Gefährlichkeitseinstufung – ab wann gelten kleine Hunde als gefährlich?

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Haltungsuntersagung wegen Unzuverlässigkeit des Hundehalters

VG Köln, Urteil vom 21.01.2016 – 20 K 6915/14

Vorwort

Dass die Gefährlichkeit eines Hundes nichts mit seiner Rasse oder Größe zu tun hat, veranschaulicht der folgende Fall. Denn auch ein bissiger Dackel kann je nach Einzelfall als „gefährlicher“ Hund im Sinne des LHundG NRW gelten. Wenn sich dann noch der Hundebesitzer uneinsichtig oder nicht in der Lage zeigt, den Hund unter Kontrolle zu halten, kann ihm sogar bei einem kleinen Hund die Haltung untersagt werden.

Exkurs „kleiner“ Hund im Sinne des LHundG NRW

Nach dem Landeshundegesetz NRW handelt es sich bei einem ausgewachsenen Hund mit einer Widerristhöhe von mindestens 40 Zentimeter oder einem Gewicht von mindestens 20 Kilogramm um einen „großen“ Hund. Die sogenannten 20/40-Hunde sind bei dem zuständigen Ordnungsamt anzumelden. 

Demnach lässt der Umkehrschluss des § 11 (1) LHundG NRW zu, dass es sich bei einem ausgewachsenen Hund mit einer Widerristhöhe von unter 40 Zentimeter oder einem Gewicht von unter 20 Kilogramm um einen „kleinen“ Hund im Sinne des Gesetzes handelt.

Sachverhalt

Die Klägerin ist Halterin eines Rauhaardackelrüden. Vier Beißvorfälle wurden zunächst polizeilich gemeldet. Der Dackel fügte bei zwei Vorfällen den Bissopfern stark blutende Wunden zu, die ärztlich behandelt werden mussten. Darüber hinaus zerbiss der Dackel Hosen und Schuhe der Beschädigten. Die Hundehalterin argumentierte in den anderen Fällen, dass der Dackel in einem Fall zwar geschnappt, aber weder Mensch noch Sachen Schaden zugefügt habe. In einem weiteren Fall erklärte die Hundehalterin, dass der Dackel erst nach erheblicher Provokation zugebissen habe.

Daraufhin erließ die Beklagte gegen die Klägerin eine Verfügung, in der sie einen Leinen- und Maulkorbzwang sowie eine amtstierärztliche Untersuchung für den Dackel anordnete.

Laut der amtstierärztlichen Stellungnahme handele es sich bei dem Dackel zwar nicht um einen gefährlichen Hund im Sinne des § 3 Abs. 3 LHundG NRW, er zeige jedoch ein übersteigertes Revierverteidigungsverhalten, das die Halterin nicht unter Kontrolle hätte. Ein Leinen- und Maulkorbzwang wurde empfohlen.

Einige Zeit später griff der Dackel unbegleitet und ohne Leine erneut grundlos einen Spaziergänger an und verletzte diesen erheblich. Daraufhin wurde gegen die Klägerin ein Zwangsgeld in Höhe von 250,00 € festgesetzt.

Aufgrund der Beißvorfälle wurde die Hundehalterin wegen fahrlässiger Körperverletzung in zwei Fällen verurteilt. Durch den Bewährungsbeschluss wurde ihr die Teilnahme an einem Hundetrainingskurs aufgegeben, und dass sie die ordnungsbehördlichen Auflagen in Zukunft zu befolgen habe.

Bereits ein paar Wochen später wurde abermals ein Beißvorfall gemeldet, bei dem der Dackel, geführt an einer langen Leine sowie ohne Maulkorb, dem Geschädigten die Hose zerbiss und ihm eine blutende Fleischwunde zufügte. Sollte die Klägerin ihr Verhalten nicht ändern, verwarnte die Klägerin sie, werde ihr der Hund weggenommen. Obwohl die Beklagte an zehn Trainingsstunden mit dem Hund teilnahm, kam es erneut zu zwei Beißvorfällen.

Daraufhin ordnete die Beklagte eine Haltungsuntersagung im Sinne des § 12 Abs. 2 Satz 1 LHundG an.

Die Klägerin wendete ein, der Hund sei zwischenzeitlich kastriert worden und habe dadurch eine positive Wesensveränderung erfahren und begehrte die Aufhebung der Haltungsuntersagung.

Die Entscheidung:

Da die Ordnungsverfügung rechtmäßig war, wurde die Klage als unbegründet abgewiesen.

Zwar hat die Behörde die Anordnung auf die falsche Ermächtigungsgrundlage gestützt, im Ergebnis ist dies jedoch vorliegend nicht weiter beachtenswert. § 12 Abs. 2 LHundG regelt die Haltungsuntersagung nur bezüglich Hunden bestimmter Rassen, gem. § 10 Abs. 1 sowie großer Hunde, gem. § 11 LHundG. Zu beiden Kategorien gehört der Dackel jedoch nicht. 

Des Weiteren kommt hinzu, dass die Beklagte keine verbindliche Feststellung über die Gefährlichkeit des Hundes nach § 3 Abs. 1, 3 Satz 2 in der Ordnungsverfügung getroffen hat. Ein Hund gehört vor einer verbindlichen Feststellung seiner Gefährlichkeit durch die Behörde nicht zu den im Einzelfall gefährlichen Hunden nach § 3 Abs. 3, auch wenn materiell die Voraussetzungen für Feststellung vorliegen sollten.

Allerdings kann wegen besonderer Umstände des Einzelfalls eine Haltungsuntersagung auf § 12 Abs. 1 LHundG NRW gestützt werden. Die Regelungen des § 12 Abs. 1 und 2 dienen im Allgemeinen dazu, die Behörde zu ermächtigen, Anordnungen zu erlassen, mit denen von Hunden ausgehende Gefahren abgewehrt werden können. 

Es handelt es sich zwar hierbei grundsätzlich um Ermessensentscheidungen der Behörde, in besonderen Fällen – wie hier – kann dieses Ermessen jedoch auf Null reduziert sein. Aufgrund diverser aktenkundiger Beißvorfälle mit teils schweren Verletzungen, besteht kein Zweifel daran, dass von dem Dackel eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit ausgeht.

Auch ohne behördliche Feststellung der Gefährlichkeit ist offenkundig, sodass die materiellen Voraussetzungen des § 3 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 erfüllt sind.

Die amtstierärztliche Stellungnahme, nach der der Hund nicht gefährlich sei, ist hier unerheblich, da diese zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung bereits mehrere Jahre zurück lag. Ferner ist es zudem unerheblich, aus welchen Gründen sich der Hund aggressiv verhält. 

Auch die Kastration ändert nichts an der Rechtmäßigkeit der Verfügung, zum einen, weil die Wesensveränderung nur behauptet, nicht aber bewiesen wurde, und zum anderen, weil bereits nach der Kastration erneut ein Beißvorfall aktenkundig wurde, was der Annahme einer positiven Wesensveränderung entgegensteht.

Über mehrere Jahre hinweg hat sich die Halterin nicht bereit und nicht fähig erwiesen, die Pflichten eines Hundehalters gem. § 2 Abs. 1 LHundG gewissenhaft nachzukommen. Die Halterin hat wiederholt gegen die Auflagen aus der ersten Ordnungsverfügung verstoßen und damit ihre Unzuverlässigkeit begründet.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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