Einstweilige Verfügung – Pflichten und Reaktionsmöglichkeiten

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Sie haben eine „einstweilige Verfügung“ eines Gerichts wegen eines Wettbewerbsverstoßes, der Verletzung eines Urheberrechts, Markenrechts, Design- bzw. Geschmacksmusterrechts oder einer Persönlichkeitsrechtsverletzung erhalten? Sie sind unsicher, welche Pflichten Sie haben und welche Reaktionsmöglichkeiten es gibt?

Bitte beachten Sie in der Situation insbesondere folgendes:

Eine einstweilige Verfügung muss äußerst ernst genommen werden, anderenfalls drohen empfindliche Ordnungsgelder oder Ordnungshaft.

In aller Regel sollte innerhalb von 2 Wochen ab Zustellung der einstweiligen Verfügung geklärt werden, ob ein Widerspruch gegen die einstweilige Verfügung Sinn macht oder ob die einstweilige Verfügung durch Abgabe einer sogenannten „Abschlusserklärung“ als endgültige Regelung anerkannt werden soll.

Nachfolgend finden Sie einige häufig gestellte Fragen über Pflichten und Reaktionsmöglichkeiten bei einstweiligen Verfügungen. Bitte beachten Sie, dass es sich bei den nachfolgenden Informationen lediglich um allgemeine Informationen handelt. Keinesfalls ersetzen die hier angegebenen Informationen eine anwaltliche Beratung im Einzelfall.

Was regelt eine einstweilige Verfügung?

Durch eine einstweilige Verfügung wird ein Unterlassungsanspruch eines Rechteinhabers einstweilen gesichert. Das Gericht verbietet dem Adressaten der einstweiligen Verfügung (dem Antragsgegner) unter Androhung eines gerichtlichen Ordnungsgeldes in Höhe von 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, einstweilen – d. h. bis zur endgültigen Klärung der Angelegenheit in der Hauptsache –, den Rechtsverstoß zukünftig zu wiederholen.

Darüber hinaus werden dem Antragsgegner der einstweiligen Verfügung die Anwalts- und Gerichtskosten dieses einstweiligen Verfügungsverfahrens auferlegt.

Was ist nach der wirksamen Zustellung einer einstweiligen Verfügung zu beachten?

Ist eine einstweilige Verfügung dem Antragsgegner innerhalb eines Monats wirksam zugestellt worden, muss das gerichtlich angeordnete Verbot sofort beachtet werden. Auch im Falle des Widerspruchs muss die einstweilige Verfügung beachtet werden und zwar solange bis die einstweilige Verfügung durch das Gericht ausdrücklich aufgehoben wird. Bei einer Missachtung des gerichtlichen Verbots droht dem Antragsgegner ein Ordnungsgeld oder Ordnungshaft.

Welche Reaktionsmöglichkeiten bestehen bei Erhalt einer einstweiligen Verfügung?

Der Antragsgegner einer einstweiligen Verfügung hat nach Zustellung der einstweiligen Verfügung folgende Reaktionsmöglichkeiten:

  1. Es besteht die Möglichkeit „Widerspruch“gegen die einstweilige Verfügung einzulegen.
  2. Die einstweilige Verfügung kann im Wege einer sog. „Abschlusserklärung“als endgültige Regelung anerkennt werden.
  3. Es besteht die Möglichkeit „Kostenwiderspruch“einzulegen und im Übrigen die einstweilige Verfügung im Wege einer Abschlusserklärung anzuerkennen.
  4. Nach Zustellung einer einstweiligen Verfügung kann zudem eine „strafbewehrte Unterlassungserklärung“abgegeben werden.
  5. Es besteht die Möglichkeit einen „Antrag auf Erhebung der Hauptsacheklage“zu stellen.
  6. Es besteht die Möglichkeit einen „Antrag auf Aufhebung der einstweiligen Verfügung wegen veränderter Umstände“zu stellen.
  7. Es besteht die (seltene) Möglichkeit einen „Antrag auf Aufhebung der einstweiligen Verfügung gegen Zahlung einer Sicherheitsleistung“zu stellen.

