Formvorschriften im Arbeitsrecht (Wichtig u.a. für Kündigung, Befristung und Aufhebungsvertrag)

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1.    Einleitung/Problematik
Die zunehmende Digitalisierung macht auch vor den Personalabteilungen von Unternehmen nicht halt. Dennoch können nicht sämtliche Vorgänge in der Personalverwaltung ausschließlich digital abgewickelt werden, weil im Arbeitsrecht bestimmte Formvorschriften einzuhalten sind. Der folgende Artikel beschäftigt sich ohne Anspruch auf Vollständigkeit anhand der wichtigsten Anwendungsfälle mit der Frage, welche Rechtsform bei welchen Personalmaßnahmen einzuhalten sind und welche Rechtsfolge ein Verstoß dagegen hat.

2.    Grundsatz
Wie im gesamten Zivilrecht gilt auch im Arbeitsrecht grundsätzlich Formfreiheit. Arbeitsverträge zum Beispiel können wirksam durch mündliche Vereinbarung abgeschlossen werden. Die nachfolgenden Ausführungen zeigen jedoch, warum im Regelfall Arbeitsverträge schriftlich abgefasst werden.
Eine bestimmte Form ist im Arbeitsrecht nur dann einzuhalten, wenn dieses ausdrücklich gesetzlich vorgeschrieben ist oder vertraglich vereinbart wurde. Rechtsgeschäfte, deren gesetzlich vorgeschriebene Form nicht eingehalten wurde, sind nichtig, also von Anfang an unwirksam (§ 125 BGB). Diese Rechtsfolge gilt auch für vertraglich vereinbarte Formerfordernisse, es sei denn eine andere Rechtsfolge ist eindeutig vereinbart.

3.    Verschiedene Formerfordernisse im Arbeitsrecht
3.1.    Schriftform (§ 126 BGB)

Gemäß § 126 BGB regelt, dass die schriftliche Form immer dann einzuhalten ist, wenn sie vom Gesetz vorgeschrieben ist. Leider verwendet der Gesetzgeber die Begriffe nicht einheitlich. So meint der Gesetzgeber oft auch dann die Schriftform des § 126 BGB, wenn nur von "schriftlich" spricht und nicht von "schriftlicher Form" (z.B. § 22 Abs. 3 BBiG, § 4 KSchG). Die Begriffe Schriftform und schriftliche Form sind gleichbedeutend. Zur Einhaltung der Schriftform muss ein zusammenhängendes Dokument von dem Aussteller eigenhändig durch Namensunterschrift oder mittels notariell beglaubigten Handzeichens unterzeichnet werden (Abs. 1). Die Unterschrift hat Klarstellungs- und Beweisfunktion. Sie soll die Identität des Ausstellers erkennbar machen, die Echtheit der Urkunde gewährleisten und dem Empfänger die Prüfung ermöglichen, wer die Erklärung abgegeben hat. Zudem soll die Unterschrift die Erklärung räumlich abschließen (Palandt/Ellenberger, BGB, 77. Aufl. 2018, § 126 Rn. 6). Die schriftliche Form kann durch die notarielle Beurkundung ersetzt werden (Abs. 4). Bei einem Vertrag muss die Unterzeichnung der Parteien auf derselben Urkunde erfolgen. Werden über den Vertrag mehrere gleichlautende Urkunden aufgenommen, so genügt es, wenn jede Partei die für die andere Partei bestimmte Urkunde unterzeichnet (Abs. 2). Schriftform heißt also kurz gesagt: Auf Papier mit Unterschrift. Nicht notwendig ist, für die Schriftform, dass das Dokument handgeschrieben ist. Nicht ausreichend für die Schriftform ist ein Fax. Hier fehlt es an der Originalunterschrift.

3.2.    elektronische Form
Die Schriftform kann gemäß § 126 Abs. 3 durch die elektronische Form ersetzt werden, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt. Dazu ist nach § 126a BGB eine qualifizierte elektronische Signatur erforderlich. Nur diese besondere Form der elektronischen Signatur genügt den Anforderungen. Eine qualifizierte elektronische Signatur ist nur durch die Anwendung einer geeigneten Signatursoftware möglich. Vorab ist eine Identifizierung bei einem auf der Homepage der Bundesnetzagentur angezeigten qualifizierten Vertrauensdiensteanbieter nötig. Zudem findet während des Signiervorgangs eine Validierung (z.B. per SMS oder per PIN) statt. Diese hohen Anforderungen sind der Grund, warum sich die elektronische Signatur in der Praxis noch nicht durchgesetzt hat.

