GPW Inkasso nutzt unrechtmäßig personenbezogene Daten von Mitgliedern der GENO Wohnbaugenossenschaft zu Werbezwecken

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Update zum Artikel vom 18.05.2021: 

Landgericht Berlin bestätigt in einem weiteren Rechtstreit in der Berufungsinstanz, dass die GPW Inkasso GmbH es zu unterlassen hat, den dortigen Käger zu Werbezwecken zu kontaktieren

Das Landgericht , 52. Kammer, als Berufungsgericht hat bereits die Berufung der GPW Inkasso GmbH zurückgewiesen, so dass die erstinstanzliche Verurteilung 1. es zukünftig zu unterlassen, die Klägerin zu Werbezwecken mittels Brief und/oder sonstigen Werbematerial an deren postalischer Adresse zu kontaktieren und 2. sämtliche personenbezogene Daten der dortigen Klägerin und Mandantin von Rechtsanwalt Fürstenow, eines Mitglieds der Geno Wohnbaugenossenschaft eG, zu löschen, rechtskräftig geworden ist. Des Weiteren hat auch die 13. Kammer des Landgericht Berlin als Berufungsgericht in einem Parallelverfahren gegen die GPW Inkasso GmbH bereits darauf hingewiesen, dass es ebenfalls einen entsprechenden Unterlassungsanspruch für gegeben hält. Nunmehr hat das LG Berlin mit Versäumnisurteil entschieden, dass es  GPW Inkasso GmbH zu unterlassen hat, den dortigen Kläger zu Werbezwecken mittels Briefs und/oder sonstigen Werbematerial an dessen postalischer Adresse zu kontaktieren.

Das AG Lichtenberg hat in seiner von Rechtsanwalt Sascha C. Fürstenow erstrittenen Entscheidung vom 10. September 2020 die GPW Inkasso GmbH dazu verurteilt, 1. es zukünftig zu unterlassen, die Klägerin zu Werbezwecken mittels Brief und/oder sonstigen Werbematerial an deren postalischer Adresse zu kontaktieren und 2. sämtliche personenbezogene Daten der dortigen Klägerin und Mandantin von Rechtsanwalt Fürstenow, eines Mitglieds der Geno Wohnbaugenossenschaft eG, zu löschen (AZ. 16 C 34/20). Mit Beschluss vom 12.04.2021 hat das Landgericht Berlin die Berufung der GPW Inkasso GmbH zurückgewiesen (AZ. 52 S 4/20). Damit ist das erstinstanzliche Urteil des AG Lichtenberg rechtskräftig.

Bei der Klägerin handelt es sich um ein ehemaliges Mitglied der Geno Wohnbaugenossenschaft eG, über die ein Insolvenzverfahren eingeleitet wurde. In dem Falle, dass auch Sie solch ein solches Schreiben erhalten haben, ohne dass Sie der GPW Inkasso GmbH Ihre Daten freiwillig zur Verfügung gestellt haben, können Sie dagegen vorgehen und diese auffordern, die Zusendung derartiger Schreiben zu unterlassen sowie die Löschung Ihrer Daten beantragen.

Sachverhalt: Unrechtmäßig erlangte personenbezogene Daten, unzulässige Werbung

 In dem folgenden Fall wurden sämtliche personenbezogenen Daten der Klägerin unrechtmäßig an die GPW Inkasso GmbH von seitens der Geno Wohnbaugenossenschaft eG bzw. deren vormaligen Vorstand weitergegeben und verarbeitet. Mit einem Schreiben wandte sich die GPW Inkasso an die Klägerin und wies sie auf das bei der Geno eG eingeleitete Insolvenzverfahren hin. Darin erwähnte die Beklagte, sie sei bereits eine der größten Gläubiger und bot ihr an, sich gegen eine Aufwandsentschädigung in Höhe von 200,00 € sowie einer Jahrespauschale von 80,00€ ihm anzuschließen. Die Klägerin forderte sodann mit anwaltlichem Schreiben die GPW Inkasso auf, eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben und sämtliche Daten von ihr zu löschen. Die Klägerin macht zudem erfolgreich geltend, dass dies ein Datenschutzverstoß und eine Persönlichkeitsverletzung auf informationelle Selbstbestimmung darstellt, da das Schreiben nur Werbezwecken gedient hat. Der Beklagte meint, bei dem Schreiben handele es sich nicht um eine Werbung, sondern um ein Vertragsangebot.

