Gekündigte Lebensversicherungen: Neue BGH-Entscheidungen senden gemischte Signale an Versicherte

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Lebensversicherungen stehen im Sommer 2014 im Fokus der Öffentlichkeit. Es wird seit Wochen über die Zukunft der beliebten Kapitalanlage debattiert – die „Garantiezinsen“ sollen weiter gesenkt werden. Doch auch Altverträge schrieben Schlagzeilen: Der Bundesgerichtshof hatte über grundlegende Rechtsfragen bei gekündigten Renten- und Lebensversicherungsverträgen zu entscheiden. Die im Mai und Juli 2014 ergangenen höchstrichterlichen Entscheidungen brachten recht unterschiedliche Ergebnisse für die Versicherten mit sich. 

Den Hintergrund für die jüngsten Entscheidungen des Bundesgerichtshofs bilden gekündigte Lebens- und Rentenversicherungsverträge. Versicherte, die nach der Kündigung ihrer zwischen 1998 und 2007 abgeschlossenen Rente- oder Lebensversicherung einen enttäuschenden Rückkaufswert erhalten hatten, widersprachen den ursprünglichen Vertragsschlüssen und forderten (nachträglich) mehr Geld. Jedoch stellte sich die Frage, ob ein Widerspruch überhaupt noch möglich ist oder ob die damals gültigen gesetzlichen Regelungen dagegenstehen. In § 5a Versicherungsvertragsgesetz (alte Fassung bis 2007) war festgelegt, dass ein Renten- oder Lebensversicherungsvertrag nur binnen eines Jahres nach dem Bezahlen der ersten Prämie widerrufen werden kann.

Widerrufsbelehrung entscheidet, ob späterer Widerruf noch möglich ist

Der Bundesgerichtshof hatte nun zu klären, wie weitreichend die zeitliche Beschränkung des Widerspruchsrechts ist. Dabei hatte das Gericht im Mai und im Juli 2014 über zwei unterschiedliche Fallkonstellationen zu entscheiden. Das am 16.07.2014 ergangene Urteil betraf einen Kläger, welche 1998 eine fondsgebundene Lebensversicherung abgeschlossen hatte. Er wurde ordnungsgemäß über sein Widerspruchsrecht aufgeklärt. Im Jahr 2004 wurde der Versicherungsvertrag gekündigt und der Kläger erhielt den Rückkaufswert. Im Jahr 2011 widersprach der Kläger dem längst gekündigten Versicherungsvertrag und forderte mehr Geld. Dieser Forderung erteilte der Bundesgerichtshof jedoch eine Absage. Er folgte nicht der Argumentation des Klägers, dass das Policenmodell (besondere Art des Vertragsschlusses) nicht mit europarechtlichen Vorgaben vereinbar sei (Urteil vom 16.07.2014 – IV ZR 73/13).

Die Anfang Mai 2014 ergangene BGH-Entscheidung (Urteil vom 07.05.2014, Aktenzeichen: IV ZR 76/11) behandelt einen recht ähnlichen, in einem wesentlichen Detail jedoch unterschiedlichen Fall: Anders als im soeben umrissenen Urteil wurde der Kläger nicht ordnungsgemäß auf sein Widerspruchsrecht hingewiesen. In diesem Fall beurteilten der Bundesgerichtshof und auch der Gerichtshof der Europäischen Union die Rechtslage anders: Bei einer nicht ordnungsgemäßen Widerrufsbelehrung ist die Ausschlussregelung des § 5a Versicherungsvertragsgesetz (alte Fassung) nicht mit europarechtlichen Vorgaben vereinbar. Die Folge ist, dass auch noch nach Jahren ein Widerspruch gegen den ursprünglichen Vertragsschluss möglich ist.

Rechtliche Optionen bestimmen sich anhand des Einzelfalls

Es gibt daher trotz der allerneuesten Entscheidung des Bundesgerichtshofs nach wie vor Möglichkeiten für Renten- und Lebensversicherte, um sich gegen unbefriedigende Ergebnisse von Kündigungen zu wehren. Es bedarf jedoch einer genauen Prüfung des Einzelfalls, um auszuloten, ob und was ein betroffener Versicherter sich unternehmen kann. Wie sich anhand der obigen BGH-Urteile erkennen lässt, hängt die rechtliche Beurteilung eines Falls mitunter von Einzelheiten ab. Versicherungsnehmer, die Lebensversicherungen, Rentenversicherungen und Zusatzversicherungen zu Lebensversicherungen zwischen 1994 und 2007 abschlossen und sich fragen, wie es um ihren Fall bestellt ist, sollten sich Rechtsrat einholen.

Dr. Stoll & Kollegen Rechtsanwaltsgesellschaft mbH

Kanzlei für Bank- und Kapitalmarktrecht


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