Erbengemeinschaft

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Erbengemeinschaften - Quelle vieler Streitigkeiten

Von Rechtsanwalt Michael Pommerening, Sozietät Pommerening & Breitenbach, Hamburg-Wandsbek

Einleitung

Nur ungefähr jeder fünfte Erblasser macht in Deutschland ein Testament, und nicht wenige dieser letztwilligen Verfügungen sind unwirksam. Die Fol­ge ist häufig das Entstehen von Erbengemeinschaften durch die gesetzliche Quotelung - im einfachsten und häu­figsten Fall dadurch, dass der überle­bende Ehegatte die eine Hälfte des Nachlasses erhält und die Kinder (zu untereinander gleichen Teilen) die an­dere.

Ist das Verhältnis schon zu Lebzeiten gestört - nicht nur in den Märchen taucht immer wieder die böse Stiefmut­ter auf - ist der Streit vorprogrammiert. Aber auch das immer wieder in der Be­ratung zu hörende Argument „Meine Kinder streiten nicht" hält der Realität nicht stand: Oft sind es die Schwieger­kinder, die den Streit schüren, und oft ist die Versuchung, ohne langes Warten an Vermögen heranzukommen, größer als der Familiensinn.

Auch die Schwierigkeiten einer ge­meinsamen Verwaltung sind ein starkes Argument gegen Erbengemeinschaften: Soll beispielsweise vermietet werden, an wen und für welche Dauer, soll teuer oder nur notdürftig saniert werden?

Das - in Hamburg schon seit langem nicht mehr - Hoferbenrecht ist ein Beispiel dafür, dass der Gesetz­geber die Risiken einer Zersplitterung des Vermögens bei Grundeigentum für so hoch einschätzte, dass er - wenn auch auf Kosten der Einzelfallgerech­tigkeit - eingriff und sicherstellte, dass die Bauernhöfe von jeweils nur einem Kind übernommen wurden. Eine solche Regelung gab und gibt es aber nicht für das Grundvermögen allgemein.

Den Rechtsanwalt oder Notar trifft in der vorbeugenden Erbberatung eine ho­he Verpflichtung: er muss nach genauer Erforschung des Sachverhaltes und der Vorstellungen der Mandanten einen Weg finden, bei dem nicht der Grund­stock für ausufernde Streitigkeiten ge­legt wird. Mit anderen Worten: das Ziel sollte sein, den Erben so weit wie mög­lich die Chance zum Streiten zu neh­men!

Realteilung

Bei Zinshäusern gibt es eine allem An­schein nach nur wenig bekannte und deshalb leider auch nach meiner Einschätzung viel zu selten eingesetzte Möglichkeit, Erbengemeinschaften zu vermeiden: die Umwandlung in Woh­nungseigentum.

Rechtliche Voraussetzungen hierfür sind zunächst, dass nicht eine entspre­chende gesetzliche Sperre (die auf dem Prüfstand befindliche Um­wandlungsverordnung) die Umwand­lung des Objektes in dem speziell be­troffenen Gebiet verhindert sowie das Vorliegen einer Abgeschlossenheitsbe­scheinigung zur Vorbereitung der Tei­lungserklärung. Dies wird hinsichtlich der einzelnen (in der Regel vermiete­ten) Wohnungen normaler Weise kein Problem sein, allenfalls hinsichtlich der Nebenräume wie Keller und Boden.

Die Vorbereitung und Einreichung der Unterlagen erfordert natürlich einen ge­wissen zeitlichen und finanziellen Auf­wand unter Inanspruchnahme der Hilfe eines Architekten und eines Notars. Aber die Vorteile liegen auf der Hand:

Man wird in der Regel sogar eine Stei­gerung des Gesamtwertes erreichen. man kann zu Lebzeiten (z. B. zur Finanzierung von Renovierungskosten) einzelne Wohnungen beleihen oder ver­kaufen, und man ermöglicht eine relativ unproblematische Verteilung des Nach­lasses, und das sogar unter Umständen über mehrere Generationen.

