Eine außerordentliche Kündigung wegen erwiesener sexueller Belästigung kann dennoch unverhältnismäßig sein

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Eine außerordentliche, fristlose Kündigung ist nur wirksam, wenn ein wichtiger Grund vorliegt. Grundsätzlich ist eine sexuelle Belästigung ein wichtiger Grund in diesem Sinne. Es kommt dabei aber stets auf den konkreten Einzelfall, insbesondere auf Umfang und Intensität der Belästigung, an.

So kann es sein, dass die außerordentliche Kündigung unverhältnismäßig ist, wenn eine Verhaltensänderung in der Zukunft zu erwarten ist, z.B. wenn der Arbeitnehmer sich über die Unerwünschtheit seines Verhaltens geirrt hat, er nicht einschlägig abgemahnt wurde, die Belästigung offen zugibt und einen Ausgleich mit dem Opfer herbeiführt.

Der Fall (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 20.11.2014 – 2 AZR 651/13):

Der Kläger ist bei der Beklagten seit 1996 als Kfz-Mechaniker beschäftigt. Im Juli 2012 sprach er im Waschraum der Beklagten eine Mitarbeiterin eines externen Reinigungsdienstes mit den Worten an, sie habe einen schönen Busen und berührte sie an der Brust. Als die Frau erklärte, dass sie dies nicht wünsche, ließ der Kläger sofort von ihr ab.

Am 31. Juli 2012 bat die Beklagte den Kläger zu einem Gespräch, indem der Kläger die Tat einräumte und sich entschuldigte er habe sich „eine Sekunde vergessen“ und beteuerte, dass eine Wiederholung dieses Verhaltens ausgeschlossen sei. Er habe den Eindruck gehabt, dass die Betroffene mit ihm geflirtet habe. Mit Schreiben vom selben Tag kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis außerordentlich. Der Kläger entschuldigte sich schriftlich bei der Frau und zahlte ihr im Rahmen eines Täter-Opfer-Ausgleichs Schmerzensgeld. Diese nahm die Entschuldigung an und erklärte kein Interesse an einer Strafverfolgung zu haben. Das Ermittlungsverfahren wurde eingestellt.

Das Arbeitsgericht wies die Kündigungsschutzklage ab, das Landesarbeitsgericht hingegen gab ihr statt. Daraufhin legte die Beklagte Revision ein.

Ergebnis:

Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die außerordentliche Kündigung nicht beendet wurde, da die Kündigung unverhältnismäßig sei.

Zwar bejaht das Gericht eine sexuelle Belästigung sowohl in körperlicher als auch in verbaler Hinsicht und damit eine Handlung, die die Würde der Betroffenen verletze.

Dennoch wäre eine Abmahnung als Reaktion des Arbeitgebers ausreichend gewesen. Maßgeblich war u.a., dass der Kläger sein Fehlverhalten als einmaliges „Augenblickversagen“ einräumte. Nach Ansicht des Gerichts sei auszuschließen, dass der Kläger sich noch einmal irrtümlich einbilde, angeflirtet zu werden und darauf in vergleichbarer Weise reagiere. Das Bundesarbeitsgericht verneint deshalb einen Belästigungswillen.

Das Urteil macht – obwohl es hier nur den konkreten Einzelfall betrifft - deutlich, in welchem Spannungsverhältnis der Arbeitgeber bei einer sexuellen Belästigung in seinem Betrieb steht. Zum einen ist er aufgrund seiner Fürsorgepflicht gegenüber seinen Arbeitnehmern verpflichtet, die geeigneten, erforderlichen und angemessenen Maßnahmen zu ergreifen, um diese vor sexueller Belästigung zu schützen.

Andererseits muss er zugunsten des Täters alle Umstände des Einzelfalls berücksichtigen, namentlich – selbst bei sexueller Belästigung – stets die Verhältnismäßigkeit einer Kündigung im Auge behalten. In die Waagschale zu legen sind v.a. ein langjähriges beanstandungsfreies Beschäftigungsverhältnis auf der einen Seite und die Schwere der Pflichtverletzung auf der anderen Seite. Auch ein reuiges Nachtatverhalten sowie die Verneinung des Belästigungswillens sind zu Gunsten des Täters zu berücksichtigen. Ist zudem ein Täter nicht abgemahnt und damit nicht „gewarnt“ bzw. „abgeschreckt“ worden, kann eine Kündigung als „Ultima Ratio“ unverhältnismäßig sein.


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