EuGH: Preisanpassungsklauseln auch in Grundversorgung (Strom/Gas) unwirksam

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Mit einem Urteil vom 27.10.2014 (Rs. C-359/11und C-400/11) hat der Europäische Gerichtshof nunmehr auch die einseitige Preisanpassung für die Grundversorgung (mit Strom/Gas) nach Maßgabe des § 5 Abs. 2 und 3 StromGVV bzw. GasGVV für unvereinbar mit den Vorgaben des europäischen Rechts (v.a. den Vorgaben der so genannten „Stromrichtlinie“ 2003/54/EG und „Gasrichtlinie“ 2003/55/EG, die mittlerweile jedoch durch die Elektrizitäts- und Erdgasbinnenmarktrichtlinien 2009/72/EG und 2009/73/EG aufgehoben worden sind) erklärt. Er ist damit den Schlussanträgen des Generalanwalts gefolgt und hat seine restriktive Rechtsprechung gegenüber dem deutschen Preisanpassungsrecht fortgesetzt.

Bisherige Regelung für Preisänderungen bei Grundversorgung

Bislang war der Grundversorger berechtigt, einseitig Preisänderungen vorzunehmen, ohne die Kunden in der Grundversorgung („Tarifkunden“) darüber vorab informieren zu müssen. Die Kunden mussten im Falle einer Preisänderung lediglich benachrichtigt werden und hatten ein Kündigungsrecht. Der EuGH sah dieses nunmehr in einem Vorabentscheidungsverfahren auf Vorlage des BGH als europarechtswidrig an, weil der Verbraucher rechtzeitig vor Inkrafttreten einer Preisänderung über Anlass, Voraussetzungen und Umfang informiert werden müsse. Demnach wären nunmehr in der Vergangenheit erfolgte Preiserhöhungen in der Grundversorgung für Gas und Strom möglicherweise unwirksam.

Rechtsprechung zu Preisänderungen bei Sondervertragskunden

Für Sonderkundenverträge hatte der EuGH bereits in einem früheren Verfahren (Urt. v. 21.03.2013 – Rs. C-92/11 – noch zu § 4 AVBGasV) festgestellt, dass diese von vornherein über Anlass, Voraussetzungen und Umfang einer Preisänderung zu informieren habe. Auch Klauseln, die gesetzliche Regelungen inhaltsgleich übernehmen, sind demnach AGB-rechtlich überprüfbar. Einer solchen Prüfung hielten jedoch nach Ansicht des EuGH nur Regelungen stand, die den Anforderungen an Treu und Glauben, Ausgewogenheit und Transparenz genügen. Daher müssten in Preisanpassungsklauseln Anlass und Modus der Änderung so transparent dargestellt werden, dass der die etwaigen Änderungen der Entgelte anhand klarer und verständlicher Kriterien absehen kann. Der BGH hat sich dieser Rechtsprechung mit einem Urteil vom 31.07.2013 (Az. VIII ZR 162/09) angeschlossen und seine bisherige Rechtsprechung zur Zulässigkeit von den Vorgaben der GVV entsprechenden Preisanpassungsklauseln in Sonderverträgen aufgegeben und derartige Preisanpassungsklauseln in Sonderkundenverträgen der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB nicht standhielten und somit unwirksam seien. Er stellte gleichzeitig jedoch im Hinblick auf die Rückforderung klar, dass Endkunden die Unwirksamkeit derjenigen Preiserhöhungen nicht geltend machen können, wenn sie sie nicht innerhalb eines Zeitraums von drei Jahren nach Zugang der jeweiligen Jahresabrechnung beanstandet haben, in der die Preiserhöhung erstmals berücksichtigt worden ist.

Neue Rechtsprechung des EuGH zu Preisänderungen bei Grundversorgung

Der EuGH übertrug seine Rechtsprechung zu Preisanpassungsklauseln in Sonderverträgen nunmehr auch auf den Bereich der Grundversorgung. Er betonte nun in seiner jüngsten Entscheidung zu Preisanpassungsklauseln, dass die Mitgliedstaaten in Bezug auf die Transparenz der allgemeinen Vertragsbedingungen einen hohen Verbraucherschutz gewährleisten müssten, und stellte fest, dass den Kunden neben ihrem (in den Richtlinien für den Fall einer Preisänderung vorgesehenen) Recht sich vom Liefervertrag zu lösen auch die Befugnis erteilt werden muss gegen eine solche Änderung vorzugehen.

Gesetzesänderungen in StromGVV/GasGVV

Der Bundesgesetzgeber war bereits nach den Schlussanträgen des Generalanwalts aktiv geworden und hat mit der „Verordnung zur transparenten Ausweisung staatlich gesetzter oder regulierter Preisbestandteile in der Strom- und Gasgrundversorgung“ bereits wenige Tage nach der Entscheidung des EuGH eine Änderung der als europarechtswidrig bemängelten Vorschriften der Strom- und GasGVV umgesetzt. Am 1. November 2014 sind die neuen §§ 5 und 5a StromGVV bzw. GasGVV in Kraft getreten. Die Änderungen sind damit insbesondere bei künftigen Preisanpassungen zu beachten. Vorangegangene Preisänderungen bleiben durch die Neuregelung unberührt. Es ist zunächst abzuwarten, wie der BGH die diesbezüglichen Vorgaben der Rechtsprechung des EuGH konkretisiert und inwieweit Rückforderungsansprüche bestehen. Mit einer Entscheidung des BGH wird im Frühjahr 2015 gerechnet. Um sicherzugehen, dass eine Verjährung von ggf. bestehenden Ansprüchen aus Rechnungen vor dem Jahr 2012 vermieden wird, müssten Rückforderungen vor Ablauf des Jahres 2014 gegenüber dem Versorger verjährungshemmend geltend gemacht werden. Für Sondervertragskunden gilt regelmäßig ein Zeitraum von drei Jahren, für Tarifkunden käme ggf. auch ein kürzerer Zeitraum in Frage. Wenn Kunden jedoch ausreichend transparent und rechtzeitig informiert worden sind, können die Preisanpassungen auch wirksam sein. Bei zukünftigen Preisanpassungen müssen die Grundversorger müssen den Tarifkunden gegenüber Anlass, Voraussetzungen und Umfang der Preisänderungen transparent darstellen und (mindestens) die neuen Vorgaben beachten. Ob diese dann im Ergebnis auch tatsächlich den europarechtlichen Anforderungen genügen, ist gleichwohl nicht geklärt.



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