Übertragung zu Lebzeiten

Wann immer in den Medien über eine Änderung des Erbschafts- und Schen­kungssteuergesetzes diskutiert oder auch nur spekuliert wird, bekommen die Notare Arbeit. Grundeigentümer glauben, dass ihre Kinder das Objekt wegen der befürchteten hohen Steuern nicht werden halten können und über­tragen in Panik das Eigentum bereits zu Lebzeiten

Mein Tipp: Lassen sie sich nicht ver­rückt machen, und tun sie nicht aus - oft völlig unbegründeten - Steuerängsten heraus etwas, was sie später be­reuen. Die Anwälte und Gerichte haben in den letzten Jahren viel Arbeit bekommen, weil unüberlegt zu Lebzeiten Eigentum übertragen wurde und dies dann plötz­lich rückgängig gemacht werden sollte - mit ganz mäßigen Erfolgsquoten. Man kann zwar bei einer Schenkung festlegen, dass z. B. bei Weiterver­kauf oder ungenehmigter Belastung ein Rückübertragungsanspruch besteht, aber eine Konstruktion, in der der Schenker das Objekt rechtlich in der Hand behält (jederzeitiges Rückforde­rungsrecht ohne jegliche Begründung) wird vom Finanzamt nicht akzeptiert. Und beispielsweise das plötzliche Un­terbleiben von Besuchen bei den Eltern nach erfolgter Übertragung - gegen alle vorigen Beteuerungen - ist kein gesetz­lich und von den Gerichten anerkannter Grund, die Schenkung wegen „groben Undanks" zurückzufordern.

Eine Übertragung zu Lebzeiten kann aber in Einzelfällen durchaus eine Mög­lichkeit sein, das Entstehen einer Erbengemeinschaft in sinnvoller Weise zu verhindern und den Frieden in der Fa­milie zu erhalten.

Wenn unter den Geschwistern Einigkeit darüber besteht, wer von ihnen das elterliche Haus einmal übernehmen soll, beispielsweise weil die anderen an­derweitig versorgt sind, kann eine Übertragung zu Lebzeiten unter Wah­rung der Rechte der anderen durchaus Sinn machen. Hier muss man den Ein­zelfall ruhig und intensiv prüfen und dann eine Entscheidung treffen.

Erbvertrag

Eine ähnliche Möglichkeit ist der Ab­schluss eines Erbvertrages, der notariell erfolgen muss. Hier müssen die Vor- und Nachteile, die in der wechselseiti­gen Bindung liegen, gegeneinander ab­gewogen werden.

Teilungsanordnung

Sind mehrere Objekte vorhanden, wird sich häufig eine so genannte Teilungs­anordnung anbieten.

Dabei kann die Quote, insbesondere die Gleichbehandlung der Kinder, erhalten bleiben, man muss nur einen Weg fin­den, die Ausgleichung vorzunehmen. Ein - zugegebener Maßen unproblema­tisches - Fallbeispiel soll dies erläutern:

V und M haben drei Kinder, 51, S2 und 11. Sie haben ein Einfamilienhaus (Wert 300.000 €), belastet mit 80.000 €‚ eine Eigentumswohnung (150.000 €) und ein Ferienhaus (160.000 €) sowie ein Barvermögen von 400.000 €. Das Ge­samtvermögen beläuft sich somit auf 930.00 €‚ ein Drittel hiervon sind

310.000 *.

Lösungsvorschlag: Die Ehegatten ma­chen ein Berliner Testament, d. h. sie setzen sich wechselseitig zu Alleinerben und die Kinder zu Schlusserben zu untereinander gleichen Teilen ein. Sie verleihen ihrer Anordnung durch eine Strafklausel, wonach derjenige, der nach dem Tode des Erstversterbenden Pflichtteilsansprüche geltend macht, auch nach dem Tode des Längstleben­den nur das Pflichtteil erhalten soll, Nachdruck und bestimmen als Tei­lungsanordnung:

„S1 erhält das Haus, S2 die Eigentums­wohnung und Tl das Wochenendhaus. Diese werden wie oben angegeben be­wertet, Belastungen sind mit dem Valu­tenstand beim Tode des Längstlebenden in Abzug zu bringen."

S1 erhält somit neben dem Haus 90.000 € aus dem Barvermögen, (310.000 - 220.000 €, S2 neben der Eigentums­wohnung 160.000 € und T1 neben dem Ferienhaus 150.000 €.

Diese Lösung bietet den Vorteil, dass juristische Streitigkeiten über den Wert der Objekte zwischen den Kindern weitgehend ausgeschlossen sind, man muss sich aber natürlich auch die Mühe geben, eine möglichst objektive Bewer­tung vorzunehmen und diese auch in re­gelmäßigen Abständen zu überprüfen und gegebenenfalls anzupassen. Hierzu reicht ein entsprechender Nachtrag aus, z.B. bei einem Dachausbau „In Abän­derung unseres Testamentes vom ... be­werten wir das Einfamilienhaus mit 330.000 €."