Das AG Lichtenberg hat aufgrund folgender Gründe entschieden zugunsten der Klägerin:

a) Persönlichkeitsverletzung nach §§ 1004, 823 BGB

Die erwünschte Unterlassung auf Kontaktaufnahme der Klägerin kann diese nach §§ 1004 Abs. 1 S.2 analog, 823 Abs. 1 BGB wegen Verletzung ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG geltend machen. Mit der Übersendung des Schreibens hat der Beklagte ihr Persönlichkeitsrecht nach § 823 BGB verletzt; die informationelle Selbstbestimmung stellt das Recht dar, selbst über die Speicherung, Verarbeitung und Nutzung der eigenen Person betreffenden Daten zu entscheiden.

Die erforderliche Wiederholungsgefahr für den Unterlassungsanspruch nach § 1004 Abs. 1 S.2 BGB lässt sich durch das festgestellte rechtswidrige Verhalten der GPW Inkasso GmbH erkennen. Die Wiederholungsgefahr wurde hier nicht ausgeräumt, da keine Unterlassungserklärung abgegeben wurde.

Solch ein Unterlassungsanspruch ist durch die DSGVO nicht ausgeschlossen.

b) DSGVO

Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung kann aufgrund eines Verstoßes gegen das Datenschutzrecht beeinträchtigt sein. Denn nach Art. 5 DSGVO müssen personenbezogene Daten auf rechtmäßige Weise verarbeitet werden. Gemäß Art. 6 Abs. 1a DSGVO wurden in diesem Falle die personenbezogenen Daten nicht rechtmäßig verarbeitet, da die Daten für ein Vertragsangebot ohne Einwilligung der Klägerin benutzt worden sind.  Die Beklagte kann sich auch nicht auf Art. 6 Abs. 1f DSGVO stützen, da die Verarbeitung der Daten nur zur Wahrung berechtigter Interessen erforderlich gewesen sein müsste. Allerdings handelte die GPW Inkasso GmbH nur nach wirtschaftlichem Interesse, d.h. es ging hier um einen Vertragsabschluss, die in Abwägung zum Persönlichkeitsrecht der Klägerin nicht überwiegt.

Auch die Anmerkung, es handele sich nur um eine einmalige Kontaktaufnahme und um Daten, die auch mithilfe aus dem Melderegister erfragt werden könnten, berechtigt keinen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht. Allerdings befreit dies nicht die Beklagten von der Verantwortung für die Verarbeitung der Daten, indem personenbezogene Daten nach Art. 5 DSGVO auch nach dem Grundsatz von Treu und Glauben und in einer für die Betroffene nachvollziehbaren Weise verarbeitet werden müssen. Denn hier wurden gerade die Daten aufgrund ihrer Mitgliedschaft bei Geno eG verarbeitet, die sich nicht aus dem Melderegister finden lassen. Zudem ist es von keiner Relevanz, ob die Daten für postalische Werbung oder für ein konkretes Vertragsangebot verarbeitet wurde. Aus diesen Gründen hat das AG zu Recht entschieden, dass die unrechtmäßig gespeicherten und verarbeiteten Daten nach Art. 17 DSGVO zu löschen sind.

