Testamente
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Hast du schon dein Testament gemacht?
Von Rechtsanwalt Michael Pommerening, Sozietät Pommerening & Breitenbach, Hamburg-Wandsbek
Hand aufs Herz, verehrter Leser, was empfinden Sie, wenn Sie diese Überschrift lesen? Denken Sie an eine Szene aus einem Krimi oder Western, sagen Sie: „Was geht Sie das an?" oder vielleicht sogar „An den Tod will ich nicht denken, so alt bin ich noch nicht!"
Sehen Sie, es ist so schwer, über dieses Thema überhaupt nachzudenken oder - noch viel schlimmer -darüber zu sprechen. Diese psychologische Hemmung führt aber letztlich oft zu Rechtsstreitigkeiten ohne Ende, die mit brutaler Härte geführt werden, mit Argumenten weit unter der Gürtellinie, mit immensen Kosten und oft verbunden mit der Zerrüttung familiärer Beziehungen, insbesondere unter Geschwistern.
Lassen Sie mich diese These an einem Beispiel aus der Praxis verdeutlichen. Vor einigen Tagen kam eine Frau in meine Kanzlei, deren Schwiegermutter verstorben war. Es gab zwar ein etwa 30 Jahre altes Testament, das aber völlig überholt war, weil die darin enthaltenen Zuweisungen einzelner Vermögensteile längst nicht mehr möglich waren. Seit Jahren hatte die Erblasserin jedoch gesagt, der eine Sohn, der sie mit seiner Familie liebevoll gepflegt hatte, solle alles bekommen, aber aufgeschrieben hatte sie es nie. Ein schöner Fall für einen Rechtsanwalt, frei nach dem Motto „Mir geht es gut, ich kann klagen"?
Ich bin der zugegebenermaßen etwas konservativen Ansicht, dass die anwaltliche Kunst vorrangig darin bestehen sollte, durch vertragliche Gestaltungen Streitmöglichkeiten so weit wie machbar auszuschalten. Bezogen auf diesen Fall wäre es sogar ohne anwaltliche oder notarielle Hilfe ohne weiteres möglich gewesen, in einem kurzen handschriftlichen Testament den einen Sohn zum Alleinerben einzusetzen - und man hätte sich nur noch um die Höhe des Pflichtteils auseinandersetzen müssen und können!
Oder ein anderes Beispiel aus der Praxis: Ein Ehepaar hat 3 Kinder und lebt in gesicherten Verhältnissen: ein Haus, eine Mietwohnung und ein Wochenendhaus sind neben Barmitteln vorhanden .„Wozu sollen die ein Testament machen?", fragen Sie vielleicht spontan, „Das geht alles seinen Gang!" Sehen wir uns diesen (gesetzlichen) Gang einmal an: Nach dem Tode des Vaters entsteht eine Erbengemeinschaft, das heißt alle Objekte werden Bruchteilseigentum (1/2, 3 x 1/6), nach dem Tode der Mutter ist jedes Kind Eigentümer zu 1/3 von 3 Objekten. „Na und, meine Kinder streiten nicht!" höre ich dann immer wieder, und immer wieder bin ich aus der bitteren Erfahrung der Praxis skeptisch. Oft sind es gar nicht die Kinder selbst, sondern die Schwiegerkinder nach dem Motto~. „ Dein Bruder ist sowieso immer bevorzugt worden, aber du lässt dir ja alles gefallen."
Was geschieht? Oft schon beim ersten Erbfall schert einer aus, droht mit Teilungsversteigerung oder verlangt den Pflichtteil und bringt den überlebenden Ehegatten und natürlich auch den Familienfrieden in arge Bedrängnis.
Auch für einen solchen Fall kann man aber Vorsorge treffen. Die Eheleute verfügen in einem gemeinschaftlichen Testament, dass der Überlebende Alleinerbe sein soll, die Geltendmachung von Pflichtteilsansprüchen wird durch eine doppelte Strafklausel unattraktiv gemacht, und beim zweiten Erbfall sind die Kinder zwar Erben zu untereinander gleichen Teilen, aber eine Teilungsanordnung verhindert Bruchteilseigentum. Man kann z. B. den Wert der Objekte durch einen Gutachter bestimmen lassen, aber auch festsetzen und zu Lebzeiten in regelmäßigen Abständen überprüfen, und man sollte die Ausgleichsmodalitäten so regeln, dass sie ohne Objektgefährdung zu realisieren sind. Für die Ausarbeitung eines solchen sogenannten Berliner Testamentes braucht man zwar einen Juristen, denn das konzipierte Modell soll ja auch eindeutig formuliert sein, um nicht später durch unterschiedliche Auslegung wiederum Streitigkeiten zu provozieren. Aber könnte dies nicht eine sinnvolle Investition in die Zukunft sein?