1. Reaktionsmöglichkeit – „Widerspruch“ gegen eine einstweilige Verfügung:

Der Antragsgegner einer einstweiligen Verfügung hat gemäß § 924 ZPO jederzeit die Möglichkeit, Widerspruch gegen die einstweilige Verfügung bei Gericht einzulegen (sofern die einstweilige Verfügung ohne mündliche Verhandlung im Beschlusswege ergangen ist). Für einen Widerspruch gegen eine einstweilige Verfügung gibt es keine Frist. Der Antragsgegner sollte jedoch nicht zulange mit einem Widerspruch warten. Legt der Antragsgegner über mehrere Monate keinen Widerspruch ein, besteht die Gefahr, dass das Widerspruchsrecht verwirkt wird.

Hat die einstweilige Verfügung ein Landgericht erlassen, muss der Widerspruch gemäß § 78 Abs. 1 ZPO durch einen Anwalt eingelegt werden. Die Einlegung eines Widerspruchs durch den Antragsgegner persönlich ist in diesem Fall nicht möglich.

Im Falle des Widerspruchs setzt das Gericht einen zeitnahen Verhandlungstermin (in der Regel wenige Tage bis zu 2 Wochen) fest, um über den Bestand der einstweiligen Verfügung mündlich zu verhandeln. Im Anschluss an die mündliche Verhandlung entscheidet das Gericht über den Bestand der einstweiligen Verfügung durch Endurteil.

Gegen das Urteil über den Widerspruch kann Berufung zum nächst höheren Gericht eingelegt werden. Eine weitergehende Revisionsmöglichkeit, welche im ordentlichen Gerichtsverfahren unter Umständen besteht, ist im einstweiligen Verfügungsverfahren nicht möglich.

Wird Widerspruch gegen die einstweilige Verfügung eingelegt und findet daraufhin eine mündliche Verhandlung statt, entstehen auch weitere (und damit höhere) Verfahrenskosten. Diese weiteren Verfahrenskosten hat der Antragsgegner der einstweiligen Verfügung zu tragen, sofern die einstweilige Verfügung auf seinen Widerspruch hin nicht aufgehoben, sondern durch Urteil bestätigt wird. Wird die einstweilige Verfügung dagegen aufgehoben, hat der Antragsteller sämtliche Kosten des Verfahrens zu tragen.

Ein Widerspruch gegen eine einstweilige Verfügung macht demnach insbesondere dann Sinn, sofern der Widerspruch in der Sache auch tatsächlich Aussicht auf Erfolg hat. Dies ist wiederum nur dann der Fall, wenn der Anspruch in der Sache oder die Eilbedürftigkeit der Angelegenheit zweifelhaft sind. Besteht wenig Aussicht auf Erfolg sollte sich der Antragsgegner dagegen gut überlegen, ob er einen Widerspruch – und damit höhere Verfahrenskosten – riskiert.

Im Ausnahmefall kann allerdings auch ein Widerspruch bei nur geringen oder keinen Erfolgsaussichten wirtschaftlich sinnvoll sein. Dies kann z. B. dann der Fall sein, wenn eine Aufbrauchfrist für Werbematerial benötigt wird. In einer mündlichen Verhandlung lassen sich solche Einschränkungen oft erfolgreich verhandeln.

2. Reaktionsmöglichkeit: Abgabe einer „Abschlusserklärung“:

Sofern ein Widerspruch gegen eine einstweilige Verfügung in der Sache nur wenig Aussicht auf Erfolg hat, gilt es im Regelfall die Kosten des Verfahrens so gering wie möglich zu halten. In diesem Fall sollte der Antragsgegner einer einstweiligen Verfügung zeitnah eine sogenannte „Abschlusserklärung“ abgeben. Mit einer Abschlusserklärung erkennt der Antragsgegner die einstweilige Verfügung als endgültige Regelung an und verzichtet auf seine Rechte im einstweiligen Verfügungsverfahren (z. B. auf das Recht Widerspruch gegen die einstweilige Verfügung einzulegen).