Bestätigung durch das Landgericht Berlin

Das Landgericht Berlin hat die Berufung der GPW Inkasso GmbH mit Beschluss vom 12.04.2021 zurückgewiesen (AZ. 52 S 4/20). Das Landgericht Berlin führt aus:

„Die Erfassung und Nutzung der personenbezogenen Daten der Klägerin für das Schreiben vom 18.07.2018 stellen einen rechtswidrigen Eingriff in das durch § 823 Abs. 1 BGB geschützte allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin dar. Insbesondere ist die Datenverarbeitung nicht nach Art. 6 Abs. 1 lit. f) DSGVO rechtmäßig, da - wie das Amtsgericht zutreffend erkannt hat - die Interessen der Klägerin die Interessen der verantwortlichen Beklagten überwiegen. Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO erklärt die Verarbeitung personenbezogener Daten dann für rechtmäßig, wenn sie zur Wahrung der Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten erforderlich ist und die datenschutzbezogenen Interessen, Grundrechte und Grundfreiheiten des Betroffenen nicht überwiegen. Im Rahmen des Art. 6 Abs. 1 lit. f) DSGVO sind daher die berechtigten Interessen des Verantwortlichen mit den sich ggf. gegen die Verarbeitung gerichteten Interessen der betroffenen Person abzuwägen (Gola-Schulz, 2. Auflage 2018, DSGVO, Art. 6 Rn. 56).

Zwar mag insofern ein berechtigtes Interesse der Beklagten für die Verarbeitung vorliegen. Dabei kann dahinstehen, ob die Beklagte die Daten der Klägerin für Werbezwecke verarbeitet hat, indem sie sie erfasst und für die Erstellung des Schreibens vom 18.07.2018 genutzt hat. Denn auch Direktwerbung kann nach Erwägungsgrund 47 ein berechtigtes Interesse im Sinne des Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO darstellen. Jedenfalls hatte die Beklagte ein wirtschaftliches Interesse an einem Vertragsschluss mit der Klägerin.

Diesem berechtigten Interesse stehen - wie das Amtsgericht zutreffend herausgearbeitet hat - jedoch überwiegende Interessen der betroffenen Klägerin gegenüber. Bei der Interessenabwägung sind insbesondere die vernünftige Erwartungshaltung der betroffenen Person (reasonable expectations) bzw. die Absehbarkeit (Branchenüblichkeit) der Verarbeitung (vgl. Erwägungsgrund 47 S. 1 Hs. 2 und S. 3) sowie ihre Beziehung zu dem Verantwortlichen (Erwägungsgrund 47 S. 2) zu berücksichtigen (BeckOK DatenschutzR-Albers/Veit, 34. Edition 1.5.2020, DSGVO Art. 6 Rn. 53). Die Beurteilung der Begründetheit der Erwartungshaltung des Betroffenen erfordert stets ein Mitdenken des Erhebungs- und Verarbeitungskontexts. Daneben ist stets im Einzelfall zu prüfen, wie sich Gewichtung der Interessen des Verarbeiters und Intensität der Einschränkung von Interessen, Grundrechten bzw. Grundfreiheiten des Betroffenen zueinander verhalten (BeckOK DatenschutzR a.a.O.).

Das Gericht verkennt dabei nicht, dass es sich um einen verhältnismäßig geringen Eingriff handelt, da die Klägerin nur einmal Post erhielt und ihre Daten nicht veröffentlicht wurden. Gleichwohl kann angesichts des Erhebungs- und Verarbeitungskontextes nicht von einer Gleichwertigkeit der Interessen der Beteiligten oder gar einem Überwiegen der Interessen der Beklagten ausgegangen werden. Zunächst ist dabei zu berücksichtigen, dass die Klägerin in keinerlei wirtschaftlicher oder rechtlicher Beziehung zu der Beklagten stand. Diese wurde vielmehr von der insolventen GENO AG beauftragt, deren Gläubigerin die Klägerin ist. Die Klägerin musste darüber hinaus vernünftigerweise nicht damit rechnen, dass die GENO AG ihre Daten - ohne zwingenden rechtlichen Grund - an ein drittes Unternehmen für (Werbe-)Angebote weitergibt und dieses ihr unter Ausnutzung der Kenntnis ihrer Betroffenheit von dem Insolvenzverfahren (Werbe-)Angebote zusendet, die ihre Stellung als Gläubigerin betreffen. Diese Information war - anders als die Anschrift der Klägerin - nicht aus öffentlich zugänglichen Quellen ersichtlich.“