3.3.    Textform

Zur Einhaltung der Textform muss eine Erklärung in einem lesbaren Text abgegeben werden, der auch auf einem dauerhaften elektronischen Datenträger festgehalten werden kann. Es ist ausreichend, dass die Person des Erklärenden im Text genannt ist (§ 126b BGB). Eine Unterschrift ist nicht erforderlich. Erklärungen können also per E-Mail, SMS o.ä.) wirksam abgegeben werden. Allerdings kann sich im Einzelfall das Problem der Beweisbarkeit insbesondere des Zugangs stellten. Derjenige, der sich auf die Willenserklärung beruft, muss den Zugang der entsprechenden Erklärung beweisen.

3.4.    Reformbestrebungen
Nach dem Eckpunktepapier der Bundesregierung zum IV. Bürokratieentlastungsgesetz (BEG IV) sollen auch bei den arbeitsrechtlichen Vorschriften Erleichterungen im Hinblick auf die Form vorgesehen werden. So soll die elektronische Form die Regel und die Schriftform die Ausnahme werden. Im Nachweisgesetz soll die Schriftform durch die Textform gemäß § 126b BGB ersetzt und bei Arbeitszeugnissen soll die elektronische Form ermöglicht werden. Das BEG IV soll Ende Juni 2024 vom Bundestag beschlossen und nach der parlamentarischen Sommerpause vom Bundesrat bestätigt werden. Es ist davon auszugehen, dass bis dahin noch weitere Entlastungsmaßnahmen im Laufe des parlamentarischen Verfahrens ergänzt werden und es zu zahlreichen Änderungen am vorliegenden Gesetzentwurf kommt. Bis zum Inkrafttreten des Gesetzes sollte man sich also mit den geltenden Regeln beschäftigen.

4.    Welche Form für welches Rechtsgeschäft?
4.1.    Schriftformerfordernis ohne Ersetzung durch die elektronische Form
4.1.1.    Kündigung und Aufhebungsvertrag

Der § 623 BGB bestimmt: Die Beendigung von Arbeitsverhältnissen durch Kündigung oder Auflösungsvertrag bedürfen zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform; die elektronische Form ist ausgeschlossen. Von dieser Regelung kann weder durch Einzelarbeitsvertrag noch durch Tarifvertrag abgewichen werden. Bei der Änderungskündigung bedarf nicht nur die Kündigungserklärung selbst, sondern auch das das Änderungsangebot der Schriftform (Erfurter Kommentar z. Arbeitsrecht, 19. Aufl. 2019, BGB, § 623 Rn. 16). Beim Aufhebungsvertrag erstreckt sich das Schriftformerfordernis auf alle Teile und auf Ergänzungen. Fehlt bei einer wesentlichen Nebenabrede die Schriftform, ist der Vertrag als Ganzes nichtig (Erfurter Kommentar z. Arbeitsrecht, a.a.O. Rn. 20).
Kündigungen, egal von welcher Seite, sind also nur und erst dann wirksam, wenn sie der anderen Seite in schriftlicher Form zugegangen sind. Aufhebungsverträge kommen erst zustande, wenn beide Seiten das Vertragsdokument bzw. jeweils eine Ausfertigung von mehreren gleichlautenden Dokumenten eigenhändig unterschrieben hat. Die weit verbreitete Praxis kurz vor Fristablauf oder einem Gütetermin vor dem Arbeitsgericht einen Aufhebungsvertrag per Fax zu schließen, ist also zum wirksamen Vertragsschluss nicht geeignet. Nur für reine Abwicklungsverträge, deren notwendige Voraussetzung eine bereits erfolgte wirksame Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist, bedarf es keiner besonderen Form.

4.1.2.    Nachweis der wesentlichen Arbeitsbedingungen
Gemäß § 2 Nachweisgesetz (NachwG) hat der Arbeitgeber die im Gesetz aufgezählten wesentlichen Vertragsbedingungen des Arbeitsverhältnisses teilweise schon bis zum 1. Tag der Arbeitsleistung schriftlich niederzulegen, die Niederschrift zu unterzeichnen und dem Arbeitnehmer auszuhändigen. Der Nachweis in elektronischer Form ist ausdrücklich ausgeschlossen. Auch wenn das Schriftformerfordernis nur den Arbeitgeber trifft, wird es in vielen Fällen die administrativ einfachste Lösung sein, den Arbeitsvertrag komplett schriftlich abzufassen und spätere Änderungen ebenfalls schriftlich vorzunehmen. Das erfüllt auch den Zweck der Dokumentation und Beweisbarkeit einer Einigung über die entsprechenden Inhalte.

