Frage der Verjährung im Abgasskandal – Schadenersatz kann vielfach noch geltend gemacht werden

  • 4 Minuten Lesezeit

Im VW-Abgasskandal wird der Bundesgerichtshof ein wichtiges Urteil zur Verjährung am 17.12.2020 verkünden. Eine Tendenz ließ der BGH allerdings schon der Verhandlung am 14.12.2020 erkennen (BGH VI ZR 739/20). Die Karlsruher Richter halten Schadenersatzansprüche voraussichtlich ab 2019 für verjährt. „Von dieser zu erwartenden Entscheidung sollten sich geschädigte Autokäufer nicht abschrecken lassen. Denn es gibt eine wichtige Einschränkung. Die kenntnisabhängige dreijährige Verjährungsfrist lief dann zum 31.12.2018 ab, wenn der Kläger tatsächlich schon 2015 kurz nach Bekanntwerden des VW-Abgasskandals Kenntnis von der konkreten Betroffenheit seines Fahrzeugs hatte. Diese Konstellation ist jedoch untypisch und hat für viele andere VW-Diesel-Fahrer keine Bedeutung.“, sagt der im Abgasskandal erfahrene Rechtsanwalt Michael Staudenmayer aus Stuttgart. 

Besonderheit: Kläger räumt Kenntnis seit 2015 ein 

In dem zu Grunde liegenden Fall hatte der Kläger eingeräumt, dass er bereits Ende 2015 Kenntnis davon hatte, dass sein VW Touran von den Abgasmanipulationen betroffen ist. Seine Schadenersatzklage hat er aber erst 2019 eingereicht. Bei einer solchen Konstellation geht der BGH voraussichtlich davon aus, dass Ende 2015 die dreijährige Verjährungsfrist zu laufen begann und Verjährung somit am 1. Januar 2019 eingetreten ist. „In vielen Fällen kann aber von einer Kenntnis schon im Jahr 2015 nicht ausgegangen werden. Die Kenntnis von der eigenen Betroffenheit ist erst später, z.B. mit Erhalt des Rückrufschreibens entstanden. Dementsprechend verschiebt sich der Eintritt der Verjährung“, erklärt Rechtsanwalt Staudenmayer. 

BGH kündigt weiteres Verfahren an 

Dem BGH ist offensichtlich bewusst, dass seine in Kürze zu erwartende Entscheidung auf viele andere anhängige Klagen im Abgasskandal nicht zu übertragen ist. Der Vorsitzende Richter beim BGH Stephan Seiters kündigte jedenfalls bereits ein weiteres Verfahren zur Verjährung im Abgasskandal an. Dieses soll dann auch für andere Verfahren maßgeblich sein. 

Fahrzeuge mit Motor EA 288 oder EA 897 nicht betroffen 

Von der Entscheidung des BGH sind VW-Diesel mit einem anderen Motor als dem EA 189 nicht betroffen. Das gilt für Fahrzeuge mit den größeren 3-Liter-Dieselmotoren ebenso wie für Fahrzeuge mit dem Nachfolgemotor EA 288. Auch Schadenersatzklagen bei Fahrzeugen anderer Hersteller, z.B. Daimler, mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung, sind nicht betroffen. 

Teilnahme an der Musterfeststellungsklage hemmt Verjährung 

Selbst für Schadenersatzklagen bei Fahrzeugen der Marken VW, Audi, Seat oder Skoda ist die Entscheidung nicht in jedem Fall relevant. „Geschädigte Autokäufer, die sich an der Musterfeststellungsklage gegen VW beteiligt haben, aber leer ausgegangen sind, haben zumindest die Hemmung der Verjährung ihrer Ansprüche erreicht und sollten prüfen lassen, ob sie ihre Schadenersatzforderungen nicht doch noch auf dem „normalen“ Gerichtsweg geltend machen“, so Rechtsanwalt Staudenmayer. 

Dabei sollten sie beachten, dass nach einer starken juristischen Meinung hier die Verjährung voraussichtlich zum 04.01.2021 eintreten wird. 

Für Kläger, die ihr Fahrzeug nach dem Bekanntwerden des Abgasskandals gekauft haben, oder ihren Wohnsitz nicht in Deutschland haben, und die im Musterfeststellungsverfahren nichts erreicht haben, gab es zuletzt verbraucherfreundliche Urteile“, sagt Rechtsanwalt Staudenmayer. 

So hat der EuGH mit Urteil vom 09.07.2020 entschieden, dass geschädigte Autokäufer aus der EU nicht in Deutschland klagen müssen, sondern Klagen auch in ihrem Heimatland möglich sind (EUGH C-343/19). „Ein Kunde aus Österreich kann beispielsweise auch in Österreich auf Schadenersatz klagen“, so Rechtsanwalt Staudenmayer. 

Autokauf nach dem 22.09.2015 

Hoffnung gibt es auch für geschädigte Verbraucher, die ihr Fahrzeug erst nach Bekanntwerden des Abgasskandals, d.h., nach dem 22.09.2015 gekauft haben. Der BGH hat zwar schon entschieden, dass VW sein Verhalten nach dem 22.09.2015 geändert habe und der Vorwurf der Sittenwidrigkeit daher entfalle. „Das gilt aber nicht zwangsläufig für die VW-Tochter Audi“, so Rechtsanwalt Staudenmayer. Hier hat z.B. das Landgericht Ingolstadt mit Urteil vom 12.11.2020 (Az.: 81 U 571/19) einem Kläger Schadenersatz zugesprochen, der einen vom Abgasskandal betroffenen Audi A4 erst im Januar 2016 gekauft hatte. Der Vorwurf der Sittenwidrigkeit könne bei Audi nicht entfallen, so das Gericht. Der Kläger habe daher Anspruch auf Schadenersatz wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung. 

Auch das LG Mönchengladbach hat einem Seat-Käufer, der das Fahrzeug nach Bekanntwerden des Abgasskandals gekauft hatte, Schadenersatz zugesprochen. Der Käufer habe nicht wissen müssen, dass in dem Seat auch der Motor EA 189 der Konzernmutter VW verbaut sei (Az.: 11 O 432/19). 

Zudem hat das OLG München in mehreren Entscheidungen vom 30.11.2020 klargestellt, dass sich nicht nur die Konzernmutter VW als Herstellerin des Motors EA 189, sondern auch Audi durch das Inverkehrbringen von Fahrzeugen mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung schadenersatzpflichtig gemacht hat (Az.: 21 U 3457/19 u.a.). 

„Schadenersatzansprüche im VW-Abgasskandal können also vielfach noch geltend gemacht werden. Es kommt auf den Einzelfall an“, sagt Rechtsanwalt Staudenmayer, der zum Abgasskandal Montag - Freitag von 10 bis 13 Uhr eine Servicenummer unter 0800 000 19 63 geschaltet hat. 

Mehr Informationen: https://www.ra-staudenmayer.de/t%C3%A4tigkeitsschwerpunkte/abgasskandal

 



Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Michael Staudenmayer

Beiträge zum Thema

Ihre Spezialisten