Lautet die Lösung also, alles bis ins Kleinste zu regeln? So „einfach" ist es leider auch nicht: Viele Erblasser haben auch den umgekehrten Fehler gemacht, indem sie die Hinterbliebenen sozusagen „mit Gewalt" aneinander schmiedeten. Dazu noch ein abschreckendes Beispiel aus der Praxis: Ein Erblasser wollte offenbar unbedingt sein Mietshaus in der Familie halten. Er setzte einen Testamentsvollstrecker ein, den er namentlich benannte, und zwar „zur Verwaltung". Außerdem verbot er die zwangsweise Auseinandersetzung, solange einer der namentlich benannten Erben noch lebte. Das Ganze ist weit über 30 Jahre her, und jetzt ist die unfreiwillig zusammengekettete Erbengemeinschaft zahlenmäßig erheblich angewachsen und wird dies weiter tun. Ein Erbe lebt in Mexiko, ein anderer soll mit bislang unbekannten Erben in Spanien verstorben sein. In das Haus müssten sechsstellige Beträge hineingesteckt werden, und auf positive Mieterträge ist auf Jahre hinaus nicht zu hoffen. Im Gegenteil: die Mitglieder der Erbengemeinschaft werden wohl sogar noch Kapital einlegen müssen. Eine Teilungsversteigerung ist untersagt, und es nützt auch nichts, dass es lukrative Kaufangebote gibt, weil der Testamentsvollstrecker nur verwalten, nicht aber ohne Zustimmung aller anderen verkaufen darf, und das scheitert schon an der ungeklärten spanischen Seitenlinie. So wird man wohl noch längere Zeit den Schwebezustand ertragen müssen - ein Horrorszenario, nicht wahr?
Welche Schlüsse kann man aus diesen zugegebenermaßen willkürlich ausgewählten, aber realen Beispielen ziehen?
Mein Vorschlag lautet:
Überlegen Sie, ob die gesetzliche Erbfolge Ihre Erbsituation (in den verschiedenen denkbaren Alternativen)n zufriedenstellend löst. Ist das nicht der Fall, machen Sie ein Testament oder schließen Sie einen Erbvertrag.
Schieben Sie diese Mühe nicht auf mit dem Argument, dafür seien Sie noch nicht alt genug. Gehen Sie nicht fast jeden Tag über die Straße, können Sie nicht unverschuldet und unerwartet in eine Situation kommen, in der Sie nicht mehr entscheiden bzw. testieren können? Denken Sie auch daran: Die „Last", die man vor sich herschiebt, wird immer schwerer!
Lassen Sie sich - von einfachen Fällen abgesehen - fachlich beraten. Ein schlechtes Testament kann noch üblere Folgen haben als gar keines.
Vermeiden Sie bei Testamenten nach Möglichkeit das Entstehen von Erbengemeinschaften!
Vermeiden Sie aber auch das Aneinanderketten folgender Generationen, Sie tun damit niemandem einen Gefallen, auch sich selbst nicht!
Berücksichtigen Sie erbschaftssteuerliche Fragen, aber lassen Sie sich nicht vom Steuerrecht etwas aufzwingen, was Sie eigentlich nicht wollen!
Bedenken Sie: Ist es nicht auch ein bisschen Lebensqualität, zu wissen, dass alles ordentlich geregelt ist? Haben Sie Ihre Kinder jahrzehntelang zu Familiensinn und Zusammenhalt erzogen, um dann zu sagen: „Nach mir die Sintflut?!"
Und schließlich: Sie haben Vermögen erworben oder auch vermehrt nicht nur für sich selbst. Sie wollten und wollen, dass es Ihren Kindern zugutekommt und nicht, dass es sie entzweit und dass es verprozessiert wird!
Ich frage noch einmal - Sind Sie immer noch ärgerlich, wenn jemand Sie fragt, ob Sie schon Ihr Testament gemacht haben?
Mein Vorschlag: Niemand wird Sie belästigen, wenn Sie sich rechtzeitig selbst diese Frage vorlegen und beantworten...
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