4.1.3.    Arbeitszeugnis
Arbeitszeugnisse müssen gemäß § 630 BGB bzw. § 109 GewO ebenfalls schriftlich erstellt werden, ohne dass die Ersetzung durch die elektronische Form möglich ist. Das gilt auch für das Ausbildungszeugnis (§ 16 BBiG).

4.2.    Schriftformerfordernis mit Möglichkeit der Ersetzung durch die elektronische Form
Das wichtigste Schriftformerfordernis, dass nach allgemeiner Meinung durch eine qualifizierte elektronische Signatur ersetzt werden kann, gilt für die Befristung oder die auflösende Bedingung eines Arbeitsvertrages. Zwar bezieht sich der Schriftformzwang nach § 14 Abs. 4 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) nur auf die Befristungsabrede selbst. Weil jedoch die meisten Arbeitsverträge auch eine Vereinbarung zur automatischen Beendigung aus Altersgründen (z.B. mit Erreichen der Regelaltersgrenze) enthalten, die ebenfalls eine Befristung darstellt, empfiehlt es sich auch hier, den gesamten Arbeitsvertrag in der gesetzlichen Schriftform abzuschließen. Das Schriftformerfordernis gilt auch für die Mitteilung des Arbeitgebers über die Erreichung des Befristungszwecks beim zweckbefristeten Arbeitsvertrag (§ 15 Abs. 2 TzBfG). Da in den vorgenannten Fällen ein ausdrücklicher Ausschluss der elektronischen Form fehlt, wird diese hier für zulässig gehalten.
Das Gleiche gilt auch für einen Widerspruch gegen einen Betriebsübergang (§ 613a Abs. 6 BGB), den Abschluss von Betriebsvereinbarungen (§ 77 Abs. 2 BetrVG), den Arbeitnehmerüberlassungsvertrag (§ 12 Abs. 1 AÜG), den Antrag auf Elternzeit (§ 16 BEEG) oder auf Pflegezeit (§ 3 PflegeZG), das Wettbewerbsverbot (§ 74 HGB) sowie die Geltendmachung eines Weiterbeschäftigungsverlangens durch Azubis nach Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses bzw. dessen Ablehnung durch den Arbeitgeber (§ 78a BetrVG), wenn die Azubis Mitglied der Jugend- und Auszubildendenvertretung bzw. des Betriebsrats, der Bordvertretung oder des Seebetriebsrats sind.

4.3.    Textform ausreichend
Die Gehaltsabrechnung bedarf nach § 108 Abs. 1 GewO ebenso der Textform, wie die Unterrichtung der Arbeitnehmer über einen Betriebsübergang nach § 613a Abs. 5 BGB. Die Textform gilt auch für einen Antrag auf Verringerung der Arbeitszeit und die Mitteilung der Entscheidung darüber durch den Arbeitgeber (§ 8 TzBfG). Ferner hat das Auskunftsverlangen nach § 10 EntgTranspG hat in Textform zu erfolgen. Nach herrschender Meinung reicht auch für die Mitteilung der Bedenken durch den Betriebsrat nach der Betriebsratsanhörung gemäß § 102 BetrVG die Textform aus. Jedoch soll beim Widerspruch die Schriftform erforderlich sein. (Erfurter Kommentar z. Arbeitsrecht, a.a.O. § 102 Rn. 12ff.).

5.    Rechtstipp
Arbeitgeber und Arbeitnehmer sollten sich für jede einzelne Rechtshandlung mit den formalen Wirksamkeitsvoraussetzungen befassen und im Zweifel auf die Schriftform setzen. Auch wenn die Schriftform mitunter mehr Verwaltungsaufwand und eine langsamere Entfaltung der Rechtswirkung mit sich bringt, entsteht dadurch ein Gewinn an Rechtssicherheit. In manchen Fällen kann durch dieses Vorgehen auch eine rechtliche Auseinandersetzung vermieden werden.
Umgekehrt können alle, die über die Formvorschriften gut informiert sind, mit einfachen Mitteln die Wirkung von Willenserklärungen bestreiten.
Im Interesse des Bürokratieabbaus bleibt zu hoffen, dass die Formerfordernisse des Arbeitsrechts vom Gesetzgeber überarbeitet und vereinheitlicht werden. Anwenderfreundlich und rechtssicher wäre ein praktikabler einheitlicher digitaler Standard.

(Stand: 16.05.2024)



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