Nach der Rechtsprechung ist dem Antragsgegner einer einstweiligen Verfügung 2 Wochen nach Zustellung einer einstweiligen Verfügung Zeit zu geben, diese auf ihre Rechtmäßigkeit hin zu überprüfen und gegebenenfalls eine Abschlusserklärung abzugeben (vgl. Urteil des BGH vom 22.01.2015, Az.: I ZR 59/14).

Sofern der Antragsgegner der einstweiligen Verfügung innerhalb von 2 Wochen nach Zustellung der einstweiligen Verfügung nicht reagiert, wird der Antragsteller den Antragsgegner der einstweiligen Verfügung in der Regel durch ein anwaltliches Schreiben – das sogenannte „Abschlussschreiben“ – unter Fristsetzung zur Abgabe einer „Abschlusserklärung“ auffordern. Darüber hinaus wird im Falle der Nichtabgabe der Abschlusserklärung die Geltendmachung des Unterlassungsanspruches im Hauptsacheverfahren angedroht, um eine endgültige Regelung über den Unterlassungsanspruch zu erreichen.

Die Kosten dieses anwaltlichen Abschlussschreibens hat der Antragsgegner der einstweiligen Verfügung zu tragen, sofern die einstweilige Verfügung zu Recht erlassen wurde und der Antragsgegner seinerseits nicht innerhalb von 2 Wochen eine Abschlusserklärung abgibt. Diese Kosten kann sich der Antragsgegner demnach ersparen, sofern er – ohne Aufforderung durch den Antragsteller (mittels Abschlussschreiben) – selbstständig eine Abschlusserklärung abgibt.

Im Falle einer berechtigten einstweiligen Verfügung ist die selbstständige Abgabe einer Abschlusserklärung durch den Antragsgegner innerhalb von 2 Wochen nach Zustellung der einstweiligen Verfügung daher die kostengünstigste Reaktionsmöglichkeit.

3. Reaktionsmöglichkeit: Einlegung eines „Kostenwiderspruchs“:

Es besteht zudem die Möglichkeit, den Widerspruch gegen eine einstweilige Verfügung auf die Kostenentscheidung zu beschränken und die einstweilige Verfügung in der Sache durch die Abgabe einer beschränkten Abschlusserklärung als endgültige Regelung anzuerkennen.

Insbesondere wenn der Antragsgegner vor Zustellung der einstweiligen Verfügung keine Abmahnung erhalten hat und dann aus heiterem Himmel eine (in der Sache berechtigte) einstweilige Verfügung eines Gericht zugestellt bekommt, sollte diese Möglichkeit in Betracht gezogen werden.

Sofern der Antragsgegner vor Beantragung der einstweiligen Verfügung außergerichtlich nicht abgemahnt wurde, hat er auch keinen Anlass zur Beantragung der einstweiligen Verfügung gegeben. Erkennt er dann die einstweilige Verfügung durch Abgabe einer Abschlusserklärung sofort an, sind dem Antragsteller nach § 93 ZPO die Kosten des einstweiligen Verfügungsverfahrens aufzuerlegen.

Streitig ist in diesem Zusammenhang allerdings, ob der Antragsteller die Zustellung der Abmahnung nachweisen muss oder nur die Versendung der Abmahnung. Die herrschende Meinung unter den Gerichten ist der Ansicht, dass der Antragsteller nur die Versendung der Abmahnung nachweisen muss und das Zustellrisiko der Antragsgegner trägt.

4. Reaktionsmöglichkeit: Abgabe einer „strafbewehrten Unterlassungserklärung“ nach Zustellung der einstweiligen Verfügung:

Auch besteht für den Antragsgegner die Möglichkeit nach Erhalt einer einstweiligen Verfügung eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben, sofern die einstweilige Verfügung zu Recht erlassen wurde. In diesem Fall ist die einstweilige Verfügung erledigt und das Gericht wird nach § 91a ZPO nur noch über die Kosten des Verfahrens entscheiden und diese in aller Regel dem Antragsgegner auferlegen.

Diese Variante sollte unser Erachtens nach nur im Ausnahmefall in Betracht gezogen werden. Bei Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung kommt in der Regel ein Unterlassungsvertrag mit dem Antragsteller zu Stande. Im Falle der Zuwiderhandlung gegen den Unterlassungsvertrag kann der Unterlassungsgläubiger eine empfindliche Vertragsstrafe (in der Regel mehrere tausend Euro) gegen den Unterlassungsschuldner geltend machen. Dagegen kann der Antragsteller bei einem Verstoß gegen die einstweilige Verfügung „nur“ ein Ordnungsgeld beantragen.