Keine Probleme machen Belastungen, auch nicht in der Zukunft aufzuneh­mende, weil diese ja mit dem aktuellen Betrag in die Auseinandersetzung ein­fließen.

Achten sollte man aber natürlich auch darauf, dass die Wünsche und Vorlie­ben der Kinder Berücksichtigung fin­den. So sollten die Objekte - wenn möglich - dann auch von den Kindern selbst genutzt oder zumindest als Ein­nahmeobjekt gehalten werden. Hier ist ein offenes Gespräch äußerst hilfreich, wobei nicht verkannt werden soll, dass ein solches in unserer Zeit, in der wir trotz höchster Lebenserwartung in der Menschheitsgeschichte mit dem Thema Tod nicht recht umgehen können, vie­len sehr schwer fällt.

Die Kinder können sich über diese Tei­lungsanordnung nur gemeinsam hin­wegsetzen oder aber die Erbschaft ausschlagen - was eine Reduzierung auf die Hälfte (Pflichtteil) bedeuten würde und daher kaum zu befürchten ist.

Übernahmerecht

Schließlich ist auch noch darauf hinzu­weisen, dass man einzelnen Erben auch

einen Nachlassgegenstand zuweisen kann mit der Bestimmung, dass dieser das Recht (also insofern anders als bei der Teilungsanordnung) haben soll, den bestimmten Gegenstand entweder zu ei­nem vom Erblasser festgesetzten Preis oder zum Verkehrswert zu übernehmen. Im letztgenannten Fall tauchen wieder die schon oben angedeuteten Probleme auf: wer soll den Wert wie und mit wel­cher Bindungswirkung bestimmen?

Ein solche Übernahmerecht kann sich auf einzelne Gegenstände wie z. B. Schmuck beziehen, aber auch auf eine Immobilie, und man kann auch bestim­men, dass das übernahmerecht in ge­stufter Reihenfolge ausgeübt werden darf. Der Unterschied zur Teilungsan­ordnung besteht in der Wahlfreiheit, der zum Vorausvermächtnis in dem vorzu­nehmenden Wertausgleich.

Vorausvermächtnis

Es gibt abschließend auch noch die Möglichkeit, einzelnen Erben Vermö­genswerte ohne Wertausgleich zukom­men zu lassen. Wer also beispielsweise einem Kind - sei es als Ausgleich für Pflegeleistungen oder auch ohne kon­kreten Anlass - etwas zusätzlich zu­kommen lassen will, kann dies im We­ge eines „Vorausvermächtnisses" tun.

­Dies sollte in der letztwilligen Verfü­gung klar zum Ausdruck gebracht wer­den, z. B. „Unser Sohn H erhält im Wege eines Vorausvermächtnisses, also ohne Anrechnung auf sein Erbteil, die Eigentumswohnung..."

Bei einem solchen Vorausvermächtnis hat der Bedachte bereits mit dem Anfall der Erbschaft und nicht erst im Rahmen der Auseinandersetzung einen schuld-rechtlichen Anspruch gegen die Erben auf Übertragung des Eigentums - auch hier wie bei der Teilungsanordnung durch notariellen Vertrag. Wenn ein solches Vorausvermächtnis dazu führt, dass die anderen Erben weniger als das Pflichtteil erhalten, können diese eine Ergänzung bis zur Höhe des Pflichtteils verlangen, dies ist aber nur ein reiner Geldanspruch, der nicht zu einer Erbengemeinschaft führt.

Zusammenfassung

Es ist als Fazit festzustellen, dass man sich bei größeren Vermögen, insbeson­dere bei mehreren Immobilien, recht­zeitig überlegen sollte, wie man seinen Erben durch klare Vorgaben Streit er­spart. - Neben den anderen genannten Möglichkeiten wird sich häufig eine Teilungsanordnung anbieten. Welche Lösung mit welcher Ausgestaltung im Einzelfall die beste ist, sollte Gegen­stand einer eingehenden Analyse der ei­genen Wünsche und dann einer recht­lich einwandfreien Umsetzung sein.

Und vergessen sie bitte nicht: Nach meiner Überzeugung bedeutet es ein Stück Lebensqualität, alles dafür getan zu haben, dass das Erbe nicht zu einer Quelle des Streites wird, sondern zu et­was, worauf die nächste Generation aufbauen kann.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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