GmbH-Geschäftsführer – Aktuelle BGH-Rechtsprechung (Teil II)

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Das GmbH-Recht ist sehr flexibel und lässt den Gesellschaftern zahlreiche Möglichkeiten für eine individuelle Gestaltung ihrer Satzung.

Zum notwendigen und nicht notwendigen (fakultativen) Inhalt der Satzung finden Sie hier ausführliche Informationen: 

Der Online-Gesetzeskommentar zum GmbHG – § 3 Inhalt des Gesellschaftsvertrags

Durch eine entsprechende Gestaltung kann dabei der – bereits durch zahlreiche gesetzliche Regelungen ohnehin eng begrenzte – Handlungsrahmen des Geschäftsführers weiter eingeschränkt werden. 

Gerade in dem Verhältnis zwischen GmbH-Gesellschaftern einerseits und GmbH-Geschäftsführer andererseits kommt der höchstrichterlichen Rechtsprechung aufgrund ihrer nicht zu unterschätzenden faktischen Bindungswirkung eine entscheidende Rolle zu. 

Fortsetzung von Teil I

IV. Haftung des Geschäftsführers

Geschäftsführer haben in den Angelegenheiten der GmbH die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes anzuwenden (§ 43 Abs. 2 GmbHG). Verletzen sie ihre Pflichten, haften sie der Gesellschaft auf Schadensersatz (§ 43 Abs. 2 GmbHG).

Aufgrund dieser sog. Innenhaftung werden Geschäftsführer weitaus häufiger in Anspruch genommen als diese vermuten mögen, wähnen sich diese doch häufig in einer trügerischen Sicherheit. 

Gerade wenn die Gesellschaft personalistisch strukturiert ist und der Gesellschafterkreis aus nur wenigen Personen besteht, glauben Gesellschafter-Geschäftsführer häufig zu Unrecht, dass sie einer Haftungsgefahr nicht ausgesetzt sind. Ihr persönliches Verhältnis zu den anderen Gesellschaftern ist ausgezeichnet, schließlich arbeitet man schon seit Jahren vertrauensvoll zusammen. Aber das kann sich sehr schnell ändern! 

Zur Haftungsprävention ist der Geschäftsführer daher gut beraten, wenn er sich nicht nur an ausdrückliche Weisungen der Gesellschafter hält, sondern auch im Übrigen die Gesellschafter selbst in guten Zeiten immer wieder von sich aus einbindet und ins Boot holt. Jedenfalls vor wichtigen Maßnahmen sollte ein – zustimmender – Beschluss der Gesellschafter auch dann eingeholt werden, wenn dies nicht zwingend gesetzlich oder statutarisch vorgeschrieben ist.

Ein weiteres probates Mittel zur Haftungsabschirmung ist der Entlastungsbeschluss (§ 46 Nr. 5 GmbHG). Denn die Gesellschaft ist aufgrund einer Entlastung des Geschäftsführers mit solchen Ersatzansprüchen ausgeschlossen, die der Gesellschafterversammlung bei sorgfältiger Prüfung aller Vorlagen und Berichte im Zeitpunkt der Beschlussfassung erkennbar waren oder von denen alle Gesellschafter privat Kenntnis hatten.

1. Haftungsbeschränkung für den alleinigen Gesellschafter-Geschäftsführer

In diesem Zusammenhang ist ergänzend auf das Urteil des BGH vom 17.10.2017, Az. KZR 24/15 hinzuweisen, mit dem klargestellt wird, dass der Geschäftsführer, der zugleich ihr alleiniger Gesellschafter ist, grundsätzlich nicht nach § 43 Abs. 2 GmbHG haftet. 

Dies beruht auf der Erwägung, dass der Geschäftsführer bei Personenidentität mit dem Gesellschafter letztlich allein weisungsberechtigt ist und praktisch seine eigenen Weisungen ausführt. Unter solchen Umständen bedarf es keines förmlichen Gesellschafterbeschlusses, um die Annahme eines Handelns auf Weisung des Gesellschafters zu begründen.

