Gazprom, Nornickel und andere russische ADR: Wann geht der Umtausch wieder los?

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Der Umtausch vieler russischer ADRs kam zuletzt zum Erliegen. Die Bücher der ADR-Emittentinnen müssen um die ADRs bereinigt werden, die im Rahmen der Zwangskonvertierung in Russland umgetauscht wurden. BNY Mellon, die u.a. für den Umtausch von Gazprom- und Nornickel- ADRs zuständig ist, hat deshalb ihre Bücher seit dem 20.11.2022 für diese ADR-Gattungen geschlossen. Auch die Citibank, die u. a. Lukoil-ADRs emittiert hat, hat ihre Umtauschaktivitäten schon seit längerem ausgesetzt.  

Für diejenigen, die ihre ADRs noch nicht umtauschen konnten, stellt sich seitdem die Frage, ob und wie es mit ihren ADRs weitergeht. Hierzu gibt es neue Entwicklungen für den westlichen oder auch freiwilligen Weg, die wir nachfolgend zusammenfassen:

1. Voraussetzungen für den Umtausch russicher ADRs

Der Umtausch von russischen ADRs in Aktien hängt maßgeblich von der Mitwirkung der Broker und Depotbanken sowie den Verwahrstellen ab. Zudem müssen die ADRs in der richtigen Verwahrart liegen und die jeweilige ADR-Emittentin muss ihre Bücher für den Tausch geöffnet haben.  

Der russische Zentralverwahrer NSD verlängerte erneut seinen Verzicht auf Gebühren im Zusammenhang mit dem Umtausch von ADRs bis Ende 2023. Sie schuf damit die Grundvoraussetzung dafür, dass die Beteiligten den Umtausch vollziehen können, ohne gegen Sanktionen gegen die russische Zentralbank zu verstoßen. Viele Depotbanken und insbesondere die Verwahrstelle Clearstream verweigerten dennoch ihr Mitwirken an dem Umtauschprozess unter Verweis auf weitere Hürden und Sanktionen, die zumindest nach ihrem Verständnis einer Unterstützung der Umtauschaktivitäten entgegenstehen. Diese Blockade könnte nun aufgrund der Bestimmungen des 11. Sanktionspakets, welches am 23.06.2023 beschlossen wurde, aufgelöst werden.

2.  Das 11. EU- Sanktionspaket

Das 11. EU-Sanktionspaket sieht nämlich auch Neuerungen  für den Umgang mit russischen Wertpapieren vor. Die Europäische Kommission gibt zu den vorgenommenen Änderungen in ihrer Pressemitteilung vom 26.06.2023 unter „zusätzliche Einstellungen/Klarstellungen" bekannt: 

 "Einfügung einer Ausnahmeregelung, die die Veräußerung bestimmter Arten von Wertpapieren gestattet, die von gelisteten Einrichtungen gehalten werden." 

3. Haltung von Clearstream Banking und deren Auswirkungen

In einer ersten Stellungnahme vom 28.06.2023 führt Clearstream Banking zu dem 11.Sanktionspaket auf ihrer Homepage aus, dass die EU mit der Änderung des Artikel 5aa der EU- Verordnung 269/2014 die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten ermächtigt, die Umwandlung von Hinterlegungsscheinen in russische Aktien/Basiswerte, die bei der nationalen Abrechnungsstelle NSD gehalten werden, zu genehmigen. Der Genehmigungsantrag muss bis spätestens zum 25.09.2023 erfolgen. Clearstream Banking interpretiert die Änderungen dahingehend, dass nicht genehmigte Konvertierungen ab dem 23.06.2023 verboten sind. Anträge, die nach dem 23.06.2023 eingegangen sind, werden von Clearstream ohne Genehmigung daher nicht mehr angenommen. 

Gleichzeitig fordert Clearstream seine Kunden, die Depotbanken und Broker auf, von den zuständigen Behörden eine Anleitung zur weiteren Vorgehensweise anzufordern. Der Ball liegt damit bei diesen und die Zeit drängt.  

4. Bedeutung für Inhaberrussischer ADR

Die Änderungen sind für ADR Inhaber Chance und Unsicherheit zugleich. Einerseits kommt nun endlich wieder Bewegung in die verfahrene Situation und es besteht die Hoffnung auf eine einheitliche Lösung. Andererseits gilt es zu befürchten, dass Depotbanken und Broker die erforderlichen Genehmigungen erneut nicht oder nur zögerlich einholen werden. 

Für ADR- Inhaber von Gazprom endet die Frist für den Umtausch nach dem Vertragswerk zwischen BNY Mellon und Gazprom am 03.08.2023. Gazprom ADRs, die nicht innerhalb der Frist in Aktien umgetauscht wurden, werden nach den vertraglichen Bestimmungen nach dem 03.08.2023 freihändig ohne weiteren Einfluss der Inhaber veräußert. Sofern dieses Szenario eintritt, wird den Anlegern voraussichtlich ein erheblicher Verlust entstehen. Denkbar ist aber auch, dass die Frist verlängert wird.

Wir empfehlen ADR-Inhabern folgende Maßnahmen zu ergreifen:

Als erstes sollte sich jeder dafür einsetzen, dass seine Depotbank oder sein Broker zeitnah tätig wird und sicherstellen, dass diese die Ausnahmegenehmigung für den Umtausch der ADRs einholen. Für unsere Mandanten übernehmen wir diese Korrespondenz und werden auf eine kurzfristige Beantragung der Ausnahmegenehmigung bestehen. Sollten Depotbanken und Broker nicht oder zu spät tätig werden, werden wir sie mit Schadensersatzansprüchen unserer Mandanten konfrontieren.

Als zweites sollte jeder frühzeitig die Voraussetzungen schaffen, damit der Umtausch, wenn er dann möglich ist, umgehend vollzogen werden kann. Dazu zählt insbesondere ein Depot mit Zugang zur russischen Verwahrstelle. 

Unter der Voraussetzung, dass Ihre ADRs mindestens einen Wert von € 50.000 haben, unterstützen auch wir Sie gerne bei der erforderlichen Korrespondenz mit Ihrer Depotbank/Ihrem Broker. Zudem können wir Ihnen ein Depot im Ausland mit Zugang zur russischen Verwahrstelle anbieten, auf dem ihre Aktien eingebucht werden können. Sollten Sie bereits über ein C- Konto verfügen, welches noch nicht verifiziert ist, können wir Ihnen ebenfalls weiterhelfen. Insgesamt unterstützen und begleiten wir Sie bei allen erforderlichen Schritten und Anträgen. Rufen Sie uns gerne dazu an oder schreiben Sie uns eine E- Mail an: adr@johstrichter.de



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