Erbengemeinschaft
- 8 Minuten Lesezeit
Erbengemeinschaften - Quelle vieler Streitigkeiten
Von Rechtsanwalt Michael Pommerening, Sozietät Pommerening & Breitenbach, Hamburg-Wandsbek
Einleitung
Nur ungefähr jeder fünfte Erblasser macht in Deutschland ein Testament, und nicht wenige dieser letztwilligen Verfügungen sind unwirksam. Die Folge ist häufig das Entstehen von Erbengemeinschaften durch die gesetzliche Quotelung - im einfachsten und häufigsten Fall dadurch, dass der überlebende Ehegatte die eine Hälfte des Nachlasses erhält und die Kinder (zu untereinander gleichen Teilen) die andere.
Ist das Verhältnis schon zu Lebzeiten gestört - nicht nur in den Märchen taucht immer wieder die böse Stiefmutter auf - ist der Streit vorprogrammiert. Aber auch das immer wieder in der Beratung zu hörende Argument „Meine Kinder streiten nicht" hält der Realität nicht stand: Oft sind es die Schwiegerkinder, die den Streit schüren, und oft ist die Versuchung, ohne langes Warten an Vermögen heranzukommen, größer als der Familiensinn.
Auch die Schwierigkeiten einer gemeinsamen Verwaltung sind ein starkes Argument gegen Erbengemeinschaften: Soll beispielsweise vermietet werden, an wen und für welche Dauer, soll teuer oder nur notdürftig saniert werden?
Das - in Hamburg schon seit langem nicht mehr - Hoferbenrecht ist ein Beispiel dafür, dass der Gesetzgeber die Risiken einer Zersplitterung des Vermögens bei Grundeigentum für so hoch einschätzte, dass er - wenn auch auf Kosten der Einzelfallgerechtigkeit - eingriff und sicherstellte, dass die Bauernhöfe von jeweils nur einem Kind übernommen wurden. Eine solche Regelung gab und gibt es aber nicht für das Grundvermögen allgemein.
Den Rechtsanwalt oder Notar trifft in der vorbeugenden Erbberatung eine hohe Verpflichtung: er muss nach genauer Erforschung des Sachverhaltes und der Vorstellungen der Mandanten einen Weg finden, bei dem nicht der Grundstock für ausufernde Streitigkeiten gelegt wird. Mit anderen Worten: das Ziel sollte sein, den Erben so weit wie möglich die Chance zum Streiten zu nehmen!
Realteilung
Bei Zinshäusern gibt es eine allem Anschein nach nur wenig bekannte und deshalb leider auch nach meiner Einschätzung viel zu selten eingesetzte Möglichkeit, Erbengemeinschaften zu vermeiden: die Umwandlung in Wohnungseigentum.
Rechtliche Voraussetzungen hierfür sind zunächst, dass nicht eine entsprechende gesetzliche Sperre (die auf dem Prüfstand befindliche Umwandlungsverordnung) die Umwandlung des Objektes in dem speziell betroffenen Gebiet verhindert sowie das Vorliegen einer Abgeschlossenheitsbescheinigung zur Vorbereitung der Teilungserklärung. Dies wird hinsichtlich der einzelnen (in der Regel vermieteten) Wohnungen normaler Weise kein Problem sein, allenfalls hinsichtlich der Nebenräume wie Keller und Boden.
Die Vorbereitung und Einreichung der Unterlagen erfordert natürlich einen gewissen zeitlichen und finanziellen Aufwand unter Inanspruchnahme der Hilfe eines Architekten und eines Notars. Aber die Vorteile liegen auf der Hand:
Man wird in der Regel sogar eine Steigerung des Gesamtwertes erreichen. man kann zu Lebzeiten (z. B. zur Finanzierung von Renovierungskosten) einzelne Wohnungen beleihen oder verkaufen, und man ermöglicht eine relativ unproblematische Verteilung des Nachlasses, und das sogar unter Umständen über mehrere Generationen.