Dieser Grundsatz findet nach den Vorgaben des BGH auch Anwendung, wenn es um die Haftung mehrerer Geschäftsführer geht, die einverständlich gehandelt haben und zusammen die alleinigen Gesellschafter sind, also zusammengenommen über die gleiche Rechtsmacht verfügen wie ein Alleingesellschafter. 

2. Haftung für nicht abgeführte Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung

Der Sozialversicherungsträger, der den Geschäftsführer wegen Vorenthaltens von Arbeitnehmeranteilen zur Sozialversicherung in Anspruch nimmt und sich hierbei auf eine deliktische Haftung wegen Verletzung eines Schutzgesetzes stützt (§ 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 266a StGB), hat nach Auffassung des BGH, Urteil vom 03.05.2016, Az. II ZR 311/14alle Umstände darzulegen und zu beweisen, aus denen sich die Verwirklichung der einzelnen Tatbestandsmerkmale des Schutzgesetzes ergibt. 

Die Darlegungs- und Beweislast erstreckt sich auch auf den Vorsatz des Geschäftsführers. 

Diesen trifft demgegenüber grundsätzlich nur eine sekundäre Darlegungslast

Der Geschäftsführer handelt mit bedingtem Vorsatz, wenn er eine für möglich gehaltene Beitragsvorenthaltung billigt und nicht auf die Erfüllung der Ansprüche der Sozialversicherungsträger hinwirkt. 

3. Eingeschränkte Haftung für Wettbewerbsverstöße der GmbH

Mit der Entscheidung des I. Zivilsenats des BGH vom 18.06.2014, Az. I ZR 242/12 wird die persönliche Haftung des Geschäftsführers für Wettbewerbsverstöße der Gesellschaft in Abweichung von der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung eingeschränkt. 

Während der Geschäftsführer bislang auf der Grundlage einer sog. Störerhaftung bereits dann persönlich für solche Wettbewerbsverstöße der GmbH einstehen musste, wenn er sie trotz Kenntnis nicht verhindern hatte, genügt nunmehr die schlichte Kenntnis für eine Haftungsbegründung nicht mehr. Erforderlich ist nach Aufgabe der Störerhaftung im Lauterkeitsrecht vielmehr, dass der Wettbewerbsverstoß auf einem Verhalten beruht, das dem Geschäftsführer anzulasten ist. 

Darüber hinaus haftet der Geschäftsführer aufgrund einer eigenen wettbewerbsrechtlichen Verkehrspflicht dann persönlich, wenn er ein auf Rechtsverletzungen angelegtes Geschäftsmodell selbst ins Werk gesetzt hatte. Eine Haftung ist ferner gegeben für grundlegende Entscheidungen, die typischerweise auf Geschäftsführerebene getroffen werden, also z. B. für die Firmierung oder für allgemeine Werbekonzepte und Strategien des Unternehmens. 

Erlangt der Geschäftsführer lediglich Kenntnis davon, dass bei der unter seiner Leitung stehenden Geschäftstätigkeit Wettbewerbsverstöße begangen werden oder ihre Begehung bevorsteht, trifft ihn persönlich regelmäßig keine wettbewerbsrechtliche Pflicht im Verhältnis zu außenstehenden Dritten, eine (weitere) Verletzung durch das Wettbewerbsrecht geschützter Interessen von Marktteilnehmern zu verhindern.

V. Prozess gegen den Geschäftsführer

1. Vertretung der GmbH

Nach § 46 Nr. 8 Alt. 2 GmbHG obliegt es der Gesellschafterversammlung einen Vertreter der Gesellschaft in Prozessen zu bestimmen, welche die GmbH gegen einen Geschäftsführer führt. 

Diese Vorschrift, die nach dem Beschluss des II. Zivilsenats des BGH vom 02.02.2016, Az. II ZB 2/15 sowohl für Aktiv- als auch für Passivprozesse gilt, soll die unvoreingenommene Prozessführung in Rechtsstreitigkeiten sicherstellen, in denen regelmäßig die Gefahr besteht, dass die nach § 35 GmbHG an sich zur Vertretung der Gesellschaft berufenen Geschäftsführer befangen sind. 

