegten Verfassungsbeschwerde. 


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