Ersatz der sonstigen Kosten im VW-Abgasskandal

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Der VW-Abgasskandal, der insbesondere im Herbst 2015 über Wochen und Monate die Medien beherrschte, hat nicht nur Auswirkungen auf den amerikanischen Automobilmarkt. Auch Käufer eines in Deutschland zugelassenen Fahrzeugs, das über den Dieselmotor des Typs EA 189 verfügt, haben gute Chancen, Rechte gegen den Wolfsburger Konzern geltend zu machen. Als erstes Gericht hat das Landgericht München der Klage eines Käufers stattgegeben, der sich nach Bekanntwerden des Skandals von seinem Kaufvertrag lösen wollte. Der Mann sei getäuscht worden und der Mangel noch immer nicht behoben.

Wegweisendes Urteil des Landgerichts München

Der Kläger erwarb mit Vertrag vom 20.05.2014 von der Beklagten, einer mit der Volkswagen AG verbundenen Seat-Vertragshändlerin, einen Seat Ibiza 1.6 TDI mit einem Dieselmotor des Typs EA 189. Nach den Feststellungen des Landgerichts kam es dem Kläger darauf an, ein Fahrzeug mit geringem Schadstoffausstoß und niedrigem Kraftstoffverbrauch, aber einem leistungsstarken Motor zu erwerben. Ihm war deshalb von einem Verkaufsmitarbeiter der Beklagten der TDI-Motor, mit dem sein Fahrzeug ausgestattet ist, besonders empfohlen worden, da dieser seit vielen Jahren von Volkswagen erprobt sei. 

Dem Kläger wurde gesagt, ein Seat Ibiza, wie er ihn schließlich erworben hat, sei bei niedrigem Schadstoffausstoß besonders sparsam im Verbrauch, und so wurde das Fahrzeug in Prospekten auch beworben. Das streitgegenständliche Fahrzeug, bzw. der darin befindliche Motor, ist vom VW-Abgasskandal betroffen. Das heißt, eine Software sorgt dafür, dass die Emission von Stickoxiden auf einem Rollenprüfstand deutlich niedriger als im realen Fahrbetrieb ist. Der Kläger forderte die Beklagte zunächst zur Mängelbeseitigung auf, ehe er die Anfechtung des Kaufvertrags wegen arglistiger Täuschung erklärte.

Die Kammer sprach dem Kläger in dieser wegweisenden Entscheidung sowohl die Rückzahlung des Kaufpreises – abzüglich eines Nutzungsersatzes – als auch darüber hinaus den Ersatz seiner sonstigen Kosten wie Zulassung, Garantieverlängerung und Zusatzausstattung zu. Denn der niedrige Schadstoffausstoß des Fahrzeugs sei neben dem niedrigen Kraftstoffverbrauch, wie oben beschrieben, ein entscheidender Punkt zwischen den Vertragsparteien und ein für den Kläger maßgebliches Verkaufsargument gewesen. 

Eine Seat-Vertragshändlerin, die damit werbe, eine hundertprozentige Tochter der Volkswagen AG zu sein und damit besonderes Vertrauen für sich in Anspruch nehme, müsse sich bezogen auf den VW-Abgasskandal das Wissen der Volkswagen AG zurechnen lassen.

Der erhöhte Schadstoffausstoß als Sachmangel

Aufgrund der erfolgreichen Anfechtung des Kaufvertrages musste das Gericht nicht mehr über den ebenfalls erklärten Rücktritt entscheiden. Doch auch hier positionierten sich die Münchener Richter klar. Unzweifelhaft läge in dem erhöhten Schadstoffausstoß ein Sachmangel im Sinne von § 434 BGB. Ob eine Behebung dieses Mangels ohne gleichzeitige Einbußen beim Kraftstoffverbrauch oder der Motorleistung überhaupt möglich ist, sei bereits zweifelhaft. Auch das grundsätzliche Erfordernis einer Fristsetzung wurde zugunsten des Klägers beurteilt. Zwar dürfe eine Frist zur Nachbesserung eines vom VW-Abgasskandal betroffenen Fahrzeugs von zwei Wochen zu knapp bemessen sein. 

Eine „angemessene Frist“ (§ 281 BGB, § 323 BGB) betrage aber keinesfalls sechs Monate oder gar mehr. Die Beklagte hatte den Kläger auf dessen Nachbesserungsbegehren zunächst lediglich darauf verwiesen, dass an dem Problem gearbeitet werde. Zudem scheitere ein Rücktritt nicht an einer Unterschreitung der Erheblichkeitsschwelle. Die in der Lieferung eines vom VW-Abgasskandal betroffenen – und damit mangelhaften – Fahrzeugs liegende Pflichtverletzung des Verkäufers sei selbst dann nicht im Sinne von § 323 Abs. 5 S. 2 BGB unerheblich, wenn die eigentliche Mangelbeseitigung nur einen Kostenaufwand von unter 100 € erfordere.

Das Gericht betonte, dass es sich um eine Einzelfallentscheidung handele. Dennoch lässt sich aus dem Urteil eine ganze Reihe positiver Aspekte für betroffene Käufer eines Fahrzeugs mit dem Dieselmotor Typ EA 189 ziehen. Die Rechtsprechung hatte sich in den letzten Monaten immer positiver für die Verbraucher entwickelt. In vielen Fällen übernehmen mittlerweile die Rechtsschutzversicherungen die Kosten für das weitere Vorgehen gegen die Volkswagen AG. Die Rechtsanwaltskanzlei Werdermann | von Rüden vertritt zahlreiche Mandanten gegen die Volkswagen AG und bereitet entsprechende Prozesse vor. Bei Fragen stehen wir Ihnen gerne telefonisch und via E-Mail zur Verfügung.


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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