Auch erkennt das Landgericht Berlin rechtswidrigen Eingriff zu Werbezwecken:

„Die Verarbeitung der personenbezogenen Daten der Klägerin erfolgte zu Werbezwecken. Insbesondere stellt sich das am 18.07.2018 versandte Schreiben als Werbung dar. Unter Werbung ist jede Äußerung bei der Ausübung eines Handels, Gewerbes, Handwerks oder freien Berufs mit dem Ziel zu verstehen, den Absatz von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen, einschließlich unbeweglicher Sachen, Rechte und Verpflichtungen zu fördern (Kühling/Buchner-Buchner/Petri, DSGVO, 3. Auflage 2020, Art. 6 Rn. 175). Die Beklagte bezweckte dabei die Gewinnung weiterer Kunden, die sie mit Dienstleistungen im Rahmen der Insolvenzabwicklung der GENO eG beauftragen.

Eine andere Beurteilung ergibt sich nicht aus dem Umstand, dass dem Schreiben vom 18.07.2018 nicht nur eine unverbindliche Aufforderung, ein Angebot zu unterbreiten (invitatio ad offerendum), sondern ein verbindliches Angebot auf Abschluss eines Vertrags im Sinne des § 145 BGB beigefügt war. Soweit die Beklagte mit dem LG Kiel in seiner Entscheidung vom 20.06.2000 (Az. 8 S 263/99), die noch vor dem Inkrafttreten der DSGVO ergangen ist, meint, solche Angebote seien nicht als Werbung zu qualifizieren, sondern würden ein sozialtypisches Element des Rechtslebens darstellen, überzeugt dies nicht.

Zum einen ist kein nachvollziehbarer Grund für die vom Landgericht Kiel vorgenommene Differenzierung ersichtlich. Selbst wenn der Post ein Angebot i.S.d. § 145 BGB beigefügt ist, dient die Post - wie Werbung - dem Ziel, den Absatz zu fördern. Auch für den Empfänger der unverlangten Post wird das Ärgernis, das mit dem Erhalt eines entsprechenden Schreibens verbunden ist, in keiner Weise dadurch abgemildert, dass das Schreiben als ein Angebot i.S.d. § 145 BGB zu werten ist (vgl. Härting, MDR 2000, 1331, 1333). Ein - wie hier - unpersönliches und massenhaft verschicktes Angebot, das den Empfänger nicht interessiert, kann diesen vielmehr ebenso belästigen wie unerwünschte Werbung (vgl. Weidert, EWiR 2001, 135, 136).

Zum anderen darf das Verbot unverlangter Werbung nicht dadurch umgangen werden, dass der Werbung ein Angebot zum Vertragsschluss beigefügt wird. Werden hier nicht klare Grenzen gesetzt, droht der Verbraucher schon bald von dieser Last erdrückt zu werden (vgl. Weidert, a.a.O.).-

Dementsprechend ist bei unverlangter Werbepost in der weiteren Rechtsprechung zu Recht nie danach differenziert worden, ob ein Werbeangebot als Angebot gemäß § 145 BGB oder als bloße invitatio ad offerendum anzusehen ist.“

Herr Rechtsanwalt Fürstenow vertritt Mitglieder als auch vormalige Mitglieder der Geno Wohnbaugenossenschaft eG gegen den Insolvenzverwalter. In dem Falle, dass auch Sie solch ein Schreiben der GPW Inkasso GmbH erhalten haben, können Sie Herrn Fürstenow kontaktieren.

Der Rechtstipp wurde von der Mitarbeiterin der FÜRSTENOW Anwaltskanzlei, Frau Dastan, erstellt.



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