In der Regel ist die Abgabe einer Abschlusserklärung daher der sinnvollere Weg, da in diesem Fall „nur“ ein gerichtliches Verbot besteht und bei einem Verstoß gegen die einstweilige Verfügung auch „nur“ ein Ordnungsgeld durch das Gericht droht und nicht die Geltendmachung einer Vertragsstrafe.

5. Reaktionsmöglichkeit: Antrag auf Erhebung der Hauptsacheklage:

Ein Antrag auf Erhebung der Hauptsacheklage macht nur dann Sinn, wenn im Hauptsachverfahren bessere Erfolgsaussichten bestehen, als bei einem Widerspruch im einstweiligen Verfügungsverfahren.

Dies kommt insbesondere dann in Betracht, wenn der Antragsteller die anspruchsbegründenden Tatsachen im einstweiligen Verfügungsverfahren nur durch eine eigene „eidesstattliche Versicherung“ glaubhaft gemacht hat und weitere Beweismittel auch nicht zur Verfügung stehen. Im Hauptsacheverfahren ist ein Beweis durch eine eidesstattliche Versicherung einer Partei nicht möglich.

Bestehen dagegen sowohl im einstweiligen Verfügungsverfahren als auch im Hauptsachverfahren dieselben Erfolgsaussichten ist der Widerspruch gegen die einstweilige Verfügung in der Regel die sinnvollere Alternative.

6. Reaktionsmöglichkeit: Antrag auf Aufhebung der einstweiligen Verfügung wegen veränderter Umstände:

Der Antragsgegner hat die Möglichkeit einen Antrag auf Aufhebung der einstweiligen Verfügung wegen veränderter Umstände zu stellen. Dieser Antrag kommt insbesondere wegen Erledigung (z. B. weil eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben wurde) oder weil die Eilbedürftigkeit (z. B. wegen endgültiger Geschäftsaufgabe) weggefallen ist, in Betracht.

7. Reaktionsmöglichkeit: Aufhebung der einstweiligen Verfügung gegen Zahlung einer Sicherheitsleistung:

Die Aufhebung der einstweiligen Verfügung gegen Zahlung einer Sicherheitsleistung kommt dagegen nur in ganz seltenen Ausnahmefällen in Betracht, da bei einer einstweiligen Verfügung in aller Regel keine Geldforderung (wie bei einem Arrest) gesichert wird (vgl. § 939 ZPO).

Ergebnis – Untätig bleiben kann teuer werden!

Ein einstweiliges Verfügungsverfahren ist ein komplexes gerichtliches Verfahren mit vielfältigen Reaktionsmöglichkeiten. Zunächst sollte natürlich die Frage geklärt werden, ob eine einstweilige Verfügung formell wirksam und in der Sache berechtigt ist. Selbst wenn die einstweilige Verfügung in der Sache zu Recht erlassen wurde, bedeutet dies jedoch nicht, dass der Antragsgegner untätig bleiben kann. Vielmehr gibt es auch in diesem Fall wirtschaftlich sinnvolle Reaktionsmöglichkeiten (insbesondere die Abgabe einer Abschlusserklärung).

Jeder Adressat einer einstweiligen Verfügung sollte daher das sinnvollste Vorgehen mit einem in einstweiligen Verfügungsverfahren erfahrenen Rechtsanwalt besprechen.

Sofern Sie uns mit der Prüfung einer einstweiligen Verfügung in den Bereichen IT- und Internetrecht, Urheberrecht, Wettbewerbsrecht, Marken- und Kennzeichenrecht, Designrecht, Medienrecht und Arbeitsrecht beauftragen möchten, setzen Sie sich mit uns in Verbindung. Wir schlagen Ihnen dann unverbindlich die weitere Vorgehensweise vor und klären mit Ihnen vor der weiteren Bearbeitung der Sache die Kosten des Verfahrens.


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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