Übertragung zu Lebzeiten
Wann immer in den Medien über eine Änderung des Erbschafts- und Schenkungssteuergesetzes diskutiert oder auch nur spekuliert wird, bekommen die Notare Arbeit. Grundeigentümer glauben, dass ihre Kinder das Objekt wegen der befürchteten hohen Steuern nicht werden halten können und übertragen in Panik das Eigentum bereits zu Lebzeiten
Mein Tipp: Lassen sie sich nicht verrückt machen, und tun sie nicht aus - oft völlig unbegründeten - Steuerängsten heraus etwas, was sie später bereuen. Die Anwälte und Gerichte haben in den letzten Jahren viel Arbeit bekommen, weil unüberlegt zu Lebzeiten Eigentum übertragen wurde und dies dann plötzlich rückgängig gemacht werden sollte - mit ganz mäßigen Erfolgsquoten. Man kann zwar bei einer Schenkung festlegen, dass z. B. bei Weiterverkauf oder ungenehmigter Belastung ein Rückübertragungsanspruch besteht, aber eine Konstruktion, in der der Schenker das Objekt rechtlich in der Hand behält (jederzeitiges Rückforderungsrecht ohne jegliche Begründung) wird vom Finanzamt nicht akzeptiert. Und beispielsweise das plötzliche Unterbleiben von Besuchen bei den Eltern nach erfolgter Übertragung - gegen alle vorigen Beteuerungen - ist kein gesetzlich und von den Gerichten anerkannter Grund, die Schenkung wegen „groben Undanks" zurückzufordern.
Eine Übertragung zu Lebzeiten kann aber in Einzelfällen durchaus eine Möglichkeit sein, das Entstehen einer Erbengemeinschaft in sinnvoller Weise zu verhindern und den Frieden in der Familie zu erhalten.
Wenn unter den Geschwistern Einigkeit darüber besteht, wer von ihnen das elterliche Haus einmal übernehmen soll, beispielsweise weil die anderen anderweitig versorgt sind, kann eine Übertragung zu Lebzeiten unter Wahrung der Rechte der anderen durchaus Sinn machen. Hier muss man den Einzelfall ruhig und intensiv prüfen und dann eine Entscheidung treffen.
Erbvertrag
Eine ähnliche Möglichkeit ist der Abschluss eines Erbvertrages, der notariell erfolgen muss. Hier müssen die Vor- und Nachteile, die in der wechselseitigen Bindung liegen, gegeneinander abgewogen werden.
Teilungsanordnung
Sind mehrere Objekte vorhanden, wird sich häufig eine so genannte Teilungsanordnung anbieten.
Dabei kann die Quote, insbesondere die Gleichbehandlung der Kinder, erhalten bleiben, man muss nur einen Weg finden, die Ausgleichung vorzunehmen. Ein - zugegebener Maßen unproblematisches - Fallbeispiel soll dies erläutern:
V und M haben drei Kinder, 51, S2 und 11. Sie haben ein Einfamilienhaus (Wert 300.000 €), belastet mit 80.000 €‚ eine Eigentumswohnung (150.000 €) und ein Ferienhaus (160.000 €) sowie ein Barvermögen von 400.000 €. Das Gesamtvermögen beläuft sich somit auf 930.00 €‚ ein Drittel hiervon sind
310.000 *.
Lösungsvorschlag: Die Ehegatten machen ein Berliner Testament, d. h. sie setzen sich wechselseitig zu Alleinerben und die Kinder zu Schlusserben zu untereinander gleichen Teilen ein. Sie verleihen ihrer Anordnung durch eine Strafklausel, wonach derjenige, der nach dem Tode des Erstversterbenden Pflichtteilsansprüche geltend macht, auch nach dem Tode des Längstlebenden nur das Pflichtteil erhalten soll, Nachdruck und bestimmen als Teilungsanordnung:
„S1 erhält das Haus, S2 die Eigentumswohnung und Tl das Wochenendhaus. Diese werden wie oben angegeben bewertet, Belastungen sind mit dem Valutenstand beim Tode des Längstlebenden in Abzug zu bringen."
S1 erhält somit neben dem Haus 90.000 € aus dem Barvermögen, (310.000 - 220.000 €, S2 neben der Eigentumswohnung 160.000 € und T1 neben dem Ferienhaus 150.000 €.
Diese Lösung bietet den Vorteil, dass juristische Streitigkeiten über den Wert der Objekte zwischen den Kindern weitgehend ausgeschlossen sind, man muss sich aber natürlich auch die Mühe geben, eine möglichst objektive Bewertung vorzunehmen und diese auch in regelmäßigen Abständen zu überprüfen und gegebenenfalls anzupassen. Hierzu reicht ein entsprechender Nachtrag aus, z.B. bei einem Dachausbau „In Abänderung unseres Testamentes vom ... bewerten wir das Einfamilienhaus mit 330.000 €."
