EuGH zur internationalen Zuständigkeit bei Managerhaftungsfällen

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EuGH: Für Schadenersatzansprüche gegen den weisungsabhängigen Geschäftsführer ist dessen Wohnsitzstaat, für Schadenersatzansprüche gegen den nicht weisungsabhängigen Geschäftsführer der Staat, in dem die Leistungen zu erbringen sind zuständig. Auf den Ort der unerlaubten Handlung ist nur abzustellen, wenn das Verhalten nicht als Verletzung der gesellschaftsrechtlichen Pflichten angesehen werden kann.

Aufgrund der Globalisierung der Wirtschaft und dem Zusammenwachsen von Europa nehmen gesellschaftsrechtliche Konstruktionen mit Auslandsbezug zu. Dies hat auch Auswirkungen auf die Frage, wo gegebenenfalls Ansprüche aus Managerhaftung geltend gemacht werden können.

Der EuGH hatte nunmehr in einem Urteil vom 10.09.2015 – C-47/14 – die Möglichkeit, zu der Frage Stellung zu nehmen, in welchem Staat Schadenersatzansprüche bei grenzüberschreitenden Sachverhalten geltend zu machen sind.

Sachverhalt

Der Sachverhalt ist dabei schnell skizziert: Der Beklagte ist Deutscher mit Wohnsitz in Deutschland. Er war Direktor einer als BV organisierten Holdinggesellschaft mit Sitz in den Niederlanden. Gleichzeitig war er Geschäftsführer von drei GmbH mit Sitz in Deutschland, deren Geschäftsanteile von der Holding gehalten wurden. An der Holding selbst hielt der Kläger nur eine Minderheitsbeteiligung. Zwischen der Holding und dem Beklagten bestand ein vom EuGH als „Arbeitsvertrag“ umschriebener Dienstleistungsvertrag, der die Rechte und Pflichten als Direktor regelte. Die deutschen Tochtergesellschaften machen gegen den Beklagten Schadenersatzansprüche wegen der Verletzung von Geschäftsführerpflichten und arbeitsvertraglicher Pflichten sowie aus unerlaubter Handlung vor niederländischen Gerichten geltend. Das erstinstanzliche Gericht hat seine Zuständigkeit verneint, in der Berufung hat das niederländische Kassationsgericht den EuGH in einem Vorabentscheidungsverfahren angerufen.

Entscheidung

Dieser verwies die Sache zur weiteren Tatsachenfeststellung zwar zurück, führte aber zu der fraglichen Rechtsfrage Folgendes aus:

  • Wenn ein Geschäftsführer oder Direktor nach Weisung der Gesellschaft für diese gegen Vergütung Leistungen von bestimmter Dauer erbringe, so liege ein Arbeitsvertrag i.S.d. Art 18 Brüssel I-VO vor. Dann sei nach Art. 20 Brüssel I-VO ausschließlicher Gerichtsstand im Wohnsitzstaat des Arbeitnehmers. Ob eine Unterordnung vorliege, sei eine Entscheidung im Einzelfall;
  • Für den Fall, dass der Beklagte aufgrund seiner Minderheitsbeteiligung an der BV „nicht unwesentliche“ Einflussmöglichkeiten auf die Willensbildung der BV habe, so stünde dies einem Unterordnungsverhältnis entgegen. Dann richte sich die Zuständigkeit nach Art. 5 Nr. 1 Brüssel I-VO nach dem Erfüllungsort der Vertragspflichten. Sofern dies nicht vertraglich geregelt sei, sind hierfür die tatsächlichen Verhältnisse maßgebend, also der örtliche Schwerpunkt der Tätigkeit.
  • Der Gerichtsstand des Orts der unerlaubten Handlung nach Art. 5 Brüssel I-VO greift nur dann ein, wenn das schadenersatzbegründende Verhalten keine Verbindung zu der gesellschaftlichen Tätigkeit hat.

Fazit

Übertragen auf die „übliche“ deutsche GmbH bedeutet dies, dass ein Geschäftsführeranstellungsvertrag in der Regel einen Arbeitsvertrag i.S.d. Art 18 Brüssel I-VO darstellt, weil die Gesellschafterversammlung nach § 37 GmbHG gegenüber dem Geschäftsführer weisungsbefugt ist. Dies stellt sich bei der AG anders dar, weil die Vorstände die Gesellschaft eigenverantwortlich führen, ohne dass sie Weisungen unterworfen sind. Klagen gegen den Geschäftsführer sind also regelmäßig in dem Land anzubringen, in dem er seinen Wohnsitz hat.

Dies stellt sich nur dann anders dar, wenn der Geschäftsführer gleichzeitig Gesellschafter der GmbH ist und auf deren Willensbildung Einfluss nehmen kann, was mindestens eine Sperrminorität voraussetzen dürfte. Dann sind die Gerichte in dem Land zuständig, in dem nach Satzung oder Arbeitsvertrag die geschuldete Leistung – also die Geschäftsführung – zu erbringen ist. Finden sich in den Vertragswerken keine Regelungen, ist entscheidend, wo der Geschäftsführer tatsächlich seine Leistungen erbracht hat.

Ein Abstellen auf den Ort der unerlaubten Handlung dürfte dagegen in Managerhaftungsfällen nur ausnahmsweise durchgreifen, weil der Geschäftsführer nach deutschem Verständnis zumindest dazu verpflichtet ist, die Rechtsordnung, also auch alle Schutzgesetze der nationalen Rechtsordnung, einzuhalten. Damit stellt eine unerlaubte Handlung im Rahmen der Geschäftsführungssphäre auch immer eine Verletzung der Geschäftsführungspflichten dar.

Übertragen auf die üblichen Konstellationen, in denen ein Geschäftsführer einer in Deutschland belegenen GmbH in Deutschland die Geschäftsführung durchführt und in Deutschland wohnt, bedeutet diese Rechtsprechung also, dass üblicherweise deutsche Gerichte zuständig sind, auch wenn der Anstellungsvertrag ggf. mit einer im Ausland befindlichen Holdinggesellschaft geschlossen wurde.

Ob dies Ergebnis im Hinblick auf die strengen Anforderungen der deutschen Gerichte an die Sorgfaltsmaßstäbe der Manager allerdings für den Geschäftsführer wünschenswert ist, mag dahingestellt bleiben.

RA Heiko Effelsberg, LL.M.

Fachanwalt für Versicherungsrecht



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