Dies gilt auch für Prozesse gegen ausgeschiedene Geschäftsführer, insbesondere Rechtsstreitigkeiten, in denen ein Geschäftsführer seine Abberufung und fristlose Kündigung aus wichtigem Grund anzweifelt und sein Gehalt einklagt. 

Gleichwohl kann die Gesellschaft aber durch einen neuen Geschäftsführer so lange vertreten werden, wie die Gesellschafterversammlung nicht von ihrer Befugnis Gebrauch macht, einen anderen Vertreter zu bestellen.

2. Darlegungs- und Beweislast

Aus der Verpflichtung des Geschäftsführers, für die ordnungsmäßige Buchführung der Gesellschaft zu sorgen, ergibt sich nach dem Urteil des II. Zivilsenats des BGH vom 19.01.2016, Az. II ZR 61/15 eine Verteilung der Darlegungs- und Beweislast zu seinen Lasten. 

Es ist davon auszugehen, dass der Inhalt einer Buchung die Rechtswirklichkeit zutreffend wiedergibt. 

Stützt sich die Gesellschaft im Prozess auf vorhandene Buchungen und Buchungsunterlagen, hat der in Anspruch genommene Geschäftsführer somit für seine Behauptung, die Buchführung sei nicht ordnungsgemäß, den Nachweis zu erbringen. Hat aber der Geschäftsführer seiner Darlegungslast genügt und für sein Vorbringen Beweis angetreten, darf dies nicht unbeachtet bleiben. Denn aus der vorhandenen Buchung ergibt sich keine unwiderlegbare Vermutung.

Hieran anschließend hat der II. Zivilsenat des BGH im Urteil vom 19.12.2017, Az. II ZR 88/16 klargestellt, dass diese Grundsätze auch dann gelten, wenn der Geschäftsführer gemäß § 64 S. 1 GmbHG i. V. m. § 17 Abs. 2 S. 1 InsO in Anspruch genommen wird. 

Einen vom Insolvenzverwalter zur Darlegung der Zahlungsunfähigkeit der GmbH aufgestellten Liquiditätsstatus, der auf den Angaben aus der Buchhaltung der GmbH beruht, kann der Geschäftsführer deswegen nicht mit der pauschalen Behauptung angreifen, die Buchhaltung sei nicht ordnungsgemäß geführt worden. Der Geschäftsführer hat vielmehr im Einzelnen vorzutragen und ggf. zu beweisen, welche der in den Liquiditätsstatus eingestellten Verbindlichkeiten trotz entsprechender Verbuchung zu den angegebenen Zeitpunkten nicht fällig und eingefordert gewesen sein sollen.

Hiermit wird von dem Geschäftsführer nach höchstrichterlicher Ansicht nichts Unmögliches verlangt. Denn er sei berechtigt, zum Zwecke seiner Beweisführung Einsicht in die Buchhaltung der Gesellschaft zu nehmen. 

Anderes soll sich auch nicht ergeben, wenn die Buchhaltung nicht von ihm selbst, sondern von seinen Mitarbeitern geführt wurde. Der Geschäftsführer kann sich dann insbesondere nicht darauf berufen, eine eigene Kenntnis von den Buchungsvorgängen über die vorhandenen Unterlagen hinaus könne von ihm im Hinblick auf die Delegation der Buchführung und insbesondere in Anbetracht des inzwischen verstrichenen Zeitraums nicht erwartet werden. 

Der Geschäftsführer ist zwar nach § 41 GmbHG nicht zur eigenhändigen Buchführung verpflichtet, sondern darf die technische Buchführung auch auf Unternehmensangehörige delegieren. Das enthebt ihn aber nicht von seiner grundsätzlichen Verantwortlichkeit, für eine ordnungsgemäße Buchführung zu sorgen; es ändert vor allem auch nichts an der Verteilung der Darlegungs- und Beweislast.

Selbstverständlich stehe ich Ihnen auch persönlich für eine umfassende Beratung zur Verfügung. Weitere ausführliche Informationen finden Sie auf meiner Homepage.

V. i. S. d. P.:

Rechtsanwalt Jörg Streichert

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