Keine Probleme machen Belastungen, auch nicht in der Zukunft aufzunehmende, weil diese ja mit dem aktuellen Betrag in die Auseinandersetzung einfließen.
Achten sollte man aber natürlich auch darauf, dass die Wünsche und Vorlieben der Kinder Berücksichtigung finden. So sollten die Objekte - wenn möglich - dann auch von den Kindern selbst genutzt oder zumindest als Einnahmeobjekt gehalten werden. Hier ist ein offenes Gespräch äußerst hilfreich, wobei nicht verkannt werden soll, dass ein solches in unserer Zeit, in der wir trotz höchster Lebenserwartung in der Menschheitsgeschichte mit dem Thema Tod nicht recht umgehen können, vielen sehr schwer fällt.
Die Kinder können sich über diese Teilungsanordnung nur gemeinsam hinwegsetzen oder aber die Erbschaft ausschlagen - was eine Reduzierung auf die Hälfte (Pflichtteil) bedeuten würde und daher kaum zu befürchten ist.
Übernahmerecht
Schließlich ist auch noch darauf hinzuweisen, dass man einzelnen Erben auch
einen Nachlassgegenstand zuweisen kann mit der Bestimmung, dass dieser das Recht (also insofern anders als bei der Teilungsanordnung) haben soll, den bestimmten Gegenstand entweder zu einem vom Erblasser festgesetzten Preis oder zum Verkehrswert zu übernehmen. Im letztgenannten Fall tauchen wieder die schon oben angedeuteten Probleme auf: wer soll den Wert wie und mit welcher Bindungswirkung bestimmen?
Ein solche Übernahmerecht kann sich auf einzelne Gegenstände wie z. B. Schmuck beziehen, aber auch auf eine Immobilie, und man kann auch bestimmen, dass das übernahmerecht in gestufter Reihenfolge ausgeübt werden darf. Der Unterschied zur Teilungsanordnung besteht in der Wahlfreiheit, der zum Vorausvermächtnis in dem vorzunehmenden Wertausgleich.
Vorausvermächtnis
Es gibt abschließend auch noch die Möglichkeit, einzelnen Erben Vermögenswerte ohne Wertausgleich zukommen zu lassen. Wer also beispielsweise einem Kind - sei es als Ausgleich für Pflegeleistungen oder auch ohne konkreten Anlass - etwas zusätzlich zukommen lassen will, kann dies im Wege eines „Vorausvermächtnisses" tun.
Dies sollte in der letztwilligen Verfügung klar zum Ausdruck gebracht werden, z. B. „Unser Sohn H erhält im Wege eines Vorausvermächtnisses, also ohne Anrechnung auf sein Erbteil, die Eigentumswohnung..."
Bei einem solchen Vorausvermächtnis hat der Bedachte bereits mit dem Anfall der Erbschaft und nicht erst im Rahmen der Auseinandersetzung einen schuld-rechtlichen Anspruch gegen die Erben auf Übertragung des Eigentums - auch hier wie bei der Teilungsanordnung durch notariellen Vertrag. Wenn ein solches Vorausvermächtnis dazu führt, dass die anderen Erben weniger als das Pflichtteil erhalten, können diese eine Ergänzung bis zur Höhe des Pflichtteils verlangen, dies ist aber nur ein reiner Geldanspruch, der nicht zu einer Erbengemeinschaft führt.
Zusammenfassung
Es ist als Fazit festzustellen, dass man sich bei größeren Vermögen, insbesondere bei mehreren Immobilien, rechtzeitig überlegen sollte, wie man seinen Erben durch klare Vorgaben Streit erspart. - Neben den anderen genannten Möglichkeiten wird sich häufig eine Teilungsanordnung anbieten. Welche Lösung mit welcher Ausgestaltung im Einzelfall die beste ist, sollte Gegenstand einer eingehenden Analyse der eigenen Wünsche und dann einer rechtlich einwandfreien Umsetzung sein.
Und vergessen sie bitte nicht: Nach meiner Überzeugung bedeutet es ein Stück Lebensqualität, alles dafür getan zu haben, dass das Erbe nicht zu einer Quelle des Streites wird, sondern zu etwas, worauf die nächste Generation aufbauen kann.
Artikel teilen: